Ayana ODER Das Kästchen des Teufels (1). Das Arbeitsjournal des Montags, dem 12. Juli 2010. In die Serengeti!

8.19 Uhr:
[Arbeitswohnung. Stille.]
Ich zerfließe im klarsten Schweiß. Bin eben erst wieder heimgekommen, durch den Sommermorgen hergeradelt, ein strahlendes, luftiges Brandenburger Tor. Welch eine fantastische, bizarre Nacht! Welche aber, Leser, Beklemmung zugleich, und welche – ich weiß kein anderes Wort – schartigen Lüste! Und alles dies trotz einer Weltmeisterschaft, trotz des seltsam großen, mitten in das Etablissement gleich neben die Tanzscheibe, die hinter Glas, aufgezogenen, muß man sagen, Screens… wie dann die Kerzen entzündet worden, nachdem der Katholizismus gesiegt… aber nein, Leserinnen, nein! Es ging ja um Atocha, es ging um die Gerechtigkeit: darum ging es, daß Spanien seine Truppen aus Afghanistan abzog. Eine späte Entgeltung war es, wer gläubig ist, sage: Gottes, wobei ich persönlich mehr zu Maria tendiere, zu einer der beiden Marien, denn hierher, in den TEMPEL, ist ganz sicher Maria Magdalena schutzbefohlen worden.
Ich hatte leise lachen müssen, daß solch ein kleiner Lustort der Augen – ob es auch Séparées gibt, weiß ich nicht, aber es ist sehr wahrscheinlich – so einen riesigen Namen trägt, solch ein tempichio di venere im Stuttgarter Herzen Charlottenburgs. Zehn Euro zahlt man an der Cassa für den Eintritt, ein Getränk ist inbegriffen darin. Ich kenne solche Lokalitäten gut aus meiner Frankfurtmainer Zeit, war jahrelang schweifender Stammgast. Ein Conaisseur bin ich einstmals, des Striptease, gewesen mit einem guten Blick fürs Talent; ich sah, wenn eine sich gerne entblößte, und ich sah, wenn sie’s aus Not tat oder auch ohne Not allein des Geldes halber; das ist nicht ehrenrührig, aber der Kick fehlt, der einen in den Bann legt, ist es anders. Vielleicht werde ich ein nächstes Mal auch davon erzählen, in der >>>> VERWIRRUNG DES GEMÜTS tat ich’s bereits; erinnern Sie sich? der Leopardenmantel und Agnes, auch erstmals Anna Häusler, siebenundzwanzig Jahre liegt das zurück. – Aber ich kann, Leserinnen, jetzt nicht weitererzählen, ich muß packen, um Viertel vor elf geht die S-Bahn, die mich zum ICE bringt… geduscht haben möchte ich vorher, meine Arbeitswohnung strahlt, so sehr hab ich sie gestern geputzt. Wir können wieder barfuß gehen, ohne mit schwarzen Sohlen zu bezahlen, man könnte essen vom Boden, hätte meine liebe, wenn sie noch lebte, Omi gesagt. Auch von ihr muß ich erzählen. Und im >>>> virtuellen Seminar lektorieren, übermorgen werd ich in Heidelberg sein, nach dem Seminar dann die Lesung aus >>>> SELZERS SINGEN; ich werd sie morgen annoncieren. Bücher sind mitzunehmen, für Serengetis lohnen sich Rucksäcke eh.

Latte macchiato; ich rauche Zigaretten der Dottoressa, die ich ihr stahl, und warte darauf, daß sich die Löwin meldet. Dann fängt der Tag an. Dies hier ist nämlich immer noch Nacht, ein unausgesetzter Mittsommer, Leser. Es gibt keinen Zweifel daran, daß ihn Ayana entzündet hat. (Soeben bricht mein Junge an die Ostsee auf, mit seiner Mama, seiner Großmutter und den Geschwistern. Junior, ich denke an Dich.)

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