Vorweihnachten II. Kaum ein Arbeitsjournal am Sonnabend, dem 22. Dezember 2012. Geschrieben werden wird aber d o c h: ein bißchen, denk ich, an Yüen-Ling, sowie ein nächstes Mal über Magdalena Kožená, diesmal als über einen jungen Mann.

9.35 Uhr:
[Arbeitswohnung. Rosenkavalier. „Ich Vorhalt hab dich lieb.“]
Man sagt, sehe man sich länger als drei Sekunden in die Augen, fingen zwischen Frau und Mann bereits die körperlichen Prozesse an. So viel zu unserer Seele. Grad der Rosenkavalier führt uns keine Ausnahme vor. Er entzieht sich der zumal politischen Modernisierung, weil er auf unser aller Haut geschrieben ist. Wer dieses Stück zu beugen versucht, scheitert. Im humansten aller Sinne ist es konservativ. Ich glaube nicht, daß sich einem Kunstwerk Höheres attestieren läßt. Denn selbst, wenn eine Partie danebengeht, leuchtet das Gemeinte immer weiter durch: was gemeint ist, ergänzt von sich aus das Herz. Und weil gestern abend das sehr zu recht berühmte Endterzett ein wenig zerfaserte, spiele ich mit dem Gedanken, morgen abend noch einmal in diese Oper zu gehen, ihrer letzten Vorstellung in dieser Spielzeit und Besetzung, restlos ausverkauft, aber, ist sie, so daß ich einfach nur versuchen kann, vor den Türen eine Karte zu ergattern, die vielleicht zurückgegeben werden soll. Mein Ohr möchte wissen, ob die erwähnte leichte Fasrigkeit nur Folge einer Tagesverfasung war, sagen wir: von plötzlichen Unsicherheiten.
Bis halb vor Mitternacht ging >>>> die Aufführung an der Staatsoper im Schillertheater, über die ich gleich schreiben möchte; nur, daß erst aus dem Keller Kohlen nachgeholt werden müssen, damit mir der Ofen nicht ausgeht.

Vorweihnacht heißt auch, nicht für Heiligabend, aber für die einzwei Tage früher, sich ins Bett zu legen nachts und keinen Wecker zu stellen, sondern aufzuwachen, wenn es die Physis will; da es gestern schließlich fast drei Uhr wurde, meinte die meine, mich erst um halb neun wieder in den Tag stellen zu sollen, was, vorweihnachtshalber eben, in Ordnung ist. Ich muß sowieso mein Unbewußtes ein bißchen arbeiten lassen, weil ich für die Yüen-Ling-Erzählung zwar den Erzählhof spüre, noch aber nicht die Abfolge weiß, ja nicht einmal das tatsächliche Geschehen, nur den Anfang halt und die Personen und was und wie Sie eingangs sprechen. Woraus sich freilich meist schon vieles ergibt, oft sogar alles, wenn ich mich erst einmal konzentriert darübergesetzt habe: es schreibt sich, aber nicht auf den puren Willen hin, sondern etwas muß dazukommen, das einem sagt: Nun ist es so weit. Da bin ich grade noch nicht.

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