Corso der Lichtgestalten. Danach die Strandbar Mitte. (Der fünfte September II).

Da nun erwartete uns der nächste dilettantische Höhepunkt: Benjamin Schuberts aus Leuchtröhren hingebastelte Buchstaben, die auf Autoanhängern durch Deutschland gekarrt worden waren, um auf die vielen Analphabeten aufmerksam zu machen, die es hierzulande noch gibt. Ein ehrenvolles Unternehmen, dem Die Dschungel in keinerlei Sinn zu nahe treten möchten, auch wenn der Satz sie auszudörren droht, der Künstler habe “eine neue, unverbrauchte Art” gefunden, “Schrift, Wortinhalt und Skulptur in ästhetischem Kontext zu vereinen.”
Außer den zwischen Touristen und Würstchenbude und einer fahrbahren Bühne herumstehenden Dingern genossen wir den erhebenden Blick auf den Palast der Republik, vor dem noch immer hundert Leute radikalmasochistisch gewillt waren, sich einer Armee chinesischer Tonsoldaten auszusetzen. Als sich zu allem Elend auch noch eine Gruppe mittelalterlich gekleideter Jungmusiker in keltischem Hollywood zu produzieren begann, mitsamt schrillem Sopran und einem kleinen schau-mir-in-die-Gitarre-Baß sowie diverser Trommelei und mit Geige, zogen wir es vor, den Kunstgenuß unseren nahbei aneinandergeschlossenen Fahrrädern zu überlassen und spazierengehenderweise in die Strandbar Mitte zu emigrieren, wo wir nebeneinander, die Tomiak Sekt schürfend, ich – da mein persönlicher Ramadan angebrochen ist – an alkoholfreiem Bier nuckelnd, in tiefen Liegestühlen einen Platz fanden, den meine Begleiterin “eine Falle” nannte, obwohl ich das, mich selbst einmal beiseitelassend, nicht recht einsehen konnte. Jedenfalls hatte der Platz neben dem Fluß, der, mit dem Rücken zum Alex, auf Bodemuseum und Kräne und Zementsilos sehen ließ und den Füßen erlaubte, ihre Zehen im feinen Sand spielen zu lassen, eine deutlichere poetische Valenz als alle Kunstversuche dieses Tages sonst, zumal leise Erotik sich ins Plaudern schlang, die mir mehr gab als bloße Satisfaktion. Deshalb ist es mir ein Genuß, mit Linkverweis eine Fotografie des Ortes einzustellen, für den nicht ich, sondern ein anderer Herbst allmählich voraussehen läßt, es gehe auf eine Trennung zu.


© by Bernd Schönberger