NICHT VÖGELN! (nachgetragen: ODER::) „Das Schöne und das Ordinäre der Realität“. Aus der Körperwerkstatt (4). PP201, 1. August 2014: Freitag. Auch Sighard Gille, jetzt zum zweiten.

(8.44 Uhr, MariaHeimsuchung.
Zum Tagesordnungspunkt Vögeln siehe 9.46 Uhr.)

Nein, doch noch nicht….: „Frühstück!“ ruft die Schwester – – -:

— an sich sieht mein Arbeitsplatz aber anders aus:

Was mich zugeben läßt, daß ich wahrlich Glück hier habe, enorm privilegiert bin: Imgrunde verbringe ich alle Zeit, außer der Kernnacht, draußen auf „meinem“ Balkonchen, so daß mir völlig erspart bleibt, was meinen Beobachtungen nach Krankenhausaufenthalte fast durchweg bestimmt: ein halbes VorSichHindämmern, ausgestreckt, nie richtig schlafend, nie richtig wachend, duselig unkonzentriert, ohne inneren Focus, sondern schwammartiges Verschwimmen, das den Gesunden krank wie jemanden macht, der an Tuberkulose, bei Thomas Mann, sich auflöst, hell wird, immer heller, bis er gleichsam zur Zimmerwand-selbst wird, in ihren Kontrast hinein zerfasert. Nein, ich habe es zu tun mit der Hitze, wenn die Sonne prallt, und ihrer Strahlung, die mich die Augen zusammenkneifen läßt, wenn ich auf dem Bildschirm erkennen will, was ich schreibe, und mit der unversehenen Kühle, hat eine Wolke sich vor sie geschoben, und auch Regen gab es schon, kleine Böen, die es nötig machten, sich den Pullover zu holen oder doch, besser ist’s, die indischen Sandaletten gegen immerhin geschlossene Espandrille zu tauschen. Gestern abend, wiederum, saß ich erneut beim Italiener, trank meine zwei Viertel klaren Weins und las dabei in >>>> Hametners Gesprächsbuch mit Gille – einem Maler, der mir, jedenfalls meinem Bewußtsein, bis dahin unbekannt, dessen Kunststil auch jetzt noch nicht zu meinem favorisierten gehört – den bestimmen andere Namen: Kiefer, Rainer, Schumacher –, dessen Erzählungen nun aber schon in mir so sehr sitzen, daß ich nach Abschluß des Buches meine Unterstreichungen und Randnotizn exzerpieren und unter >>>> Notate in Der Dschungel einstellen werde; der Verleger wird mir die kleine Urheberrechtsverletzung verzeihen, Michael Hametner, der gesprächs„führende“ Autor ebenfalls, denn möglicherweise bringt mein Engagement einige Verkäufe, und davon leben Verleger und Autor; vor allem aber kommt es vom Herzen. Zum Beispiel, daß es „einen bestimmten Qualitätsanspruch (gibt), den man sich im Laufe des Lebens erarbeitet hat. Den möchte ich anerkannt wissen.“ Dreimal unterstrichen das und meinen Mißgünstlingen unter die Zunge gestrichen, mit einem spitzen Nagel, und mit einem Spatel in ihrer Sphinkter Münder, darin es aushärten möge. -Bon.
Mehr zu Gille später.
*

Überraschend, mich beglückend, erschienen gestern nachmittag die Zwillingskindlein hier, mit लक्ष्मी, die frisches Obst mitbrachte: erste Brombeeren, den Viertelriesen einer Wassermelone, letzte Erdbeeren; die Kleinen sahen neugierig zu, wie ich meine blutverdünnende Spritze bekam (gegen Thrombosegefahr); „… müssen sie doch nicht sehen“, so die bedenkliche Schwester, wollten sie aber, wie ich: i m m e r alles sehen. „Warum müssen Sie immer so genau hingucken?“ hat mich vor Jahren, als der >>>> Prozeß um Meere begann, eine Regisseurin gefragt, die einen Film über mich drehte… na, nicht über mich, sondern über diesen vermaledeiten Prozeß:discende alla sua foce
la vita brulla.

Montale

Also die Zwillingskindlein erschienen, es war wirklich wie Familie, nichtquasi-Familie, MutterVaterKinderGlück, ich brachte sie dann noch halb zur SBahn-Station und winkte aus der Sonne, bevor ich in meinem Weiß über einen anderen Weg zur Körperwerkstatt zurückschritt, da noch nicht ahnend, daß bereits heute früh ein Luftgeist des Herbstes erste Frische in meinen Sommer hauchen würde, eine Ahnung von Reif, die angenehm in die Nase geht, wie uns eine Ende vorschmecken lassend, einen Zwischengang, der mit dem Dessert süß harmoniert, ohne daß man das schon weiß; der Gourmet aber ahnt es.
Dies währte auch nicht lange. Bereits nach fünf Minuten ging ich in mein Zimmer zurück und sagte meinem Nachbarn: „Sehn Sie, jetzt muß ich den Pullover schon wieder ausziehen.“ In Wahrheit, Leserin, beruhigt mich aber der Umstand viel mehr, in etwas mehr als drei Wochen wieder in Italien zu sein zur dortig heißesten Jahrszeit – was wiederum mich darauf bringt, bei der Visite, die heute früh noch aussteht, zu fragen, ob ich denn bald wieder tauchen dürfe. Daß ich’s tue, egal, wie die Antwort, steht auf gesondertem Blatt; ein Ja hätte ich dennoch gern. Mein Ruhepuls heut morgen betrug 72; das ist zu hoch für mich. Normalerweise liegt er bei 60 – und bei 50, wenn ich täglich trainiere. Dahin will ich wieder zurück.
Jetzt Hametners Gillebuch auslesen, dann die Exzerpte, dann weiter mit den O-Ton-Protokollen von deren 80 Files ich schon 52, bis gestern in die Nacht, aufgezeichnet habe. Auch davon will ich etwas in Die Dschungel stellen, aber erst, wenn ich hier wieder rausbin. Vielleicht, daß mich der Arzt ja doch schon heute entläßt, vielleicht gegen Abend. Wie auch immer, ich möchte mich für die Betreuung gerne bedanken; den Schwestern hab ich vorhin einen ganz runden Kuchen hingestellt; aber fürs Krankenhaus denke ich, wenn denn mein Blut in Ordnung ist, ihm davon zu spenden. Ich werde also fragen. Denn, mit Montale abermals:

È pur nostro il disfarsi delle sere.


(Bezeichnenderweise, लक्ष्मी, heißt dieses Gedicht „Serenata indiana“.)

(>>>> Die Trauerweide hat das Grün einer von zu viel Licht ermüdeten Wiese angenommen, an diesem Morgen eines ersten Augusts. Ganz Pankow steht an der Schwelle eines Dorfes, das sich vorm Erwachsenwerden einrollt: um nicht Stadt zu werden, sondern diese, als eine Werdende, ersucht, weiter schlafen zu dürfen.)

***

(9.46 Uhr.)
Das’ssssss nu’ allerdings heftig: Ich komm aus der Caféteria mit frischem Latte macchiato, treff noch mal den Arzt, der mich morgen entlassen will, und mir fällt dummerweise zu fragen ein: „Sagen Sie mal, wie ist das eigentlich mit vögeln?“ Er: „Womit?“ Eine halbe Stunde vorher hatte er mir gesagt: „Ganz wichtig in den nächsten vier Wochen: Nicht schwer heben. Und schwer ist alles über fünf Kilo. Das ist nicht viel, denken Sie daran!“ Und da frag ich jetzt nach der Liebe.
Blick zur Kollegin, dann ganz ernstes Gesicht: „Also damit wäre ich vorsichtig. Das ist wie Sport. Halten Sie sich damit zurück, bitte.“ Womit wir abermals erfahren, wie gefährlich sie ist, die körperliche Liebe.
Werd ich nicht aushalten. Oder ich leg mich auf den Rücken und laß die Damen machen. A u c h eine Form der Befreiung – wenn man denn Zyniker wäre. – Vier Wochen Abstinenz? Niemals!
Jetzt aber Gille weiterlesen.
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10 thoughts on “NICHT VÖGELN! (nachgetragen: ODER::) „Das Schöne und das Ordinäre der Realität“. Aus der Körperwerkstatt (4). PP201, 1. August 2014: Freitag. Auch Sighard Gille, jetzt zum zweiten.

  1. (Gastronomischer Nachtrag. Ich eß hier zuviel. Normalerweise nehme ich täglich eine, höchstens zwei Mahlzeiten ein, beginnend, wenn, gegen Mittag; meist aber wirklich nur abends. Hier sind es drei und darinnen vor allem Kohlehydate. Wieder in der Arbeitswohnung, werde ich das bitter auf der Körperfettwaage merken. Ich bin mir nur nicht sicher, ob zur hiesigen Rekonvaleszenz solch ein – weil auch geschmacklich nicht wirklich beglückendes – Schlemmen nicht irgendwie notwendig ist. Mohnbrötchen!, meine Güte, wann aß ich zuletzt Mohnbrötchen? mit ganz ganz viel Butter? und Salz? –

    SchlafmohnBrötchen. )

  2. also diese thrombosespritzen, gegen die hab ich mich erfolgreich gewehrt, die sind ja das standardprogramm nach ops, aber meist gar nicht nötig. und wenn man dann sagt, muss das denn, wenn man nicht vorbelastet ist und ich hatte ja sogar noch thrombophilie dingens ausschließen lassen müssen bei meinen untersuchungen, dann sagen die eh gleich, ok, wenn sie nicht wollen. ick weeß ja ma nüsch, wie sich leistenbruch anfühlt, aber 4 wochen mal nicht vögeln, kann man schon machen, wenn man eh ne fernbeziehung hat sowieso, finde ich :). wenn sie 4 wochen sagen, reichen dann ja eh vermutlich 2, kommt ja auf die wundheilung an.

    1. @diadorim. War eh die letzte gestern, also Antithrombosespritze. Und meine Wundheilung war immer prima – von meiner geliebten Oma geerbt, die sich noch mit 90 mit einem (Wörter merken!:) “Kneipchen” in die Finger schnitt, und am nächsten Morgen war nix mehr zu sehen. Mit, glaube ich, 80 wurden ihr Gallensteine entfernt; am nächsten Tag turnte sie bereits durch die Station. Sie starb mit 94 an einem über zwanzig Jahre verschleppten Krebs, den sie gegen ihr Ende als faustgroßen Ball links an der Halsschlagader rumtrug – um ihn zu verbergen, immer den Hals in ein Tuch geschlungen.
      Das mit dem Vögeln macht mir mehr Sorgen, Ich bin polyamor, jedenfalls in erotischem Hinblick. Führten Fernbeziehungen zur Abstinenz, führte ich sie nicht. Meine Treue ist anders und tiefer als bei den meisten mir bekannten monogamen Beziehungen, die alle lügen, und/oder sie verdrängen. Deshalb nenne ich sie, als der gläubige Mensch, der ich bin, sogar sündhaft. Und jetzt soll ich selber sündigen. Vor allem das ist es, was mir schwerfallen wird: den Verstoß daran gegen den Geist.

    2. du bist wie die spanische inquisition, ich begreife monogamie als sport, in der ausübung hab ich es total weit gebracht, denken darf ich natürlich was ich will, das muss ich ja sogar bei meinem beruf. mein tun ist hingegen ohne fehl :). ich weiß nicht, wie man die variante nennt, ich finde sie ziemlich cool und fortschrittlich, ich krieg sonst auch psychische gallensteine, so viele menschen in echt in mein leben lassen, aua :).

      außerdem bin ich dazu noch analog und schwärmen ist dichtungswichtig, aber ich kann doch nicht gleich mit meinem friseur was anfangen, nur weil ich den angenehm finde, da bin ich nicht ausgebildet für, da hab ich keine übung drin.

      mein credo is ja immer: nichts wird so heiß besessen, wie es gemocht wird. und in der würklüchkeit sind andere männer ja auch bloß mal andere männer, funktionieren alle recht ähnlich dazu 🙂 und wen man davon wirklich so morgens noch ertragen kann, und wer einen davon, das ist ja alles im dunkel, das möchte man ja nicht so oft proben, da sieht man ja, das geht oft ganz schön schief.

    3. Lacht@diadorim. Bei
      1) Frisören haben Damen meist eh keine Chancen,
      und
      2) solln se ja nich gleich in Dein Leben; in Deinen Körper reicht völlig.
      Aber
      3) fand ich an der Inquisition immer nur die Jesuiten gut, nie die Kirche. Ich wäre nämlich als mein eigener Ketzer gescheiterhaufent worden, wobei sowieso meine Seele der Hölle gehört – immerhin etwas, das ich mit Torquemada teile, als, sozusagen, halber Imam der Organik.

      4) Für Liebe gelten andere Regeln, monogame, polyamore, einerlei. Da bestimmen nicht wir. (Ich w e i ß, @P.S., wovon ich schreibe.)

    4. also ich glaub mein friseur ist hetero oder zumindest bi, meine wunschmaschine will das so und ich bin mir fast genau beinahe sicher. na ja, meinen physio hab ich aus reiner schutzhaltung dafür gleich für schwul gehalten, sonst wäre ich durchgedreht, der fasst einen ja auch noch dazu immer auf die angenehmste weise an, der war hingegen hetero :D. außerdem würden die eh denken, was will die olle bloß von mir und ich denk ja nur, hah, et jibt ne chemie, die funzt, also nicht bei jedem und eh immer dann, wenn man gerad gar nicht damit rechnet, das ist der dämon der selbstüberraschung, aber das ist im prinzip ja auch sehr ok, dass man tendenziell komaptibel ist, alles andere wäre ja furchtbar, aaaaallerdings, genau, son leidendes herz, auaaua, und ich käm ja eh immer mit diesem ansinnen im gepäck, so als shakespearesonnett geschulte und dann hätte ich doch gleich die enttäuschung einer aus der zeit gefallenen catweazle pflanze. und mein körper ist ja auch teil meines lebens, ich kann den auch schlecht so auslagern und sagen, die lass ich jetzt nur an meinen körper und nicht in mein leben, is ja auch ne strange vorstellung und dann sitzt man da morgens und der vollveganer ekelt sich wenn ich den kaffee doch lieber mit kuhmilch will und denkt dann gleich an euter und ekelt sich bei großen brüsten dann sofort, was weiß denn ich. alles ganz ganz ganz schwierig. ich bin da nicht für partitioniert, ich bin ja auch heil froh, dass mein leben nun nicht mehr auf zwei kontinenten stattfindet.

    5. Dieser@diadorim Tag bekommt bei mir ein Doppelherz in den Kalender, weil ihn mir diadorim endlich wieder in Der Dschungel, und gleich voll die Sprachpulle, versüßt, und weil sie überhaupt wieder hier schreibt. Das sei mir, echt jetzt, vier Wochen der Askese wert. Wobei, wenn ich’s mir recht überlege (ich hatte das, ein irrer künstlerischer Akt, wirklich verdrängt), ich während der Seefahrt ganze s i e b e n Wochen abstinent gewesen bin. Allerdings hätte ich nicht einen einzigen Tag mehr auf Mauritius bleiben dürfen, wo’s von meinen Animae auf jeden Hinblick, in welcher Gasse auch immer, wimmelte…

    6. bitte auf nix verpflichten…. und nicht beleidigt sein, wenn ich nix schreibe, mein leben ist ja nur doch einfach manchmal kompliziert, zieh du mal nach 8 jahren zurück nach deutschland…. is was anderes, als immer nur im transit vorbeirutschen, da wird man viel lieber gehabt, jetzt, wo man wieder mit am tisch sitzt, werd ich ganz anders beäugt. reviere werden markiert. erzählsch alles mal bei nem glas notwein. ich habe hier meine ganze nichtgeschichte mit mister x ausgeschüttet, der, und es ist wirklich keine rache heut zu mir sagt, er sei doch da, und wir sollten uns doch mal wieder treffen und ich kann sogar scherzen und sagen, da siehste mal wie das ist, dit sei jetzt pay back, is aber gar nicht so, ich hatte keine zeit, keine luft, den kopf voll mit anderen dingen und ich habe natürlich auch festgestellt, er ist nicht der einzig kluge kopf ganz berlins :). hat er jetzt davon, ich hätte noch stein und bein schwören können, et jibt niemand stupenderen, ich glaub sogar, er ist ein bisschen traurig, dass meine fixierung geplatzt ist, ich kann jetzt viel mehr wie ich sein, das macht mich jetzt vermutlich begehrlicher, als wenn ich so rehhaft anschmachte, ist natürlich total bescheuert und immer das gleiche, wenn ich echt keine sehnsuchtsvollen aktien mehr drin hab, dann dann dann wird man auf einmal interessant, wieso ist das so eigentlich? meine ganze schöne fixierung, wieso wurd das gar nicht gewertschätzt, ist doch total asi eigentlich. ick vasteh düt nüch. obwohl, gedacht hab ich immer ein bisschen, dit wird dem noch aufgehen und so schnell nicht noch mal passieren, dass ihn 5 jahre über einen riesenteich jemand sehnsuchtsvoll zuprojiziert, und mister dingens wird auch nicht noch mal passieren, dass ihm jemand vertrauensvoll geld hinterher wirft, aber merken ja immer alle viel zu spät, dass ich eine so gute seele bin, ja ja, denk ich dann, macht nur weiter so ;).
      und dazu schreib ich immer nur bei schwanzfixierten themen, ich glaub so ein leben mit mann formt eben doch. ich will so ein wesen im haus, immer :). ein hoch auf die tollen männer dieser welt, es gibt sie.

    7. Verpflichtung in keiner Weise und auf keinen Fall. Und manches sollten wir wirklich bereden, nicht davon schreiben, schon gar nicht hier, wo “so ein Wesen im Haus” schon aus Gründen des Mediums nicht sein kann und auch nicht hingehört. Wesen-hier sind alle Ariels Geschwister.

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