14. Februar 2025
Karlsruhe
“Briefe nach Tiest”
ANH erzählt und liest
Circus 3000, Alter Schlachthof 13a, 19 Uhr
18. Februar 2024
Berlin
In der Reihe “Das Werk” des Literarischen Colloquiums (LCB)
Eine ANH-Werkschau. Mit ANH und (Moderation noch nicht klar).
LCB, Am Sandwerder 5,
Berlin-Wannsee, 19 Uhr
Kälte? Ich glaube, die Thematik mit der empfundenen Kälte bei Scelsi ist die, daß zum einen bei seiner Musik die Bindung von Klang an Ort und Zeit aufgehoben ist, auch kann man Raum an sich bei ihm nicht in akustische Tonfelder kartographieren, weil es diesen Raum (geschlossener Raum mit einem maximalen Volumen, also mit einer Begrenzung) nicht gibt. Ein Gedanke, den ich noch beim Hören seiner Musik (die reinen Instrumetalstücke) hatte, ist der, daß bei seiner Musik der Akt der menschlichen Geste fehlt, weil das menschliche Spielen des Instruments vom klanglichen Ergebnis entkoppelt ist. Dadurch kann der Eindruck des Fehlens von Gefühl von Erzeugungstransparenz entstehen, was aber, wie ich finde, den reinen Ton, ohne darüber nachdenken zu müssen, direkt ins Gehirn befördert, dort reine Wellen entstehen läßt. Ich wüßte gern, welcher Art Wellen beim Hören von Scelsi im Gehirn erzeugt werden…. es scheint reine Abstufungen zu geben, die unbemerkt ineinander übergehen. Das ist das, was nicht nur die Ohren, sondern auch das Hirn reinigt.
@phryne. Der Titel stammt nicht von mir, sondern von der Redaktion. Das ist bei Zeitungen üblich und hängt oft allein am Layout. Der Eindruck von Kühle entsteht in dieser Musik dadurch, daß sie keine Kompromisse kennt; ein bißchen davon habe ich in dem Artikel zu erzählen versucht.
Jeder physische Ton wird von einem bestimmten physischen Querschnitt erzeugt (Saite oder Zunge oder Körper) Weil bei jedem Querschnitt die Mitte mit einer anderen Frequenz schwingt als die Perepherie, (verschieden lange Wege) schwingt im Prinzip in jedem einzelnen Ton nicht nur seine Stimmung sondern auch die Perepherie des Tonkörpers mit einer entsprechenen Verteilung. Deshalb ist der einzelton nicht “rein”. Das sind sehr komplexe Überlagerungen, in die man im Prinzip genauso hineinhören kann wie in ein ganzes Orchester. Deshalb ist der einzelne Ton nicht simpel. Auch er hat eine “Geschichte” Der einzelne Ton eröffnet theoretisch von seiner Mitte bis zur Perepherie unendlich viele Frequenzen, wobei der Hauptanteil natürlich den Ton mittig macht, aber die Perepherieschwingungen sind untergründig oder je nach Gehör als abweichend wahrnehmbar. Damit hat auch Schubert bei seinen Liedern schon gearbeitet, auch hier fällt eine starke Einzeltonverwöhnung auf (Winterreise.)
Ein eventuell esotherischer Effekt stellt sich ein, weil die Obertonreihe mitschwingt und die ist sozusagen universal unendlich offen zugleich aber auch nichtkultiviert, also nicht weiter erzogen durch Akkorde oder Abfolgen. Erst durch mehrere Töne kann überhaupt von Harmonik gesprochen werden, weil es hier zu ganz bestimmten Auslöschungen oder Verstärkungen der Frequenzen zwischen den Tönen kommt, Resonanzen oder Dissonanzen.
http://www.falstad.com/fourier/
@Leverkühn. Danke für diesen Einwurf. Und danke, daß er von I h n e n kommt. Der also d a ist.
Kälte und Wahrheit Nur so viel: Scelsis kühle Klänge entspringen eher minimalistischen Konzentraten, folgen verschleierten Erinnerungsmomenten und enden in einem aufgestauten Autismus, der die Molekülverbände in mal überschwemmten, mal austrocknenden Nebenarmen eines Flusses auslaufen läßt. Gerade die Orchesterstücke der fünfziger und sechziger Jahre bieten Diskontinuitäten, die ihresgleichen suchen und sich vom Romanhaften Brucknerscher Erinnerungen absetzen (!), ohne dabei wesenlos zu werden. Der Schleier, den Sie sich heben und fallen sehen, ist bei Scelsis der Umweg, der zur (tonalen) Wahrheit führt.
@Henze. Deshalb formulierte ich… – Moment, ich schau mal nach meinem Original-Typoskript (in der FAZ-Fassung gibt es leichte redaktionelle Modifikationen; ich hab da aber noch nicht verglichen…
– … ja,) – hier: sondern baut sich, besonders in den Orchesterstücken der 50er und 60er, zu sich stromartig-schwingend voranschiebenden Molekülverbänden aus, an denen etwas brucknersch Romanhaftes ist, wie Kontinuität-an-sich allerdings, wie ihr „Wesen“. Ich hatte das bewußt abjektivisch gefaßt; für ein Feuilleton wohl etwas zu artifiziell (dort steht jetzt “an denen etwas Romanhaftes, an Bruckner Erinnerndes ist,”).
Flucht vor der Objektivität Drei (!) Fassungen also. Womit eigentlich nur bewiesen ist, daß Scelsis ein Meister der Ohrentäuschung, ein Musiker des Trompe-l’oeil war, iIllusionistisch im Autismus und doch täuschend realistisch im Gattungsstreben, wobei ich das Adjektivistische seiner Klangbilder eher als philosophische Dimension seiner “Kunst” deute.
Keine Flucht vor der Objektivität… … und auch keine Ohrentäuschung. Wenn man es schafft, sich in sein einstündiges Stück für Cello-Solo, die Trilogia I tre stadi dell’uomo (z.B. Arne Deforce) einzuhören, was für mich Schwerstarbeit war, macht das die Ohren auf.
Musik als Schwerstarbeit? Eine leichte Frage zu Beginn. Wie komponiert man Wahrheit? Das ist, wie wir alle wissen, sehr, sehr schwer. Er suchte dafür die Umwege seiner Zeit, da er fest glaubte, daß sie sich (auch!) tonal ausdrücken läßt. Menschen, die dabei sind, sie zu suchen, hören nicht unbedingt zu, sie sind sogar ein wenig ausschließend, selbst wenn sie es “einhörend” nennen. Sie, die Wahrheit, muß also etwas Widerständiges haben, etwas Widerborstiges, als müßte sie sich wehren. Er komponierte gegen das vordergründige Gefühl an, aber – und das ist seine Leistung – dies mit einer Spur illusionistischer Leichtigkeit, die geradezu jede Schwerstarbeit bei der Rezeption ausschließt.
@Henze zu “Schwerstarbeit”. Was “Arbeit” sei, gar “Schwerstarbeit”, bzw. als solche empfunden wird, hängt sehr von den Erfahrungen, Prägungen, kurz: der Schulung von Menschen ab. Wer einmal Tango getanzt hat, weiß, wie schwer das anfangs ist, besonders wenn man zu einer bestimmten Perfektion strebt. Diese “Schwernis” fällt schließlich fast von einem weg. Das ist nicht anders in der Aufnahme von Künsten, zumal dann, wenn bestimmte Prägungen so sehr über Generationen liefen wie in der Musik. Ja, es gibt auch in der Neuen Musik “unmittelbare Einvernahme”, aber dies eben auch nur bei bestimmten Vorprägungen. Man kann außerdem sagen, daß die Schauer sehr oft dann ihre dauernde Wirkung verlieren, je “unmittelbarer” sie gewesen sind. Nicht i m m e r gilt das, zugestanden, aber auch hier sind die Vorlieben von Schulung abhängig; nicht jeder wird den Genuß teilen können, den mir nach wie vor Puccini bereitet: ungebrochen, seit ich zum ersten Mal Mimi und Rodolfo zusammenkommen hörte (in der Neuen deutschen “Recht”schreibung müßte man das Wort, übrigens, pikanterweise “zusammen kommen” hören – was für die Szene ihres ersten Erkennens allenfalls metaphorisch wahr wäre).
(Ich höre gerade, nach langer Zeit, “La Bohème” wieder: Hendricks, Carreras, Quilico; Conlon).