Shakespeare vom Sockel herunter zum Volk. Shakespeares Ein Sommernachtstraum im Hexenkessel Hoftheater, Berlin.

Aus Holz ein Amphitheater mitten in Berlin, die Bühne wuchernd vor Pflanzen, grüne Schlingen, rote Blüten, sparsamst der Einsatz technischer Hilfe. Statt dessen: Fantasie. Es wird auf zwei Ebenen gespielt, teils wird das Publikum mitbespielt – wie’s sich gehört, wenn kluge Inszenierung aufs bisweilen durchfunkelnde Straßentheater trifft, doch ohne jede Peinlichkeit, vielleicht zwar schon mal ein bißchen gestanzt, übernommen aus der Commedia dell’arte, etwa die Auffassung des Egeus’, aber doch auch wieder, in der neuen, recht sachlichen Übersetzung Jan Zimmermanns, der zugleich Regie führte, plötzlich der Reim. Sparsam die „Modernisierungen“, man sagt schon mal „tschüß“, man gibt einen Witz aus der Alltagssprache hinzu, doch die eigene Artifizialität dieses Stückes, das vielleicht das erste moderne Drama überhaupt ist, bleibt von Anfang bis Ende erhalten. Auch möchte man vielleicht mal bei der Musik eingreifen, ein bißchen etwas mildern dort (man hat ja seinen Britten im Kopf), vor allem bei Bottoms berühmtem Schlußmonolog – aber das sind Geschmacksfragen jenseits derer um Qualität. Sicher ist auch manches sehr burlesk-grob, doch einerseits der Freilichtpraxis geschuldet, vor allem indes holt es Shakespeare vom Sockel herunter zurück in den Wagen, in dem er und sein Trupp von Dorf zu Dorf getingelt sind, um für das Volk zu spielen.
Erstaunlich, wie das funktioniert. Das lebt von überbordender Spiellust, aber nicht zuletzt auch von der Wandlungsfähigkeit dieser Schauspieler, ganz besonders Michael Schwagers; quasi alles ist doppelt bis dreifach besetzt, die fantastisch ausgedachten Kostüme werden gleichsam fliegend und vor allem so glaubhaft gewechselt wie die Charaktere, das ergibt kaum eine Dehnung. Der Puck (Carsta Zimmermann) ist diesmal kein >>>> David Benennt, sondern sowas wie eine, kann man sagen, Kröte. Selbst das funktioniert. Hermia und Helena wiederum stelzige Teenies der 50er, fassungslos in ihrer Un-Erotik, was schon einiges über Verblendungen sagt. Protzig bis zur Absurdität Oberon, der sich immer wieder vergeblich wegzuplustern versucht als Mischung aus Cäsar und Prollpop mit der Herrschergeste, immer wieder gestört dabei; sehr lasziv Titania (Claudia Graue) und dann, verwandelt, eselsgeil, zugleich eine Pflanze ganz selber, Rankungstier und Zauberin, die keiner technischen Mittel bedarf für ihre Macht wie ihr Gatte – und doch besiegt von ihm wird. Macht euch die Erde untertan, sic. Aber, das ist bei Shakespeare der Witz, besiegt-zu-sich selber, dialektisch besiegt in den Instinkt einer heilen Natur, die uns doch immer nur noch utopisch sein kann. Wie uns das seelenlos begradigte Spreeufer z e i g t, das – muß man heute leider sagen: „einst“ – die wilde Strandbar zierte.
All das erzählt diese Inszenierung gleich mit, aber aus der Handlung heraus, aus dem Geschehen, und aus dem Geist des Stückes, nicht aus dem kniffligen Kopf eines protzpubertären Regiekonzepts. Dennoch ist das nicht improvisiert, wie mancher vielleicht meinen möchte, sondern stücknah gerade etwa in den Parallelpersonen, besonders bei Titania. Bei deren weltlicher Gegenfrau, bei Hyppolita, man geneigt ist, an eine nach Themiskyra siegesgefeldzugte Penthesilea zu denken.
„Verhandelt“ wird – je nun, was denn sonst? – Sexualität – – Fruchtbarkeit also, Frauen und Männer, Gedeihen und Gehen. Da war es ganz sicher kein Zufall, mit der Premiere dieser Skakespeare-Fassung die Mitsommernacht-selber zu füllen. Auch wenn bisweilen von unten am „Strand“ das Fußball heraufjohlte, auch wenn deutlich mal Motorräder zu hören waren und die S-Bahn sowieso, so war alles das doch akustische Kulisse, die in die Gegenwart etwas zurückholte, das wir als ein angeblich Unterworfenes schon beinah vergaßen. Wenn aber nachts die Handwerksstände probten im Wald, liefen uns nur um so mehr vor Lachen Tränen aus den Augen und kullerten wie kleine Pucks.
Welch ein Gewinn für das Theater – dieses völlig unsubventionierte Theater. Reingehen.
Weitere Aufführungen: Bis zum 6. September, Dienstags bis Samstags je 20.30 Uhr. Auch heute!
(für Vorbestellungen): >>>> Hexenkessel Hoftheater

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