Noch mal zum ästhetischen Weblogkonzept Der Dschungel. Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (117).

Ich merke selbstverständlich selber, daß sich in den letzten Monaten immer mehr das Tagebuch in Der Dschungel vorgeschoben hat, da hat >>>> sumuze schon recht*. ABER: Sie vergißt – oder kann das wahrscheinlich nicht nachvollziehen, weil sie meiner Kenntnis nach keine langen Romane schreibt -, daß Entwicklungen von Prosa, gerade von sogenannten „Weltentwürfen“, viele viele Jahre brauchen, um eine „fertige“ Arbeit zu werden, und daß die Einflußwege so gut wie nie direkte, zeitlich unmittelbare sind, sondern sie tauchen in den Büchern meist sehr verschoben auf, haben meist auch das Jackett gewechselt, man sieht ihnen nicht selten gar nicht an, worauf sie fußen – und das nicht einmal, weil man das als Autor so verstellen wollte, denn als Autor merkt man seine „Gründe“ oft selbst nicht mehr. Kommen sie heraus, überrascht das einen um so mehr – so, wie man von Wendungen, Formulierungen, Einfällen, die die eigenen Bücher nehmen, überrascht, ja auf dem völlig falschen Fuß erwischt werden kann. Mitunter sind sie, als hätte „man das gar nicht geschrieben“, sondern jemand anderes. Die Dschungel dokumentiert solche Gründe nun schon dort, wo sie Gründe noch gar nicht geworden sind oder zwar schon sind, aber als noch nicht Realisierte, noch nicht real Gewordene, sie schreibt sie flüssig fest; die Festschreibung liegt an der dataillierten Genauigkeit, die ein „normales“ Tagebuch so nie umsetzen konnte: später lassen sie sich recherchieren. Hinzukommt, gerade auch im Wechselspiel mit den Kommentaren, daß überaus deutlich wird, unter welchen Glückssternen und Katastrophen und einfach auch nur banalen Schwierigkeiten von Abwehr und Gegenwehr, um von der Ökonomie mal zu schweigen, Kunstwerke zustandekommen. Das sagt noch nichts über die Essenz eines Kunstwerks, oder nur wenig; dennoch ist diese Funktion des Web-Tagebuches, das von einer Hauptsite begleitet wird, die ein Tagebuchartiges kaum zeigt, bzw. auf dem es sich fast nur in den Kommentaren zeigt (da aber dann mitunter heftig, je nach Temperament der Schreibenden), nicht zu ignorieren.
Bücher – ich nenne auch Romane, die im Netz erscheinen, Bücher – sind wie Träume und verarbeiten (auch, selbstverständlich nicht n u r) – „Tagesreste“: interpretative Anstrengung oder die lesende Imaginationskraft holen sie wieder hervor, und d e r e n Gründe dann gleich mit. Wenn dann über Jahre hin ein täglich verfaßtes Arbeitsjournal, bzw. Tagebuch vorliegen, das eben n i c h t von vornherein sich eingefärbt hat – weil es das nämlich gar nicht konnte -, dann sind sie wie Poller, um die die Taue des Romanschiffs geworfen werden können, sowie es denn im Hafen angekommen sein wird und am Kai.

[*: Allerdings laufen – etwa in Rubriken, die auf der Hauptsite gar nicht auftauchen und auf die auch nicht verlinkt wird – durchaus einige fiktive Erzählungen weiter, die ihrerseits ihre „Gründe“ in Geschehen haben, die im Arbeitsjournal, bzw. in Tagebüchern man kann sagen: vor-erzählt worden sind. Das scheint nun überhaupt nicht wahrgenommen zu werden, wofür wahrscheinlich gilt: Es gibt kein besseres Versteck als die Datenschwemme.]

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3 thoughts on “Noch mal zum ästhetischen Weblogkonzept Der Dschungel. Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (117).

  1. Basst scho‘, wie der Frange sagt. – Wenn nur von lauter ut pictura autopiesis nicht aus „die Dschungel“ eine Dschunke wird, die -vollgelaufen mit allerlei trüben Lebenswässerchen- den Hafen nicht mehr erreicht und der Poller unbelegt bleibt. Navigare necesse est, aber nicht ad Antyciram.

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