Traum- und Arbeitsjournal. Am Donnerstag, dem 28. des noch immer kalten Aprils 2016.


[Arbeitswohnung, 11.13 Uhr
Anoushka Shankar, >>>> Land of Gold]

Er stand auf dem Dach eines Hauses, hinter ihm und ihm zu den Seiten standen die plaudernden Freunde.
Es war der Sog hinabzuspringen. Von gegenüberliegenden Häuser hingen Strippen, Stromleitungen vielleicht, auch Fahnenseile, die ein wenig schwangen.
Der Sog wurde stärker.
Er dachte nach. Nein, er wollte nicht springen. Und aber doch.
Er stellte sich den Fall vor, den Aufschlag, lange, sehr lange. Die Freunde merkten‘s, wollten ihn halten. Sie diskutierten den, ja, Casus. Da sprang jemand von gegenüber. Es war ein noch junger Mann.
Er verfolgte den Fall, der endlos zu dauern schien und den ein bis hier oben vernehmbares Klatschen beschloß.
Aufregung, Geschrei, Martinshörner.
Er dachte weiter nach, ob er springen solle. Es war ganz nüchtern, fast eine Deduktion.
Dann tat er‘s, faßte aber im Fall eine der Strippen und hielt sich, über dem Abgrund schaukelnd, fest. Woraufhin er erwachte – um halb acht, wiewohl er den Wecker auf 6.30 Uhr gestellt hatte. Und er erwachte auch nur durch den Anruf der Löwin, die herzlichst „aufstehn, Dichter“ sprach und ein wenig brauchte, um sein Verwirrtsein m i t aus dem Schlafen zu heben.

*

Habe die Vorarbeit für meine >>>> Land of Gold-Kritik begonnen, lese über Instrumente, über die Musiker, über Hintergründe nach. Überzeugt von der CD bin ich n i c h t – abgesehen von zwei Stücken, die toll sind. Nun ist‘s aber, Einwände zu formulieren, ein berechtigterweise sehr viel schwierigeres Unternehmen, als eine künstlerische Produktion zu loben. Lobe dürfen auch unbegründet sein, das ist ein menschliches Gesetz. Kritik hingegen hat zu argumentieren. Dieses Credo begleitet meine Rezensionsarbeit seit ihren Anfängen.
Parallel Telefonate hin und her wegen der >>>> WDR-Traumschiff-Lesungen; beim Sender ist ein falsches Tonfile angekommen, statt der von mir gekürzten Gesamtfassung die ungekürzte. Also neues Hochladen, was bei 1 GB mit meiner nicht arg schnellen Netzverbindung dauert. Und eine Korrespondenz mit >>>> Act wegen neuer Jazzaufnahmen, die unvermittelt zu einem freundschaftlichen Gespräch über ästhetische Positionen wurde. Daß man sowas erleben kann, wärmt. Hinter jeder Funktion stehen Menschen, man muß, um es zu merken, nur den „Funktionston“ verlassen, gerade auch in geschäftlichen Korrespondenzen.

Jedenfalls höre ich Shankars CD nun schon zum vierten Mal heute. Bis zum Abend sollte meine Kritik fertig und dann auch eingestellt sein. Wird Zeit, daß ich mal wieder konsequent arbeite und mich nicht so lasch dahintreiben lasse. Dann gerate ich auch nicht mehr in solche Träume. Sowie dieses Mieselwetter aufhört, werde ich auch wieder laufen. Ich friere in Deutschland, sollte mal wieder Heine lesen.

ANH
am vierten Tag der >>>> Traumschifflesungen im WDR.

center>*’


(16.40 Uhr)
Seltsames Wunder: Der WDR hat die heutige Ausstrahlung vier Minuten über die Zeit währen lassen. Wie kann das sein?

Vorher zu >>>> Horst Sterns Friedrichbuch eine >>>> sehr schöne Kitik aus dem Spiegel gefunden, von vor dreißig Jahren, dennoch online! Und hübsch, in >>>> Wikipedia, diese Formulierung: „poetisierter Erotismus“, hübsch und typisch. Warum habe ich aber angenommen, Stern lebe nicht mehr? Seltsam. Ich hätte ihm sogar >>>> im PEN begegnen können. Auch er einer, der dort nie erscheint. Allerdings ist er vierundneunzig Jahre alt, da läßt es sich begreifen.

Hab jetzt alles, was ich wissen muß, beisammen und fange meine Shankarkritik an.

3 thoughts on “Traum- und Arbeitsjournal. Am Donnerstag, dem 28. des noch immer kalten Aprils 2016.

  1. “Bizarre Welt”. An M.G.

    (…) also ich habe den Eindruck, daß die Plattenverlage ihren Muikern sowas unterdessen geradezu abverlangen: “Ihr müßt auch was fürs breite Pubikum tun…”
    Wie in der Dichtung bin ich bei sowas verschnupft, bisweilen werd ich sogar wütend. Es hat Jahrhunderte gedauert, bis die Künstler ihren Lakaienstatrus abschütteln konnten, bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts, und nun ist es, als wollten sie so schnell wie möglich wieder hinein, nur daß die Herren keine feudalen mehr sind, sondern Quotenmanager. (…)
    An Jazz fasziniert mich, daß er Formgefühl voraussetzt; wir hören ihn erst, wenn wir ihn verstehen – und umgekehrt. (Allerdings gibt’s auch da, ganz wie in der sog. Klassik, ziemlich maues Zeug; man spricht dann gern von “standards”). (Viele “Klassik” ist schlichtweg ebenfalls Pop, immer schon gewesen; das grausliche Klassikradio hat das sehr früh begriffen; sagen wir mal “Bürgerpop”).

    Und wenn meine Freunde mich mal wieder vom Pop überzeugen wollen, geben sie mir meistens Aufnahmen, die ich dort gar nicht “verorten” kann, sondern meist zwischen Rock und Jazz verorten muß. Papp “Pop” drauf, und es läuft. – Bizarre Welt.

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