Parsifal. Bayreuth.

Da wär ich jetzt gerne und wär vielleicht auch gefahren, hätte ich meinen Jungen nicht bis morgen bei mir. Er schläft jetzt, und ich höre per online-SR2 die Übertragung, die digital sein soll, bei mir aber verrauscht und etwas knacksend ankommt und nach – Vergangenheit klingt, wären nicht die Streicher überaus satt.
Zum Abendessen, zwischen Aufzug II und III ein tendenziöser Essay Thea Dorns, die den „männlichen Hysteriker“, den sie als Wagners Zielgruppe interpretiert, in den Blick nimmt. Alles nicht falsch, die verheuchelte Sexualdiskriminierung, die der Mann seit Tannhäuser Ideologie werden ließ, die Angst vor der vagina dentata usw. usf…. alles richtig und zigfach durchgekaut, und dennoch nimmt das der Komposition n i c h t s. Damit leben lernen. Und achten, was zweifellos größer ist als man selbst. (Was hab ich mich schon über diese musikalisch kitschigen Blumenkiddies geärgert! Bislang fand nur Syberberg eine Lösung.) Und nicht dem Jahrhundertwerk eine weitere, große Zukunft prophezeien, weil der männliche Hysteriker mit den kleinsten Zeichen der weiblichen Emanzipation nicht klarkomme. Voreingenommener Quatsch, der einäugig nicht begreift, worüber er spricht.

Lieber Jürgen Lentes, Du bist doch mit Thea Dorn befreundet. Rate ihr doch, einen anderen Beruf zu ergreifen. Du siehst ja selbst, die Künste liegen ihr nicht.

P.S.: Soeben die letzten Takte. Dann Gepfeife, dann Buhs, Aufregung… na, da scheint Herr Schlingensief die Jungs und Mädels Staatsbürgerdiener ja an den Nackenhaaren erwischt zu haben. (Ob auch Christoph Hein da war, um seine Bücklinge zu perfektionieren? Was will er denn? Sie gelingen doch g u t…) Indessen – klar: s p a l t e n ! – Jubel für die Sänger. Übrigens zu recht. Und das wenige, was ich vom Dirigat hören konnte, war alters-vollendet. Das war von Boulez zu erwarten, bei seinem Leib- und Magenstück. (Robert HP Platz, der Zutritt zur Generalprobe hatte, aber das nicht wahrnehmen konnte, weil er zu Irwin Arditti für ein Buchprojekt nach Spanien reisen mußte: “Es ist wahrscheinlich Boulez’ l e t z t e r Parsifal.”)

P.P.S.: Ich hör grad in den Nachrichten: “Über die Inszenierung selbst (??) sagten viele Besucher, sie sei interessant, aber schwer zu verstehen.” – Puh! Nun geht selbst der Mut in der Masse verloren; erst mal abwarten, was die Zeitungen schreiben. “…sie sei interessant…” . Das hat etwas von “es war ein n e t t e r Abend”. Nichts Schlimmeres, was eine Frau über einen Mann, der sie einlud, sagen kann.

P.P.P.S.: Lustig, der erste Kritiker (SR2). Ein oft gehörtes Wort: “überfrachtet”. Dann auch “anything goes”. Dann: “Trash-Theater”. Und die Moderatorin: “Na ja, die Oper braucht immer etwas länger.” (Der Kritiker widerspricht nicht. “Mädchen, bilde dich!” wäre nämlich zu sagen… Unsinn! Zu f o r d e r n!) – Andererseits: Der Kritiker zitiert die Ministersgattin: “Widerspruch muß sein”. Was ihn zu recht enttäuscht. So daß er – Wolfdietrich Peter, hör ich grad – die Inszenierung als “gesellschaftlich wunderbar passend” bezeichnet. Ich nehm also erst mal einiges zurück von dem, was mir schwante. – Und auf die Kritik folgt billigster, echt billigster – Pop. (Schauder).

P.P.P.P.S.: Jetzt sprechen die über Harrison Birthwistle, also wirklich Neue Musik. Und nicht zu fassen: Pop. Zwischen Kritik und Kritik P o p. – Wir schauen im Berliner Hamburger Bahnhof eine Ausstellung Moderner Kunst, und von Segment zu Segment, von Beuys zu Schumacher, von Schumacher zu Rainer, von Rainer zu Kiefer usw. leiten Fix&Foxi-Cartoons. Wenn es denn g u t geht. – V E R K L A G E N! Die ganze Öffentlich Rechtliche Bande v e r k l a g e n! Für europäische Kultur ist sie schlimmer, als die RAF je war.

[Ah! Ich t o b e! Ich t o b e innerlich!!!]

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