[Britten, Klavierkonzert.]
Ich hab jetzt fast anderthalb Stunden lang Kommentare gelöscht (auch eigene, sowie Pucks, ferromontes, oops’, punanis, Desiderias), manche Beiträge revidiert, einige offline gestellt, bzw. ganz aus dem Weblog genommen. Bei manchen Texten bin ich mir noch unsicher, so hab ich sie erst einmal stehenlassen. Es bleibt aber ein ästhetisch ungutes Gefühl.
Es ist erstaunlich, wieviel Unergebiges sich ansammelt; dazu zählt auch mancher Zuspruch: Äußerungen, die momentlang guttun (oder schmerzen) mögen, aber damit ihren Zweck erfüllten. Im Nach-Lesen wirken sie teils nur noch grotesk oder als schaute man durchs Schüsselloch. Es fehlt ihnen (in der Ästhetik, nicht in der Empfindung, die sie auslöste) Seele. Auch mein Spiel mit dem Weblog-Wettbewerb wirkt nun wie eine fade Groteske, so sehr die Polemik auch meine referrer-Zahl in die Höhe trieb. Die Dschungel müssen so etwas nicht dokumentieren, es reicht die Erkenntnis, wird sie wie hier formuliert.
Es führt daran kein Weg vorbei: Der Künstler w ä h l t. Sammelt an, ja (Beiträge, Kommentare), aber muß dann sortieren.
[In der „Kleinen Theorie des Literarischen Bloggens“ ausformulieren. Danach wandert dieser Eintrag vom Arbeitsjournal ins Tagebuch, wenn ich ihn nicht überhaupt lösche. Die Entstehung einer Arbeit als Arbeit selber begreifen, bedeutet nicht, jeden Fitzel stehenzulassen, sondern ihn, wenn er hereinflattert, zu dokumentieren, zu verarbeiten und dann, erweist er sich nicht als fruchtbar, auszusortieren. Das gilt a u c h – und besonders – für das Eigene. Auch das ist nur Material.]
hm. finde ich problematisch, das löschen der kommentare. ich behalte mir auch vor, kommentare zu löschen, aber nur wenn sie mir das layout zerschießen (lange uncodierte links) oder mich beschimpfen. ansonsten sehe ich darin eine brutale gewaltanwendung gegen die “natur des weblogs” im weitesten sinn: sie schreiben was, jemand reagiert darauf. so ist das, so war die situation, und der prozess ist damit dokumentiert. gleichgültig, wie peinlich oder lächerlich das später einmal wirkt bzw. aus der momentanen perspektive wirken mag. jeder moment ist anders, jede wahrnehmung verschieden. warum alles (auch ästhetisch) über eine kante biegen?
ein weblog ist kein buch.
sie haben selbst in ihrer theorie des liter. bloggens auf die lebendigkeit des blogs hingewiesen, wie sich alte beiträge durch bearbeitungen/ergänzugen wiederbeleben und reaktionen hervorrufen.
warum diese natur beschneiden? wer eine handvoll steinchen in den teich wirft, erlebt, wie sich die wellen ausbreiten, überlagen, reflektiert werden.
es ist ihnen natürlich belassen. ich sehs allerdings problematisch, und es verfälscht im endeffekt das gesamte ding, das ein hochkomplexes labyrinth von gedanken und reaktionen ist, gerade bei ihnen. andere blogs sind stinklangweilig, ihres nicht.
Dieses Weblog i s t ein Buch. Genau darum geht es mir. Wobei ich die Kommentare und Beiträge ja nicht sofort lösche, sondern immer erst stehen und sie wirken lasse. Ich mag aber keine persönlichen Invektiven hier hineinhaben, ich sagte schon: Deshalb ist etwa mein Tagebuch nicht kommentierbar. Ich schreibe es nicht, um mich beraten oder mir zum Beispiel sagen zu lassen, “daß du zur Psychoanalyse gehst, find ich echt nicht gut”. Das kann man privat tun, ich hab ja Telefon. Ich schreibe immer mit künstlerischem Kalkül. Halte ich mich nicht daran, verkommt das Literarische Weblog zu einer Art Lebenshilfe-Becken oder wird soziales Surrogat.
Im übrigen bedeutet der Faktor ZEIT, um den es immer a u c h geht, daß manche Einträge verwehen können müssen; stehenbleibt im Idealfall, was unabhängig von seiner Zeit und seinem Anlaß eine ästhetische Ausstrahlung hat. Und auch das kann der Vergängnis unterliegen und würde sagen wir: zehn Jahr nachher wiederum revidiert werden. (Wie gern tät ich das bisweilen mit meinen Büchern!) Im Weblog alles zu lassen, wie es grad kam, ist nicht nur – fürs Literarische, nicht für das “normale” Weblog – dilettantisch, sondern trübt die poetische Leuchtkraft.
Die in den Teich geworfenen Steinchen verkennen, daß hier ein Teich noch nicht i s t, sondern erst entsteht. Zumal auch gerade die Wellen, von denen Sie sprechen, vergehen. Die Einträge n i c h t vergehen zu lassen, bedeutete, sie zu versteinen, also zu verdinglichen.
[Auch d a s hier sollte ich in die Kleine Theorie des Literarischen Bloggens hineinformulieren. Werden dann d i e s e r Kommentar wie sein auslösender Eintrag und Ihre Reaktion darauf gelöscht, so h a b e n Sie mitbekommen können, wie etwas entsteht. Es war ein Produktionsprozeß. Jedem Leser ist unbenommen, alle oder ein paar der GestaltungsPhasen für sich selbst zu archivieren.]
nun gut. dann wäre das geklärt. kommentschreiber wissen jetzt woran sie sind.
diese funktionsregeln (oder ästhetischen regeln) für ihr literarisches wegblog aufzustellen und sie nach ihren (immer auch subjektiven) kriterien durchzuführen ist ihr gutes recht.
vielleicht nimmt es dem einen oder anderen kommentschreiber etwas an wind aus den segeln, weil vielleicht nur sehr wenige sich zeit und mühe nehmen, längere (oder kürzere) komments zuschreiben / auf themen einzugehe etc, wenn sie wissen, daß ihre zeilen bald wieder gelöscht werden.
Sie werden ja nicht notwendigerweise gelöscht. Sondern nur dann, wenn sich ihr Anlaß verloren hat und sie nicht über den Anlaß hinausweisen. Ich unterstelle meine eigenen Beiträge ganz demselben Verfahren, von dem Tagebuch abgesehen, daß aber auch nur dann Funktionswert behält, wenn es etwas über die Bedingungen, unter denen Texte entstehen, verrät. Und zwar so gut formuliert, daß es wiederum als Literatur gelesen werden kann. Genau das ist das Vorhaben dieses Weblogs, so ist es definiert, so wird darüber nachgedacht.
In seinem Beitrag hat Deters heute morgen auf eine einfühlsame Weise, die meiner eigenen Mentalität verschlossen ist, Ansätze aufgezeigt, die mich tatsächlich daran hindern würden, Kommentare zu löschen.
Und natürlich freue ich mich über Zustimmung und nehme sie auch gerne entgegen – und streite mich bei Widerspruch oder sehe Gegenargumente ein und geb das dann auch zu. Solche Dialogschnipsel haben aber, da poetisch körperlos bleibend, hier auf D a u e r keinen Platz. Hingegen werde ich die Diskussion, wie sie hier jetzt geführt wird, ganz sicher nicht löschen, auch wenn etwa Alva ganz sicher anderer Meinung ist, als ich es bin. Nur ein Weblog – ich sag das mal wieder in der mir eigenen undiplomatischen Weise – als Sozialraum (etwa als community) liegt mir völlig fern. Ich begreife das Literarische Weblog als (unterdessen überaus wichtigen, ästhetisch voranleitenden) Teil meiner Arbeit. Es ist nicht ein Moment meiner “Freizeit”. … – ah, Sie müßten eben diese Phrase des B a r i t o n s gehört haben!
As blood red rubies
Set in ebony
Her lips illumine
The black lake of night.
ok ich verstehe die intention und das procedere schon, wieso auch nicht.
– aber: ich verstehe nicht wirklich, warum ein weblog ein buch sein sollte.
ein buch ist ein buch. und das ist auch gut so. deshalb gibt es ja bücher.
ein weblog kann vieles sein, es kann auch eines wie ihres sein, das natürlich eine andere komplexität und einen anderen gehalt hat als die meisten anderen weblogs, ohne namen zu nennen jetzt.
wenn sie es wollen, kann ein weblog auch in langwierigen prozessen zu einem buch werden, sicher. warum nicht. das ist interessant, faszinierend und großartig.
allerdings scheint das eine welturaufführung zu sein, und daher musste ich den gedanken erst erfassen und ebegreifen … daher mein erstaunen.
britten ist mir nicht allzu bekannt, daher kann ich die musik im moment nicht hören. 🙂
Ich hab furchtbar lange gebraucht, um in speziell diese Oper einzudringen. Jetzt schauert sie mich mit Lusttrauer. Es bestätigt sich immer wieder meine ästhetische Erfahrung: Hören, wieder hören, wieder hören. Auch wenn man widerstrebt, nicht begreift. Aber man kennt ja anderes vom Komponisten, das sofort saß. Und noch einmal hören. Paar Monate liegen lassen. Und noch einmal hören. Plötzlich ist es dann da, als hätte man Trümmer aus dem Weg räumen müssen, um in diesen Schall, der leuchtet, hineinzukommen.
Ganz das Gleiche übrigens mit aller anderen Kunst. Sie will erobert werden. Es hat etwas von dem beharrlichen, mit Tricks und Finten und Verstellungen angefüllten Geschlechterkampf.
“Welturaufführung”? Nein, das ist zu hoch gegriffen, glaub ich, und stimmt so auch nicht. Aber ich will es mit dem Medium künstlerisch ernst meinen.
burning How many men there are in modern life who would like to see their past burning to white ashes before them!
I prefer men with a past. They’re always so damned amusing to talk to.
The more one analyses men , the more all reasons for analysis disappear. Sooner of later one comes to that dreadful universal thing called human nature.
Das Hier Wer ein Weblog betreibt und die Kommentarfunktion aktiviert hat, muss auch mit unästhetischen Kommentaren rechnen.
Ästhetik hört dann auf zu sein, wenn man das Natürliche beschneidet.
Hier – können Sie nicht erwarten, dass Kommentatoren punktgenaue Beiträge zu Ihren Romanen abliefern.
Seien Sie konsequent.
Ja. K ü n s t l e r i s c h konsequent. Und sicher rechne ich mit “unästhetischen” Kommentaren; aber ich muß (und werde) sie nicht stehenlassen. Der Satz, Ästhetik höre da auf, wo man das Natürliche beschneide, ist schlichtweg Unfug. Ästhetik fängt da überhaupt erst an. Wenn Ihnen nach “Natürlichem” ist, so suchen Sie FKK-Strände auf. Nirgendwo ist der Unterschied zwischen Kultur und Natur, also Erotik und mechanischem Sex, besser zu betrachten. Und was ich erwarte, k a n n ich erwarten, sonst erwartete ich nicht.
Was ANH wahrscheinlich meint… Sehen Sie, persönliche Mitteilungen sind in den Kommentaren durchaus „erlaubt“, aber sie verlieren nach einigen Tagen oder Wochen ihre Bedeutung, ganz einfach deshalb, weil ihr Impuls ausgelebt ist. Dann werden sie, das finde auch ich vernünftig, in einem literarischen Weblogbuch gelöscht, das darauf aus ist, zu einem fortlaufenden, sich entwickelnden, aber immer unabhängig von den Anlässen lesbar bleibenden Textmuster, also Literatur zu werden. Dabei geht es nicht um Texte, sondern um ihre sich wandelnen Bedeutungshöfe. Es geht ANH nicht um persönliche Stellungnahmen, schon gar nicht – und ich kenne ihn mittlerweile gut – darum, sich neue Freunde zu gewinnen.
ANH irrt andererseits selbst, wenn er meint, es sei das Persönliche, das hier auf Dauer nicht hineingehöre. Es ist vielmehr das Persönliche, das keine poetische Form gefunden hat. Ich bin mir ganz sicher, daß er keinen Eintrag löschen würde, der erzählt. Nur reicht eben der niedergeschriebene Ausdruck von Zustimmung oder Ablehnung nicht. Er ist gut als private Information, und so läßt sich das Weblogbuch auch immer wieder nutzen. Nur verfällt die Bedeutung der Niederschrift, sowie die Information ihren Empfänger erreicht hat und aufgenommen worden ist… verfällt als ästhetischer Text. In Weblogbüchern sind private Mitteilungen oder Informationen, also ob man etwas gut oder nicht gut findet, ob man jemandem beistehen möchte, mit ihm fühlt oder sich über ihn ärgert, sozusagen emails auf anderem Weg. Das ist gut und richtig so, aber so etwas ist nicht zur Archivierung gedacht. Emails wollen und sollen vergehen. Anders der ästhetische Ausdruck. Zwar vergeht wahrscheinlich sein „ursprünglich“ gemeinter Sinn ganz ebenso, aber es entsteht immer wieder ein neuer. Das ist es, glaube ich, was ANH mit „eine Geschichte“ meint oder auch mit „Roman“.
Darf ich Ihnen etwas vorschlagen? Beschreiben Sie Ihr Zimmer, beschreiben Sie die Aussicht, die Sie haben, wenn Sie aus dem Fenster sehen, beschreiben Sie gern auch eine Freude über etwas, eine Not, aber beschreiben Sie dieses Etwas auch. Daß ANH hingegen Kommentare nicht stehenläßt, die darauf hinauslaufen, ihm mitzuteilen, er sei ein Arschloch, scheint mir unmittelbar einsichtig zu sein. Dasselbe gilt für Lobzusprüche. Er wird, denke ich, jeweils drauf reagieren, aber die Auseinandersetzung – auch seine eigene Replik – dann irgendwann in den Orkus werfen. Es sind Scharmützel, die das semantische Textmuster ganz unnötig verkleckern.
@ ANH: Seien Sie mir nicht gram, daß ich mich auf diese Weise eingemischt habe. Löschen Sie das ruhig. Aber Sie neigen zu einer Rigorosität, die mindestens so unnötig ist wie die persönlichen Kommentare, die Sie löschten.
Schon okay. S i e sind der Broker (Verkäufer), nicht ich. *Lacht*.
Unfug Aha. Ästhetik ist nach Ihrer Definition etwas Künstliches?
Und warum der Unfug mit den FKK-Stränden? Muss alles im sexuellen Sandkasten landen?
Ästhetik fängt also im Unnatürlichen an?
Wissen Sie, was Ihr Manko ist? Dass Sie nicht über Ihren Tellerrand hinaus schauen (wollen).
Ihr Teller und Ihren Rand will ich Ihnen nicht nehmen, Sie dürfen auch alles erwarten, aber ich darf Sie hinüber schubsen und vielleicht den Salzstreuer in die Nähe rücken.
Ästhetik als Lehre von der Kunst. Ja. Eigentlich bedeutet Ästhetik: Lehre von der Oberfläche, also der Erscheinung, also der Rezeption. Über die klassische Philosophie landete der Begriff in der Kunstphilosophie. Viel später ist dann etwa Kants Begriff des “Naturschönen” nahezu nur noch ein rezeptives Verhalten zu etwas. Sein “Erschauern” und “Ergriffensein” liegt nicht in der Sache selbst.
Ich spreche hier ganz ausdrücklich von Ästhetik als Kunst-Terminus. In diesem Sinn k a n n Ästhetik gar nicht natürlich sein. Im übrigen ist für mich tatsächlich alles Bedeutungsvolle erotisch (nicht sexuell) konnotiert. Auch hier geht es wieder um die Erscheinung und den Sinn, die zur Erkenntnislust führen.
Es wäre auch nicht ohne Schaden, läsen Sie meine Sätze g e n a u: Ich schrieb nicht “Ästhetik fängt mit dem Unnatürlichen an”, sondern, sie fange dort an, wo man das Natürliche beschneide… nämlich f o r m e.
Wenn Sie den Salzstreuer in meine Richtung rücken, bitt’ ich Sie also wenigstens darum, daß er gefüllt ist.
Danke. Das werde ich tun, da ich jetzt ungefähr die Richtung weiß.
😉
*Lacht* Ihr Weblog ist übrigens sehr schön gestaltet, find ich. Und guck auch gerne hin. Nur macht mir das Lesen dort Probleme, da ich es gewohnt bin, S e i t e n zu erfassen und über die Seite dem Gedanken und seiner Formulierung näherrücke. Lese ich Absätze nur satzweise, v e r s c h w i n d e t in meiner Wahrnehmung der Gedanke.
wurde doch noch richtig geschrieben 😉
ps ich lösch dies gleich wieder
Müssen Sie nicht. Ich forste da schon durch. *Bekummt so oan Weaner Grinsen.*
achso…