III, 255 – Mülltrennung

Froh, in diesem Winkel zu leben. Was einen erreicht, erreicht einen als Zeitung. Die Hauptwortbildung aus dem Verb “zeiten”. Denn, wie schon Lehrer S. in der zweiklassigen Dorfschule (immerhin sechs Jahre dies) uns beibrachte, -ung, -tum, -sal, -sel, -heit usw. seien Endungen von Hauptwörtern. Und am Reformationstag orgelte er in der Kirche “Ein feste Burg ist unser Gott”. Schöne Melodie, dachte ich damals. Aber mittlerweile denk’ ich bei Luther eher an das Flüßchen Lutter, das da im Bargfeldischen vor sich hin fließt. Ich glaub’, gesehen habe ich es nie wirklich. Aber in Lutterloh war ich dann doch öfter.
Die Versuchung, dieses Zeiten zu zeihen. Union Jack und Star-Spangled Banner im Isolationismus sich einigeln zu sehen. Alles, was uns überschwemmt hat, zeiht bzw. zieht sich zurück. Niemand verzeiht mehr, und God in God’s own country, stempelt Teufel. You are not allowed to be.
Verzieh-Dich-Mentalität.
Certo, mentula. Die Entblößung des Gemächts. Und darüber steht Einiges bei Gadda in “Eros e Priapo”. Lustig die Nachricht, man habe als Staatsbesucherin Teresa May angekündigt, die eine Pornodarstellerin ist oder so etwas ähnlich Schlüpfriges. Erinnert mich jetzt ein wenig wegen des fehlenden H’s an die englischsprachige Ankündigung des Flughafenzuges im Bahnhof Termini, wo der “Airport” zum “Hairport” wird. In einer verräterischen Vermengelung. Der Union Jack hat bildlich tatsächlich so etwas Zentrierendes. Gut, daß die Briten dem “fucking” ein “bloody” vorziehen. “Oh look mum, the bloody engine is finally running.” Ferryboat to Ireland.
Nee, Bernhard ist da durchaus die bessere Zeitung von der Psychopathologie der Welt. Er heimelt einem das Heimelige in einer Weise ins Unheimelige, dem man gern zunickt, aber doch immer als Außenbetrachter, weil ihn die beschriebenen Psychopathen eh’ nicht lesen würden. Das Fremde doch immer als etwas, dessen Möglichkeit man in einem angelegt sieht. Die einzige Möglichkeit, damit umzugehen, ist das Reden. Mit diesen Psychopathen. So im “Frost” die Gespräche mit dem Maler, in “Verstörung” die Arztbesuche bei all den abstrusen Leuten. Insofern wirkt Bernhard auf mich nicht verstörend.
Während über die wirklichen Zeitungen der Kopf ins Schütteln gerät.
Das bin ich nicht.
Und so rettet mich dieser Winkel, ohne mich zu rütteln, außer bei Erdbeben. Obwohl auch die ziemlich neu sind für mein Leben.
Und überhaupt ist die Mülltrennung eine sinnvolle Erfindung, selbst im übertragenen Sinne.

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