III, 170 – Dico anzi direi

Affrica (so eine alte Schreibweise) gab es eine Zeitlang in der Musik, hörte gerade so etwas bei Weather Report. Siebziger-achtziger Jahre, in einem globalisierten Sound dann bei Dead Can Dance. Das Arabische kam kaum an die Schwelle Europas mit wenigen Ausnahmen. Youssou N’Dour vielleicht noch: die Zeit, als in Rom scheinbar alle Lehrerinnen von den Orten angezogen wurden, an denen es entweder brasilianisch oder afrikanisch herging (jedenfalls lernte ich dort an Frauen fast nur Lehrerinnen kennen in der Zeit, als ich dort als Italiener lebte). Und so kam ich zu meinen senegalfarbenen Nenn-Neffen (meldeamtlich ließe sich das nicht mehr behaupten, aber wir leben ja nicht auf dem Einwohnermeldeamt). Ma non sono veramente un osservatorio. Una sensazione e basta.
Ich hatte nicht wirklich gedacht, heute schreiben zu können. Dachte noch an einen weiteren Abend mit der Brooks-äugigen und ihrem mac, einem Graphic-Design-Dozenten. Aber es kam eine SMS: Morgen früh Caffè? Eh bien.
Gestern zusammen im Kinoclub. Überraschender Film. Francesco Rosi: >>>> Die Hände über der Stadt von 1963. S/W. Ein Film über Bauspekulation in Neapel. Und die ganze Handlung abgewickelt über die Sitzungen des Stadtrats, der Untersuchungskommission (die eine Sitzung voll qualmender Zigaretten), weil etwas “Unvorhergesehenes” passiert war (>>>> Einsturz eines Gebäudes bei den Bauarbeiten, zwei Tote, ein Junge, dem die Beine amputiert werden mußten), die “politische” Überzeugungsarbeit in Gesprächen unter vier Augen, um die gesetzliche Pro-Forma-Rechtmäßigkeit als Schleier über die politische Klüngelei fallen zu lassen und den bevorstehenden Wahlerfolg in die Tasche zu stecken. Letzte Skrupel wurden unter der Drohung beseitigt, dann komme halt die römische Zentralregierung mit einem Kommissar, und dann ginge gar nichts mehr mit all den schönen Bauprojekten. Realistisch in einem ganz anderen Sinne, aber dafür umso vehementer. Niemand wurde umgebracht. Ständig das Gefühl: so läuft’s. Italienisches Politikkonzentrat (ich mußte an Tomatenkonzentrat denken, an all die angesehenen Debatten und Politikeräußerungen im Fernseh’ in der Zeit, als ich noch TV glotzte (der beste Spruch, den ich je hörte, stammt von De Mita: “Dico, anzi direi” [Ich sage, oder besser: ich würde sagen], aber es könnte auch umgekehrt gewesen sein, obwohl mir eine solche Bestimmtheit nicht wirklich vorstellbar ist).
Und danach regnete es bzw. es goß. Jacken überm Kopf und rasch zu Valda. Sie qualmte in der Tür. Mund heischte Wange. Merkwürdig leer um die Mitternachtsstunde an einem Samstagabend. Im Eingang nur kulturell unsesshafte junge Männer, eine Frau mit einem Sohn, ihre spatzenhaft gebaute Freundin. Später beim Rauchen vor der Tür warf mir der Junge sein Spielzeugmotorrad vor die Füße. Sprach ihn an, kam auch zu mir. Die Mutter im Hintergrund: “Batti il cinque!” Hieß, die Handflächen aufeinanderschlagen. “Dagli il pugno!” Gib ihm die Faust. Verstand ich erst nicht. Er hielt die Faust hin. Ich umgriff sie. Und nochmal. Bis es mir einer der Kulturobdachlosen vormachte: die eigene Faust dagegenhalten. Ok, das hatte der Kleine schon intus.
Spät genug zu Dritt wieder hinauf unter einem nurmehr nieselnden Regen.

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