Seit elf Jahren Vater. Geburtstagsjournal. Sonntag, der 30. Januar 2011. Und nachmittags, „da wäre glücklich, wer” mit Britten singt.

8.45 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Seit elf Jahren bin ich nun Vater. Nicht eine einzige Sekunde habe ich das je bereut, nie war es mir lästig, immer war ich davon erfüllt. Von Dir. Es gab Momente, vor allem in Deinem ersten Jahr, die schwierig waren, ja, und an manchen bin ich gescheitert, so daß Deine Eltern heute getrennt sind, aber daß ich n i c h t Vater hätte mehr sein wollen, das gab es nicht einen Moment. Im Gegenteil. Ich bin mir, mein Sohn, ohne das nicht mehr denkbar, und schon gar nicht zu fühlen.
Ich danke für Dich. Wäre ich gläubig, ich spräche das täglich in meinem Gebet.

Noch liegst Du. Auf dem Vulkanlager. Ich habe ein wenig an meiner Erzählung weitergeschrieben, aber werde das nun unterbrechen, um für den Kohlennachschub hinunter in den Keller zu gehen, gleich wieder heraufzukommen, Dir eine Geburtstagsmusik in den CD-Player zu legen und sie klingen zu lassen, indes ich Deinen Morgenkakao vorbereite, den ich Dir dann ans Bett bringen will. Und wenn wir geduscht sind danach und angezogen, werden wir hinüber zu Deiner Mama gehen, und zu Deinen Geschwisterchen, wo der Geburtstagstisch bereitet ist und die Geschenke stehen. Eine Rose wie von rotem Samt will ich ihr kaufen auf dem Weg und sie ihr reichen, die Dich mir geschenkt hat. Meine Liebe, dafür, ist tief und verläßlich. Nichts und niemand kann sie zerstören.

[Benjamin Britten, Gloriana.]

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14.01 Uhr:
[Benjamin Britten: Gloriana.]
Espresso, Pfeife (Latakia).
Du bist nun mit der Familie und den Kindergästen zum >>>> Legoland los, und ich bin für den Nachmittag an den Schreibtisch und meine Chapelle-Erzählung zurückgekehrt; abends werden wir uns zum Essen wiedertreffen, das ich allen ausgeben will. Ob es eine Pizzeria oder der Vietnamese wird, ist noch nicht heraus. Da mir vergleichsweise wenig Arbeitszeit bleibt, will ich versuchen, auf den Mittagsschlaf zu verzichten.
Also gar nicht lange säumen jetzt. Es ist ganz erstaunlich, wie mich der Geschmack dieses sehr typischen, für Nichtraucher oft kaum erträglichen orientalischen Rauchdufts zu sammeln versteht. Dazu die purcellsche Süße dieser brittenschen Königsoper und der halbe Becher Kakaos, den mein Junge vor unserm Aufbruch nicht mehr ausgetrunken hat.

16.11 Uhr:
Benjamin Britten, „Happy were he” aus Gloriana. Ab 0’55’’ bis 4’42” im Video:


Happy were he could finish forth his fate
in some unhaunted desert, where, obscure
from all society, from love and hate
of worldly folk, there might he sleep secure;
then wake again, and give God ever praise
content with hips and haws and brambleberry;
in contemplation spending all his days,
and change of holy thoughts
to make him merry: where, when he dies,
his tomb might be a bush
where harmless robin dwells
with gentle trush;
happe were he!

18.25 Uhr:
[Britten, Seven Sonetts of Michelangelo, op.22 (Anthony Rolfe Johnson).]
So. Anruf der Familie. Sie stiegen jetzt alle am Potsdamer Platz in die UBahn. Es soll der Vietnamese werden, wünschte sich mein Junge. Also laß ich die Arbeit jetzt sie selber und für sich sein; an den Umständen gemessen, lief sie wunderbar. Morgen werde ich einen nächsten Auszug einstellen, der auch schon vorbereitet ist.
Nur den Ardbeg jetzt trink ich noch aus, rauche meinen Cigarillo zuende und träume Brittens Melodien nach. Warum ich immer denken muß, die Vertonungen der sieben Michaelangelo-Sonette hießen „Holy sonetts of Michelangelo”, das, Leser, weiß ich nicht. Eine seltsame Traurigkeit hat mich erfaßt, die diesem Tag ganz unangemessen ist.

Die engsten Freunde riefen eben an: „Sag dem Jungen nichts. Wir kommen zu euch, um ihm zu gratulieren.”

4 thoughts on “Seit elf Jahren Vater. Geburtstagsjournal. Sonntag, der 30. Januar 2011. Und nachmittags, „da wäre glücklich, wer” mit Britten singt.

  1. The Holy Sonnets Von Britten gibt es noch “The Holy Sonnets of John Donne”, die auf einer CD zusammen mit den 7 Michelangelo- Sonnetten und den Winter Words zu finden sind ( Philip Langridge). Vielleicht in der Erinnerung eine Vermischung….

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