…lese ich immer wieder in den Dschungeln, mit wachsender Faszination, wobei meine Faszination hauptsächlich darin besteht, dass ich es lese (wo es doch der Welt nicht an Lesestoff mangelt), und stelle fest, dass Ihr Konzept, sich selbst zur Romanfigur zu machen, tatsächlich funktioniert. Interessant, dass es umso mehr funktioniert, je “gewöhnlicher” die Berichte sind, vermutlich da, wo ich mich, gewöhnlich, wie ich mich fühle, in der Romanfigur wiederfinde. (Sohnesliebe, die Decke um Kind und Mann, der Streit wegen zerstörtem Spielzeug, die Verzweiflungen über Verletzungen und Angriffe.) Ja, Sie wachsen mir geradezu ans Herz… mal sehen, wie es Alban heute geht….:-) und von welcher Romanfigur kann man denn sowas mal sagen? Nicht, dass ich alles verstehe, aber meine Skepsis muss ich jetzt nicht ausbreiten (Narzissmus-Diskussion etc.).
Nun, mein eigener Narzissmus aber treibt mich dazu, Ihnen einen zentralen Gedanken, der mich beschäftigt, mitzuteilen, oder vielmehr eine Frage zu stellen:
Wenn Sie sich als Romanfigur so sichtbar machen, so “veröffentlichen”, werden Sie dadurch als “reale” ( ich weiss: was ist real? Realität ist ein Hirngespinst!) Person berührbarer oder eher unfassbar? Die Kommentarfunktion in den Dschungeln, die Möglichkeit, Sie anzusprechen, Ihnen zu schreiben, mit Ihnen zu diskutieren, stehen für eine Erreichbarkeit. Aber durch die Heraushebung aus dem Privaten (was ja für viele eine äußerst beängstigende Erfahrung ist, für mich auch, im übrigen), werden Sie gleichermaßen unberührbar, unaufsuchbar, zum einen wegen dieser Furcht, zum anderen aber, weil die Auseinandersetzung mit der Romanfigur, die Sie werden, mich zwingt, mir klarzumachen, dass Sie eine Projektionsfläche werden, der ich auf den Leim gehe. Das ist, glaube ich der Grund, warum ich Sie im Literaturhaus nicht angesprochen habe, ich spürte schon, ohne von den Dschungeln zu wissen, dass es hier mehrere Ebenen gibt, dass Sie zum einen der sind, der Sie sind, aber doch zum größten Teil der, den ich gerne in Ihnen sähe, ein Abbild meiner eigenen Sehnsucht, “meine” Romanfigur eben. Das ist vermutlich der Begleitumstand aller Begegnungen, nur, dass es in Ihrer Person schneller deutlich wurde, jedenfalls für mich. Und – wahrscheinlich weiss ich noch nicht ganz, dass ich selbst auch nur – oder sollte ich sagen zum Glück? eine (meine? wessen?) Romanfigur bin. Wäre doch eine Befreiung: Sich selbst erfinden.
Aber : wird das Leben dann zum Spiel, zum Theaterstück?
Verliert es womöglich dadurch seinen “heiligen” Ernst?
Sind Kälte, Liebesverlust, Mißerfolge dann leichter auszuhalten?
Ist dann leichter zu erreichen, was gesellschaftlicher Normenkatalog verhindert und bestraft?
Und: welche Wirkung hat das auf Begegnung?
Mit sich selbst?
Mit anderen?
(…)
Mein Sohn fragte mich im Alter von vier Jahren: Mama, wer bin ich? Und als ich ihm antwortete, erstaunt und erschüttert: Du bist Cornelius, um ihm eine einfache “kindgerechte” Antwort zu geben, so wie man das aus Erziehungsratgebern lernt, da antwortete er fast ungehalten: „Wie ich heiße, weiß ich doch selber! Nein – wer ist der Junge, der ich bin??“
Gruß
Christiane Z.
P.S. Es ist nicht erwiesen, dass ich Ihnen diese Mail schicke, es ist vielleicht nur ausgedacht.
>>>> Das Leben als Roman 4
Das Leben als Roman 2 <<<<
[Eine öffentliche Antwort gab ich in 1) und 2) dieser untereinander entsprechend verlinkten Überlegungen. Die private geht sehr viel schwerer von der Hand.]
Nein, hier war ich ungenau: > … dass es hier mehrere Ebenen gibt, dass Sie zum einen der sind, der Sie sind, aber doch zum größten Teil der, den ich gerne in Ihnen sähe, ein Abbild meiner eigenen Sehnsucht, “meine” Romanfigur eben. Das ist vermutlich der Begleitumstand aller Begegnungen, nur, dass es in Ihrer Person schneller deutlich wurde, jedenfalls für mich Sie sind natürlich nicht der,den ich in Ihnen gerne sähe, sie sind wer auch immer Sie sind. Und ich nutze das, was mir von Ihnen in Erscheinung tritt, als Projektionsfläche, und, weil ich das schnell erkannt habe, weiß ich, ich unterhalte mich nicht mit Ihnen, sondern mit einem Gedachten und Erfundenem. Es ist alles “nur” in meinem Kopf.