PP29, 30. Oktober 2013, Mittwoch: N a c h Oldenburg (mit norddeutsch höheren Gewalten).


[Aus Oldenburg, Altera.]
Es wurde halb vier in der Frühe; ich hatte ganz vergessen, daß nach Oldenburger Lesungen nicht nur ein gemeinsames Essen, sondern vor allem ein Zug durch die nach Mitternacht dörre hiesige Kneipenlandschaft ansteht, und zwar jedesmal unbedingt. „Ich hab euch gesagt, bis zwei. Jetzt ist es zwei, also raus!“ Das Wort von großbrüstigen Titten wurde geprägt, ich sag aber nicht, von wem. Schon weil es ein Versprecher war, der so stimmte. Komplett erosfrei, ja sogar ohne auch nur den Hauch von Sexuellem. Wieder jemand anderes, eine Frau: „Man denkt immer, gleich kommt da die Milch.“ Sowas halt. Zwar unseriös, doch gnadenvoller Lebensfreude.
Und die Herzlichkeit, in der ich hier jedesmal aufgenommen werde, verbunden mit Kenntnis über das, was ich tue. Lesezerfledderte >>>> Thetisbände, für die als vielleicht nötigen ErsatzEinesTages noch eingeschweißte Zweitbände besorgt worden sind. Usw. Sowas schmeichelt einem. Geb ich zu. Außerdem war >>>> Jürgensen klasse. Da stört’s dann auch nicht wirklich, wenn nicht wirklich viele Zuhörer es schaffen durch den Sturm und durch den Regen. Schon als ich in Bremen einfuhr, erinnerte ich mich – eine Art vergessener Evidenz – , weshalb ich seinerzeit diese Stadt so fluchtartig verlassen habe und daß eben damit die ganze Romanserie begann, die mich über den >>>> Wolpertinger schließlich in die Anderswelt führte. Ich sollte also nicht undankbar sein.
Wunderbar auch >>>> dieses Hotel. Jedesmal neu erfreut mich der Stil, die angemessen reservierte, doch wirkliche Freundlichkeit, die Ausstattung – zum Beispiel, daß in meinem Zimmer eine Espressomaschine steht, damit einer wie ich frühmorgens ruhig arbeiten kann – sofern er’s schafft und nicht, wie vorhin ich, verschläft. Aber mein erster Zug nach Bremen fällt heute sowieso aus, ich komme frühestens um fünf nach halb elf los.
Über die Anreise, einen infrastrukturellen Hindernis-Parcour, schrieb ich meiner Redakteurin, die das Neapel-Stück nun tatsächlich abhören konnte und mir schriftlich ihr Okay gab:Die Fahrt war, sagen wir, heiter. Wir standen schließlich wie Ölsardinen liegen in einem Notzug und fuhren schritt, brauchten also ewig, um von Bremen nach Oldenburg zu kommen. Es war der erste Zug seit frühem Mittag, der sich die Strecke traute. Ich hatte den Eindruck, er taste die Schienen vor sich ab. Natürlich gab es Unruhe, auch etwas Gefluche, aber Jürgensen und ich fingen laut an, von Zugfahrten in Indien zu erzählen, in Arabien, in Südamerika, und bald erzählten auch andere Leute von ihren solchen Erfahrungen, so daß irgendwann nur noch gelacht wurde und die kleine Reise, so empfanden das viele, gern noch hätte Stunden weiterwähren dürfen. Einige bereiteten sich auf Übernachtungen in den Bahnhofshallen vor, vor allem die, die noch bis Norddeich weitermußten. Hin und wieder erklang, kaum verständlich durchs Geknacke, die Stimme eines Zugbegleiters, um zu versichern, daß Busse bereitgestellt würden, die auch fahren sollten. Ich dachte: Wie gut, daß solche Höheren Gewalten noch geschehen, weil man dann nicht immer das Gefühl hat, es sei sowieso alles, auch das Wetter, längst automatisch geregelt und also egal.

Der freie und schnelle Wlan-Zugang erlaubte es mir, die Tondatei nun doch noch unbeschädigt in die Dropbox zu bekommen. So daß ich das poetische Hörstück nach meiner Rückkehr endgültig abmischen, auf CD brennen und nach Köln schicken kann. Mein getan schreib ich aber dann erst hier hinein.

Jetzt noch dieses hier einstellen, zusammenpacken und gehen.
(9.40 Uhr.)

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Zurück. Angenehme Fahrt, viel gelesen:
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Mein Sohn erwartete mich in der Arbeitswohnung. So wurde erst einmal, beim Espresso, geplaudert. Dann den Anruf wegen des Accuphase getan: die Reparatur vorher, vor ein paar Jahren, war Pfusch. Falsches Reinigungsmittel, von dem her alle Probleme rühren. „Verklebt, wie brauner Honig…“ – Man machte mir ein Angebot, über das ich jetzt nachdenken muß. Welches aber, sag ich nicht. Die Alternative wäre, mich nun doch für einen Röhrenverstärker zu entscheiden, den ich mir aber eigentlich, wenn ich mal nüchtern kalkuliere, nicht leisten kann – jedenfalls nicht, ohne anderes zu gefährden.
Indessen. Jetzt wird erst einmal die Endmischung des Neapelstücks fertiggestellt. Und um acht geh ich, denke ich, schwimmen, um heut noch gutzutun, was ich gestern gesündigt. Und vielleicht ein paar weitere Zeilen am Traumschiff notieren.

(17.02 Uhr:)

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3 thoughts on “PP29, 30. Oktober 2013, Mittwoch: N a c h Oldenburg (mit norddeutsch höheren Gewalten).

  1. Nun bin ich zwar … … der Meinung, dass man von manchen Dingen nie zuviel haben kann, aber finden Sie ‘großbrüstige Titten’ nicht auch etwas arg tautologisch?

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