Balmer hatte sein Mahl beendet und saß unterdessen in Gesellschaft da. Wenn ich mich nicht sehr täuschte, war das Elke Bräustädt, die hatte ich nicht mehr gesehen, seit damals EVANS SEC. in die Luft geflogen war. Ich konnte mich aber auch täuschen, es war ja viel Zeit vergangen, und ich, anders als Deters, hatte nie einen direkten Kontakt zu ihr. Außerdem, wenn sie es war, hatte sie ihr Haar gefärbt, trug es auch völlig anders. Momentlang dachte ich, daß sie sich vielleicht bei der EWG bewerbe, aber dafür war das SILBERSTEIN ganz gewiß nicht der richtige Ort. Die Zeiten, in denen Balmer noch als einfacher Gstl. Leute für seine Drückertruppe warb, lagen schließlich und sowieso lange zurück. Nach einem libidinösen Treffen sah das Gespräch der beiden allerdings erst recht nicht aus. Sie redeten zu nah beieinander, flüsternd sozusagen, doch zugleich ausgesprochen distanziert. Es mochte also s o sein:
Stephan Korbblut war mitsamt den Konten seines Scheichs zu PRUDENTIAL gewechselt und hatte die Bräustädt irgendwann von EVANS SEC. abgeworben und als seine private Sekretärin angestellt. Eine diskretere und zuverlässigere hätte er tatsächlich nicht finden können. Allmählich erarbeitete sich die verantwortungsvolle Frau derart weitgehende Befugnisse, daß Korbblut sie in Zeiten seiner Abwesenheit sogar traden ließ. Und die Pflege seiner Kunden, etwa Sombarts, übernahm sie sowieso. Die des Scheichs freilich nicht, der Korbblut, wenn er ihn rief und der – wohin immer der Ölmagnat wollte, meist allerdings in die UNIDAS NACIONES DEL ANDÉN, Alleghenys erbitterten Staatskonkurrenten – hingereist war, nach wie vor mit Rosenwasser besprengte. Diese Treffen fanden immer in einem Zelt statt, Sheik Ahmad ibn Rashid al Jassin umgab sich mit unerhörtem Luxus, aber sein Zelt war immer bei ihm. Er ließ es sogar in Hotelzimmern, also Suiten, aufschlagen, saß darin auf zwei Kissen in seinem weiten Gewand, das Kopftuch über dem ziemlich weichen breiten Gesicht , rechts von sich, immer aufgeschlagen, den Koran, links stand ein wadenhohes Tischchen mit Teegeschirr. So empfing er seine Geschäftspartner, zu beiden Seiten des Eingangs standen Diener mit den Rosenwasserschälchen. Der Scheich war undurchsichtig, man wußte nicht: Investiert er sogar in den Osten Europas, stattet er dort in islamischem Interesse Kämpfer aus? Der Jihad hatte ja nicht da seinen Ursprung. Das Firmennetzwerk, dem al Jassin vorstand, war deshalb seit Jahren von Geheimdiensten observiert, das interessierte Korbblut freilich nicht, er war ja ‚nur’ generalbevollmächtigter… man muß schon, in emphatischem Sinn, Kontoführer sagen. War er nun also auf Reisen, beaufsichtigte Elke Bräustädt für ihn die Positionen. Nur: Was hatte das für dieses komische Treffen mit Balmer zu sagen? Ich durchgrübelte ein bißchen die Möglichkeiten und entschied mich schließlich dafür, daß die Bräustädt den designierten EWG-Leiter entweder als Kunden für Korbblut werben wollte oder daß er das längst war. Vielleicht zwackte er bereits Gelder aus der Firma ab und wollte sie deponieren, wo niemand so schnell Zugriff habe. Das wäre ihm nicht unähnlich gewesen. Keine Frage, ich teilte Goltzens Meinung über ihn völlig. Auch mir war schleierhaft, wie sich Elena hatte derart herablassen können, ausgerechnet so einen zum Geliebten zu nehmen. Dann doch wirklich lieber sich von einem Myrmidonen vergewaltigen und wegschleppen lassen. Ich kann nicht verhehlen, daß ich eifersüchtig war. A posteriori. Eifersüchtig mit dem Haut Gôut der Verachtung: ein ausgesprochen unklar zusammengemixtes Gefühl. Das wurde nicht klarer dadurch, daß Balmer und Bräustädt ganz offenbar zu keiner Einigung kamen, momentlang wurde es zwischen den beiden sogar etwas laut. Durch die Frau ging ein Ruck, sie knallte ihm irgendwas auf den Tisch, noch war das Sushi-Gedeck nicht weggeräumt, man hörte das Schälchen springen, sogar durch die Stimmen und Musik hindurch, die das SILBERSTEIN erfüllten.