Verstört schloß ich im Hof mein Rad auf. Dann fuhr ich in die Schönhauser zurück, wo ich den Jungen weinend vorfand. Er stand ganz verloren da, noch nur halb angezogen, hatte mich, als er erwachte, in der ganzen Wohnung gesucht. Auch Katanga war nicht hiergewesen, ich ließ doch mein Kind nicht alleine zurück! Und hatte es offenbar doch getan. Das scheuchte mich auf, machte mich schwindeln vor Schuld: ich hätte schwören können, daß der Junge bei seiner Mama gewesen war, daß heute weder Freitag vormittag noch Wochenende war, auch kein Montag. Nur deshalb war ich mit Deters vorhin doch weggegangen!
„Papa, wo bist du gewesen?“
Seine nasse Angst schüttelte des Kerlchen ein weiteres Mal.
„Adrianchen, entschuldigung, entschuldigung wirklich, ich wollte nur eben…“ – ja, was denn? – „…Brötchen kaufen.“
Aber ich hatte jetzt keine Brötchen dabei. Das merkte der Junge sofort.
„Papa, das darfst du nicht tun, du darfst mich nicht einfach so alleine lassen.“
„Aber du bist doch schon ein großer Junge, und du weißt doch, daß ich dann nur für ein paar Momente weg bin.“
„Das waren viele Momente, Paps.“
Ich nahm ihn in den Arm, fing zu scherzen an, aber mir war so schlecht. Ich dachte an Deters’ Arbeitswohnung, an Eidelbek und den Dämmstoff für Sprengsätze, sowie an eine mir hergestreckte Hand: lang so lang die Finger, die Nägel wie Krallen, hochelegant, aber tödlich und das so weiblich Gehauchte: „Hilf mir, Hans Deters, hilf mir jetzt.“
Ich trug einen Anzug, seltsamerweise; so ließ ich mich ausgesprochen vorsichtig diesen Kellerschacht hinuntergleiten. Selbstverständlich hatte ich keine Taschenlampe dabei.
Es roch leicht vergoren, erinnerte an Maische, was da von unten aus dem Dämmern heraufdrang und sich in Höhe des Bürgersteigs mit dem beißenden Geruch nasser Holzkohle mischte. Ich stand vorgebeugt still, schaute durch die Gitter noch einmal hinauf, schloß die Augen. Im Dunklen hört es sich mit geschlossenen Augen besser. Die Stille hatte etwas Unendliches; kaum zu glauben, daß ich mich soutterrain des Alexanderplatzes befand.