B.L.’s 12./13.8. – Nähe

20.40
Toffia. Durch die Straßen gehen, einmal, zweimal, die Gedichte lesen, die dort an den Mauern zu viert oder fünft baumeln, hier und dort. Fünfmal finde ich mich. Ansonsten nichts los in Toffia. Vor der Kirche ein paar scherzhafte Worte mit einer für den Abend probenden Seiltänzerin. Ein kalter Tee mit Zitrone an der Bar gleich vorm Stadttor. Zeit verstreichen lassen. Ich war entschieden zu früh losgefahren. Als hätte ich etwas verpaßt, wenn ich nicht schon am Vormittag gleich nach dem Aushänge der Gedichte dort hingefahren wäre. Immerhin anderthalb Stunden Autofahrt. Nach dem Tee nochmal durch die Straßen. Immer mehr das Gefühl, daß da nicht wirklich Qualität in den Texten sei. Außer in meinen, außer in denjenigen meiner römischen Freundin, und – überraschende Ausnahme – eines Basken, der sich eines sehr vertrackten, zuweilen phonetisch wiedergegebenen Italienisch bedient. Der Rest Mittelmaß. Gegen Abend war mir dann auch klar, daß das nur kultureller Nachtisch oder Aperitif für das allgemeine Vergnügen im ganzen Ort: improvisierte Kneipen, Lädchen, Ständchen, Konzertchen usw. Die Freundin ließ lange auf sich warten. Endlich, gegen zwei – ich saß auf einer steinernen Bank mittlerweile, schaute den Leuten zu, die nicht schön aussahen, die Straße entlang, aus der ihr Auto kommen würde, fühlte mich dennoch in dieser Art des Beobachtens ausgeschaltet und darum auch gar nicht nervös und ungeduldig, Siesta – kam sie. Rötliche Haare, funkelnde Augen und festes Umarmen. Sich anschauen. Sich freuen. Nach dem Essen in einem nahen Ort (in Toffia gab’s nichts) und einer Partie Tischfußball vor der angrenzenden Bar, gingen wir dann gemeinsam noch mal die ausgehängten Gedichte durch, um zu dem Schluß zu kommen, daß unsere doch die weitaus Besten sind.

gräbst dich rückhaltlos ein
profanierst mich – zögern, wozu?
die hände immer nur dorthin
wo das fleisch sich teilt

doch, wenn des nachts ich
deinen fuß such’ mit dem meinen
dein rückzug wie verbrannt
von allzu großer nähe

Nachdem sie dann wieder abgefahren nach Rom, eine langweilige Einführung in diese Ausstellung der Gedichte. Danach vergebliches Warten auf das Öffnen der improvisierten Kneipen. Ich hatte noch ein Bier trinken wollen. Ein Weilchen war’s gut, so dazusitzen. Aber irgendwann war ich’s leid. Eine Sternschnuppe auf der Schnellstraße Terni-Orte erhaschend war ich gegen zehn wieder hier.
Und heute war heute. Der Tag begann mit neuem Aufbruch: ich hatte der Neffenmutter versprochen, sie um acht vom Bahnhof abzuholen. Nun habe ich hier Gebäck aus den Dolomiten zu stehen und zu essen. Ich dachte erst, daß auch die Neffen wieder zurückkämen, aber sie bleiben noch eine Woche. Zusammen mit anderen 7-12jährigen Kindern staatlicher Angestellter (die Mutter ist Lehrerin) aus ganz Italien dort in der Provinz Belluno. Ich denke, das wird auch eine schöne Erfahrung für sie sein, weil neu.

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