Argo. Anderswelt. (49).

„Nu komm schon rein!“
Fast schüchtern trat er in den alten Flur. Und schüchtern gab er Dorata die Hand.
„Das ist Dolly. Das ist Kalle.“
„Den liebste?“ fragte Willis und nickte auf das Poster des Synthetikers Boygle, das seit Ewigkeiten neben der Tür hing.
Sie lächelte, nicht einmal ich sah ihr die Krankheit an. Offenbar hatte sie nach meinem Anruf ihre Arbeit unterbrochen und sich dem geliebten Ritual ihres Make-ups hingegeben. Und hatte sich lange gekämmt. So lange eine Frau sich pflegt, stirbt sie nicht. Eine gute Eingebung war das mit Kalle gewesen. Auch wenn Dorata ein wenig irritiert über meine Freundeswahl war.
„Komm doch rein… ja, da… Moment, ich hol den Kaffee.“
Willis war immer noch gehemmt, er sah Dorata permanent an, selbst wenn er mit m i r sprach. Sie war die erste Klonin, mit der er bewußt Kontakt bekommen hatte, so erzählte er später; er habe gar nicht begreifen können, daß es so wunderbare Menschen unter Klonen gebe. Von der Krankheit erfuhr er erst, als Dorata schon auf der Intensivstation lag, als wir Abschied nahmen, einen seltsam halben. Dennoch war er ganz. Und als die Holomorphin, Doratas hodnische Replikantin, das erste Mal in der Wurmbachstraße stand, um den Platz der Klonin einzunehmen, feierten wir nicht. Dabei hatte ich Sekt besorgt, hatte die ganze Wohnung mit Blumen vollgestellt. Doch die neue Dolly trauerte genauso wie ich. Und bekam weder zum Vater noch zu den Schwestern den alten innigen Kontakt. Zu Spinnens also gehörte sie nie.

Es hätte natürlich auch anders gewesen sein können. Mal angenommen, Balmer wäre sitzengeblieben und hätte sich um Goltzens Anwesenheit trotz seiner guten Gründe nicht gekümmert. Oder Goltz wäre noch gar nicht aufgetaucht. Goltz kommt erst später. (Und wieso nicht Deidameia zuerst?)
Na gut, ein letztes Bier.

Also Möller erscheint. Er ist Goltz nicht bekannt, jedenfalls nicht persönlich. Vielleicht erinnert er sich an ein Fahndungsbild, aber das liegt so viele Jahre zurück, daß Möller ihn völlig gefahrlos im SILBERSTEIN sitzen lassen kann. Jedenfalls vorerst. Zumal er unterdessen „Neumann“ heißt. Ich drehe den Kopf, seh noch die Bräustädt von hinten, sie zieht die Tür auf und gibt, sozusagen, die Klinke Möller in die Hand. Der Gauner steht nahezu stramm, schon um nicht umgerannt zu werden. „’tschuldigung“ macht die Bräustädt, deren Rochus auf Balmer einen solchen Geruch ausstrahlt, daß Möller ihn sowieso lieber erstmal an sich vorbeifliegen, sich v e r f l i e g e n läßt, als daß er durch ihn hindurchgeschritten wäre.
Da er noch immer auf den Eingang des SILBERSTEINs starrt, bleibt Möller auch Balmer nicht unbemerkt. Und jener, mit dem untrüglichen Instinkt, den er schon zu Deters’ Brokerzeiten an den Tag gelegt hat, hält sich im Hauptraum erst gar nicht auf, sondern schreitet, die Witterung von Geld in der Nase, aber er hat auch Hunger, die paar Treppchen zu den Sushis hinauf. Ich ducke mich etwas, als er mich passiert; das wär sonst, nach dem offenbar verpufften Krokodil, gleich die nächste Begegnung einer Dritten Art:
„Mensch, Axel, was machst d u hier?“

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