So eine Einladung zu einem Convivium nach dem Motto “Jeder bringt was mit” scheint seine Tradition zu haben, selbst in Wielands ‘Aristipp’ ist irgendwo die Rede von einem solchen Usus, aber ich hab’ die Stelle nicht angestrichen und auch nicht notiert, es stand einfach kein Convivium an, und es war sowieso das erste Mal in diesem Jahr, und bereitet dem Eingeladenen einen halben Tag lang Kopfzerbrechen und wiederholte Eingaben von Worten wie “Kartoffelsalat” oder “Griechischer Salat” oder überhaupt “Sommersalat” in die Suchmaske des Browsers. Und von den Zutaten, die ich dann für den “griechischen” kaufte, läßt sich noch ein zweiter zurichten. Es nicht zu tun, wäre Verschwendung. Wie üblich hatte ich übertrieben.
Es hätte in einem Garten stattfinden sollen, aber draußen regnete es. Dort dann gelegentlich mit aufgespanntem Regenschirm zum Rauchen. Was zu den besseren Momenten des Abends gehörte. Man hatte mich wohl eingeladen, weil man mich als dazugehörig begreift. Zumal ja auch die Südamerikanerin und Tullia dabei waren. In gewissem Sinne ist es ja durchaus reziprok.
Gut, daß auch der Livornese dabei war, mit dem es sich im Spekulativen ergehen läßt, aber es geht wohlgemerkt nicht über dialektale (also nicht dialektische) Bedeutungsnuancen und den Unterschied zwischen deutschem -ch nach a,o,u und e,i,ü,ö,ä hinaus (“ach, Karl” – “ich, ja!”) hinaus. Ihm ist die Fähigkeit zugute zu halten, daß er stets vom Hundertsten ins Tausendste geht, so daß einem Versiegen kein Sieg verheißen.
Das sei, sagte ich, mein Yoga. Denn es gab einen Zeitpunkt, wo plötzlich alle über Yoga und über die Qualitäten ihrer Yoga-Lehrer als Schüler redeten. Die Südamerikanerin wollte mich zur nächsten Yoga-Lektion abholen, was ich mir verbat. Ich sei langweilig. Ich sagte, sie sei ebenso langweilig mit ihrem Insistieren. Immerhin bekam ich mein Recht.
Der Gedanke bei mir: keine Lehrer mehr! Die einem etwas beibringen. Und wieder der Satz “Sitz gerade!”. Abermals die Südamerikanerin. Meine Antwort: “Ich bin Kriegsdienstverweigerer.” Auch die Morgenröte sagte neulich diesen Satz. Auch da wehrte ich mich mit meiner Abneigung gegen “Brust raus, Bauch rein!”.
Am Ende wurde es gar noch “künstlerisch” (allerdings nicht grad so wie beim “künstlerischen Nachtmahl” in Bernhards “Holzfällen” (und hab’ ein Hütchen, das ich lüpf’, every now and then, vor ihm)). Eine Gitarre wurde angeschleppt, und drei Frauen selbdritt fingen das übliche “Venceremos”- und “Bella Ciao”-Repertoire an. Beim Venceremos (oder etwas Ähnlichem in der Richtung) machte ich das Spielchen auch noch mit erhobener Faust mit (ein bißchen Schauspielerei, um über die schon eintretende Müdigkeit hinwegzuspielen (sie mit diversen Liqueurs hinwegzuspülen, die, aus verschiedensten mysteriösen Substanzen hergestellt, aufgetischt wurden, erwies sich als unproduktives Wortspiel, ebenso wie das nicht wirklich anschlagende Gras)), nur daß mich dann der Livornese darauf aufmerksam machte, daß man nicht die rechte, sondern die linke Faust heben müsse. Und ich dachte, Faust sei Faust. Und somit addio Faust.
Und als Tullia versuchte, mir Proletarisches von Brecht vorzusingen, da flüchtete ich lieber in den Regen. Nicht wegen Brecht, wegen der Inhalte, die immer noch hervorgeholt werden, um eine gewisse politische Kultur zu propagieren, die bloß noch von – nicht mal Nostalgie – lebt, sondern sich schon in mythische Fernen versteigt. Die italienische politische Kultur bleibt mir nach wie vor eine fremde. Man wuchs schließlich mit einem “Geh doch nach drüben!” auf. “Sitz grade!”
Um eins endlich hundemüd’ zu Haus.
Bernhard, Holzfällen
Es wäre für alle besser gewesen, wir hätten Santana gehört, denke ich mal. Aber da war leider keine Musikanlage. Nur ein Didgeridoo lag noch herum.