III.317 – In die leere Hülle gesprochen

Sich abwechselnd gegenüber sitzen, heißt seiner leeren Hülle, die man gerade noch ausgefüllt. Um dann wieder die Plätze und die Hüllen zu wechseln. Zumindest ein Stündchen am frühen Nachmittag, wenn die Libation beginnt. Denn gegenüber liegt seit langer Zeit wieder aufgeschlagen (das dicke Ding schaute mich immer so vorwurfsvoll an) ZT von AS. Ein, abgesehen von Poe, durch und durch BRD-Buch.
Dennoch war’s auch an den (in den?) letzten beiden Abenden irgendwann mit der Sitzruhe vorbei, die sich mit dem Beginn der Taverna langsam in eine Sitzunruhe derart steigerte, daß ich und mein Gegenüber kurzerhand die Wohnung und den Hof verließen. Vorgestern direktemang zu Valda, die aber nicht da war. Ließ mir (das Gegenüber mittlerweile abgeschüttelt habend) also von ihrem Sohn eine Mumme zapfen und setzte mich wie sonst auf die Bank draußen. Himmelsphänomene waren nicht zu beobachten, aber zu belauschen war ein Gespräch auf englisch in der nach draußen offenen Halbnische rechts, die in den anderen Innenraum führt, der, wenn man durch den Haupteingang die Pizzeria betritt (etwa im Winter) über ein Treppchen links hinter der Theke zu erreichen ist, die auch (rechts) zum WC führt, im Sommer aber offen steht und eine Art möblierten Nebeneingang bildet). Schon beim Hinuntergehen hatte ich zumindest sie erkannt, die mich jedoch nicht bemerkte, obwohl ich mich ein paar Sekunden lang wie einer verhielt, der es auf ein Bemerktwerden abgesehen hat.
Auf der Bank sitzend blieb sie mir verborgen, nur ihr Gegenüber, ein junger Mann mit Dutt, war voll sichtbar. Aber so blieb mir wenigstens ein Dabeisitzen erspart und wer weiß wieviel dummes Jungmenschenzeugs. Etwa so Fragen nach Sinnhaftigkeiten. Ich weiß, ich bin voller Vorurteile und also lieber: mummes Straßrauf- und Straßruntergucken und dem Englisch-Palaver lauschen, eher auf isolierte Worte denn auf irgendwelche Zusammenhänge. Als ich ausgemummt und bezahlt, ging ich dann doch auf sie zu. So schäbig bin ich ja dann doch nicht. Ob sie nicht die Kopenhagenerin sei usw. usf. (die da mal im Hof an einem Hasenschmaus teilgenommen). Klar, sie war’s. Wie damals rigoros schwarz (Klamotten) und weiß (die Haut). Tatsächlich mußt’ ich mich nach meinem “You’re looking good” auf Sprüche einlassen wie “I mean what I say.” und “I say what I mean”. Was auch schon wieder gelogen war, weil ich keine Meinung habe. Ich hätte also eher ein Denken einflechten sollen, dieses Dickicht der Vorstellungen von dem, was einen den Herzlichkeitspfeil abschießen läßt. Und wieder hinauf. Wäre sie noch offen gewesen, ich hätte mir abermals auch dort von der Oberstadtbar noch ein Bier reingezogen. Gegen Mitternacht Jungmännerchöre.
Gestern führte der Weg hinauf zum Dom. In der Hoffnung auf frische Winde. Sie waren aber nur lasch und lau. In den Fernen des Kopfes eine etwas unhaltbare Sternschnuppenillusion. Denn dafür war’s trotz >>>> San Lorenzo wegen der Lichter sowieso zu früh. Stand also nur da an die Mauer gelehnt. Eine ältere Dame mit Hündchen (hatten wir neulich schon mal) zog ihre Kreise. Kam in die Nähe, sagte etwas übers Hündchen. Es entspann sich ein Gespräch. Nun sei sie hier schon vier Monate, ihr Sohn habe nämlich eine von hier geheiratet, sie aber sei aus Mailand (“e Milan l’è Milan”). Würde gern wieder zurück, aber der Sohn scheine das verhindern zu wollen, aber Mailand sei eben Mailand. Ob ich das und das kenne. Ich mußte zugeben, die Stadt nur sehr oberflächlich zu kennen, zumindest, was den visuellen Aspekt betrifft. Sicher, ich sei das eine Mal dem Dom durchaus aufs Dach gestiegen. Aber sonst. Nicht mal Leonardos Abendmahl. Aber das wäre eh wurscht, denke ich jetzt. Ich habe vierzehn Jahre in Rom gelebt und nie die Sixtinische Kapelle gesehen. Auch das denke ich jetzt nur. Aber mindestens zweimal übersetzend beschrieben. Sagte indes andere Dinge von mir und sie von sich. Ob wir uns nicht mal den Platz neben dem Dom ansehen sollten, der von der Terrasse nicht einzusehen war, denn vorher war mit Trommelbegleitung ein Pferd (das Adjektiv “schön” wäre unpassend, weil redundant: Pferde sind schön) am Dom vorbeigeführt worden. Aber vom Pferd war nichts mehr zu sehen. Der einzige und schrecklichermaßen übliche Anblick: ein Platz voller vollbesetzter Tische, die von rasch hin- und herlaufenden jungen Menschen mit speisenbeladenen Tellern vollgestellt wurden. Sie führte mich auch noch in die Eingeweide der Zubereitungsräume, die sich hinter einer sonst verschlossenen Tür am sonstigen Parkplatz recht mäandrig öffneten. Warum sie das tat, weiß ich nicht. Ich ging der Höflichkeit halber mit.
Zurück bei mir hatte ich immer noch diesen Alte-Damen-Geruch in der Nase und mußte lange warten und viel Achtziger-Jahre-Zeugs mit guter Lautstärke bei offenen Fenstern anhören, bis er endlich weg war und ich ins Bett gehen konnte. Diese Taktik führte auch dazu, daß niemand mehr grölte, weil sie gemerkt hatten, daß ich mithalten kann, wie Trump gegen Kim Jong-un, wie ich mir einbildete.
Die Einbildung aber ist die vergegenwärtigte Illusion der Wünschelrute im scheinbaren Gewand der Realität. Und schlief bis gegen zehn Uhr des heutigen Vormittags, frühstückte aber nicht so unanständig wie die Pink Floyd in ihrem >>>> Breakfast in Los Angeles, die jetzt grad zufällig laufen. Ich löffelte bloß meinen Yoghurt und trank meinen Tee.

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