4.6.08 – Neunerprobe

Sicher begünstigt durch den PC-Ausfall vom Sonntagmorgen, der zweitägigen Unmöglichkeit zu arbeiten, weil Montag ein Feiertag war: Festa della Repubblica, dadurch, in diesen Tagen wegen einer dringenden Arbeit täglich nach Rom zur betreffenden Agentur fahren zu müssen, ist herangereift, was öfter schon mich stolpern ließ in diesem Tagebuch, daß ich hier seit fast zwei Jahren führe: Es geht nicht mehr. Der Alltag nimmt darin einen Stellenwert ein, an dem ich mich sprachlich einfach vergeude. Ohne diesen Kleinigkeiten den Wert zu nehmen, durch die sie groß gesprochen wurden. Es wäre ein Weitermachen aus einem Gesetz der Trägheit heraus. Ich weiß, daß Paul und cellini das bedauern werden. Aber ich brauche eine andere Form des Täglichen, die nicht nur das Gedicht ist, sofern es denn täglich erscheint. Bei mir. Es liegt auch daran, daß die Besucherzahlen bei parallalie, das ist dieses „chez moi“, seit einem Jahr nur noch sinken, und ich im Schnitt nicht mal auf 20 pro Tag komme. Mein Schreiben dort ist sicher nicht Jedermanns Sache. Aber es ist meins. Hier indes besteht immer die Versuchung des – appunto – „Chorischen“: also sich einstimmen. Was ich nicht kann. Die reine Selbstbehauptung bringt es auch nicht. Weil sie einfach nur behauptet. Aber nichts beweist. Die Leserinnen, die das nach meiner letzten Unterbrechung das Wiederaufnehmen meines Tagebuchs begrüßten, werden das hoffentlich verstehen. Kurz: ich ziehe mich auf meinen Parallelplaneten zurück.

12 thoughts on “4.6.08 – Neunerprobe

  1. @Bruno Lampe. Ach wie schade! Und nicht nur die beiden speziell sowie die anderen Genannten bedauern diese Entscheidung – oder ist’s noch nur eine Absicht? -, sondern Die Dschungel insgesamt werden einen Verlust erleiden. Zumal an den Zugriffszahlen bei Lampe gut ablesbar ist, wie gern speziell auch dieses Tagebuch gelesen wird; und die Zahlen täuschen ja nach unten: Wer nur “Tagebuch” anklickt und sich dann durchliest, wird nicht eigens gezählt.
    Ach.
    Schade.

    1. Schade ist es. Dem stimme ich schon bei. Aber ein innerer Konflikt läßt sich nicht dadurch lösen, daß man ihn schwären läßt. Entweder löschen oder Holz nachlegen. Ich, Bruno Lampe, sehe es als Entscheidung. Als parallalie mag ich wohl weiterhin Kommentare schreiben, wenn ich entsprechend angestochen und angeregt werde. Aber ich mißtraue im Moment zu sehr dem, was der Alltag griffbereit auf dem Tisch hat. Ach, sagst Du, und dem Ach schick’ ich als Ich ein Ja hinterher, wie ich es einst tat, um meinen ehemaligen Deutschschülern beizubringen, daß das “j” da entsteht, wo das “ch” aufhört, während das “ch” nach “a” beispielsweise dort beginnt, wo das “k” anfängt: Ach, Karl! – Ich bin abgeschweift. Und drifte.

  2. Lieber Herr Lampe,

    solange Sie mir die Eingangspforte zu Ihrer Parallelgesellschaft nicht verrammeln,
    können Sie dieses ‘Hintertürchen’ gerne dicht machen 🙂

  3. Du wirst mir fehlen. Ich kann deine Gründe gut verstehen und bedaure es, dass Du aufhörst. Sehr.
    Und hoffe auf eine Rückkehr …

  4. … im augenblick kann ich ihre entscheidung nicht bedauern, herr lampe, weil ich dazu einfach nicht in der lage bin. ich sitze hier wie erstarrt… guck immer wieder auf die geschriebenen buchstaben, die sich zu worten, dann zu sätzen zusammenfügen. meine hände finden wie von allein die zigarette, und mein innen braucht jetzt einen wiskey. „kein meer, das nicht in die leere des gedichts rutscht“ übersetzten sie… >>> hier. das meer rauscht täglich, und schaumkronen wissen, dass sie sich selbst zerstören, wenn sie an den strand schlagen, aber es interessiert sie nicht, wie die einzelnen sandkörner aussehen, ob sich ihre form gleicht. jedem aufschlagen auf diesen sand folgt die rückbewegung. es ist tatsächlich immer wieder „der reflex des meeres an der morgenwand“ (ihre worte), auch an der morgenwand des alltags… täglich, immer wieder. driften sie zum dritten ufer, aber kommen sie wieder. und jetzt brauch ich noch’nen wiskey.

    1. das meer steht immer dann still, wenn es anfaengt, nicht mehr stillzustehen: ein ort ist ein ort, ein anderer ein anderer. die morgenwand ist ein fenster… drei ufer bergen keinen fluss. sonders meer.

  5. Lieber Herr Lampe, ich möchte mich von Herzen dem Bedauern anschließen. Sie, speziell Sie, sind in den Dschungeln neben Ihrer besonnenen und vor Klugheit oft melancholischen Art, die ich als wichtigen Akzent gegen Herbsts nicht selten expressive Exzentrizität empfinde, immer auch der Garant dafür gewesen, dass eine bestimmte Poesie des Alltags nie aus dem Auge verloren wurde – das ist unschätzbar für ein literarisches Projekt wie dieses. Ich möchte jetzt nicht an ANHs Stelle sein, weil ich überhaupt nicht wüsste, wie ich die Seiten fortan ausbalanzieren sollte. Aber das ist, ganz sicher, nicht Ihre Sache, mit einem solchen Risiko musste er leben. Dennoch geht vor allem uns Lesern etwas verloren. Eine Stimme der Stille, des Beschauens, des Abwägens, der kleinen Dinge, die eine nicht geringere Bedeutung haben als die großen. Sie kommt aber in einem Chor erst eigentlich zum Tragen. Auf Ihren Seiten ist sie daheim, hier auf der Straße.
    Ich kann mir aber einiges mehr denken, das Sie Ihre Entscheidung hat treffen lassen, einiges, das ich sicher ganz ebenso verstünde. Nicht zuletzt würde auch ich mich ungern unversehens als die Romanfigur eines anderen gelesen fühlen. Aber das war bei Ihnen, das möchte ich Ihnen versichern, wenigstens für mich nie der Fall.

    Ich lese immer wieder gern auf —> Ihren Seiten und werde das auch weiterhin tun.
    Ihre Gabriele Bürger

  6. Lieber Bruno Lampe, das ist eine Schwachsinnsidee. Sie gehören so sehr in dieses einzigartige Projekt, wenn Sie da aufhören, das wär als ob man Bagheera oder Balou oder den Vater Wolf aus dem Dschungelbuch rauszensiert. Ich kann mir vorstellen, dass man einfach scheiss Tage hat und da alles hinwirft. Klar, kenn ich. Das Problem ist nur, je weiter wir hier öffentlich bedauern, desto schwieriger wird es für Sie, Ihre Entscheidung überhaupt nur noch mal neu zu überdenken und dann einfach irgendwann weiterzumachen. Deshalb bedaure ich nicht, sondern sage machen Sie Urlaub vom Dschungel und kommen Sie gesund und munter wieder. Alles andere schafft unnötig Fakten.

    1. Zu Gabriele Bürger und Peregrinus und ganz allgemein:
      Oder vielleicht doch eher allgemein, aber nicht vergessend zu sagen, daß ich’s gern gelesen und darum nicht undankend von dannen ziehen möchte. (Wie sagt man kompliziert „Danke!“?). Die Straße hat nun eine Tür zu meinem Haus. Weil es geht eben nicht, immer auf der Straße zu sein, wenn das Haus doch da ist. Wenn mein Tagebuch so empfunden wurde, dann war es richtig, daß ich es so geschrieben habe, wie ich es geschrieben habe. Anfangs hatte es sogar „therapeutischen“ Wert. Aber hätte auf keinen Fall eine dauerhafte Mitarbeit sein können. Was auch gar nicht im Sinne des Projekts sein kann, meine ich. Mir selbst fehlt der nötige Abstand zu meinen Texten, egal welchen, besonders aber zum Tagebuch und mithin zum Alltag, aus dem es sich herausschreiben wollte. Eine Erfahrung auch, die ich allen empfehle, die ein bißchen in sich schürfen wollen, sehen wollen, wo sie anecken mit ihren Tagen in der Rückschau. Als „Mitarbeiter“ bin ich allemal austauschbar. Andere sollten nachrücken. Das Projekt ist da, die potentiellen Stimmen sind vielfältig. Und es ist auch eine Art Schule des Schreibens, weil das öffentliche (das muß vielleicht doch auch betont werden) Tagebuch im Gegensatz zum nicht öffentlichen Tagebuch immer den Mitleser als Empfänger ins Schreiben selbst schon einläßt (und die 2-3 Mal, die der Text nach den Korrekturen neu geladen wurde, fast immer), so daß wirklich Geheimstes eben doch geheim bleibt, auch wenn man oft genug mit den Schlüsseln dazu klappert. Aber allein schon zu wissen, wie diese Schlüssel wahrscheinlich aussehen, ist für den Schreiber durchaus ein Lohn. (Was peregrinus zum Schluß sagt, stimmt. Auch die Sätze, die zu diesem Schluß führen, haben ihre hypothetische Richtigkeit. Dennoch wünsche ich mir eine bald durch einen anderen oder eine andere ausgefüllte Vakanz – eben: „vacanza“).

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