Ich persönlich glaube ja, diese ganze Glaubenstümelei war ein Vorwand Verbeens… oder sagen wir: eine Strategie, um seiner Dichtung Leser zu verschaffen und um diese Dichtung als eine besondere erscheinen zu lassen. Was sie auch war und was sie immer noch ist. Nur fand sich niemand – seinerzeit nicht und nicht heute -, sie zu verteten oder das überhaupt nur zu sehen. Jedenfalls keiner, der hätte Weichen stellen können. So legte Verbeen sie auf ein völlig anderes Fundament… das heißt, er versuchte das; werkgeschichtlich gesehen ist ihm das komplett mißlungen. Auch das. Mag sein, daß sogar eine Spur tatsächlichen Wahns dabei war, aber wirklich nur eine Spur. Zum größten Teil war es, glauben Sie mir, Kalkül.
Wenn für Verbeen der Glaube tatsächlich nur Strategie, Kalkül war, dann tat er im Grunde das Richtige. Er konnte sich da ja auf eine lange Tradition nicht nur von Künstlern berufen, die es e r f o l g r e i c h taten. Hiermit Erfolg zu haben ist fast narrensicher. Da stellt sich mir dann aber die Frage: Woran scheiterte Verbeen? Daran, dass er in Regensdorf einsass? Nein. Es gibt ja zahlreiche Beispiele von Verbrechern, die im Knast zu Christus fanden und danach erfolgreich ihre Bücher im Namen Christi vermarkteten…
Ich glaube, er scheiterte am Betrieb. Außerdem glaube ich nicht, daß Carlson recht hat. Ich habe eher den Eindruck, Verbeen war suchend gläubig, wenn Sie verstehen, was ich meine. Interessant ist die Gotteserscheinung – eine Marienerscheinung – in LICHT. Ich kann Ihnen den Text später mal, falls Sie das interessiert, privat zumailen. Ich möchte nicht alles vorwegnehmen, was dann im Stück eine maßgebliche Rolle spielt. Tatsächlich hat er – wie das seinem Helden Schraaten während dieser Gotteserscheinung aufgetragen wurde – in Innerbrasilien eine, lachen Sie nicht, islamisch-katholische Mission gegründet, knapp zehn Jahre nach dem Missionsauftrag in dem Roman. Dort gründet Schraaten, also der Romanheld, diese Mission. Allerdings keine ‘islamisch-katholische’. Lacht.
(Übrigens geht es mir um etwas ganz anderes. Ich hab versucht, Nasrin Verbeen, die Tochter, darauf anzusprechen. Darüber hab ich eben im Tagebuch geschrieben. Es war schon schwer genug, ihre Telefonnummer herauszubekommen. Sie wurde sauer und hat mir quasi den Hörer aufgelegt. Auch das, was ich da wittere, hat mit Verbeens Glaube zu tun.)
Können Sie mir sagen, wo er die Mission in Brasilien gründete?
Vielleicht kann ich mehr darüber in Erfahrung bringen. (Sie machen mich neugierig!)
Bei Novo Airão. Wie ich das bis jetzt rausgekriegt habe; früher hat das nur Airão geheißen. In den Sechzigern. Liegt am Rio Negro. Selbstverständlich hab ich dann gegoogelt. H i e r wird allerdings gesagt, das “neue” Airão existiere bereits seit 1955. Ich werd da mal anrufen… sofern ich mit Englisch durchkomme. Oder würde Ihre Frau das für mich auf Brasilianisch tun? Es geht mir um Folgendes: Ist sowas nach 1980 dort ein Mischlingsmädchen geboren worden? Ich meine, jemand wie Verbeen, der da ja schon ziemlich fett war, wird aufgefallen sein, zumal mit seinem seltsamen Islamo-Katholizismus. Wenigstens wird es Gerüchte geben.
Vielleicht sprechen wir besser per Email weiter.
Hoppala! Ich las eine Studie, die von der Regierung in Auftrag gegeben worden war und die Epidemieanfälligkeit der Region um Airão herum untersuchen sollte. Da war auch eine kurze Geschichte der Region eingefügt und dort sprach man von Novo Airão erst ab den Siebzigern. Hmm… In der Regel ist das Tourismusgeschäft vertrauenswürdiger als die Regierung. Ich werde dem nachgehen.
Als ich gestern meiner Frau von Verbeens Aufenthalt in Brasilien erzählte, sagte sie mir, sie habe doch Verwandte väterlicherseits, die in Manaus lebten. Manaus ist Freihandelszone und eine der wenigen Regionen im Norden des Landes, die vom wirtschaftlichen Aufschwung des Südens profitieren. Sie hat Kontakt aufgenommen und lässt ihre Verwandten nun den Spuren Verbeens folgen. Mal sehen. Airão liegt ja nur wenige hundert Kilometer von Manaus entfernt.