III,21 – Händchen halten

Sachzwänge. Das fing schon gestern gegen Mitternacht an, als ich Biomüll schnell noch rausstellte und eine wochenalte Tüte mit Asche dazugab. Hinterher wunderte ich mich, Asche am Hosenbein zu finden. Abklopfen und damit gut, Wecker stellen usw. Heute dann der Blick auf den zur Neige gehenden Wein. Die zur Neige gehenden Hochdruckpillen, die ich einmal täglich auch nur noch aus Gewohnheit schlucke. Seit 2-3 Jahren keinen Blutdruck mehr messen lassen. Abhängigkeiten allemal. Im Unwichtigen sich ablagernd das Nachdenken darüber. Kautionsdepots. Vermeintliche Sicherheiten. Also fertig machen. Jacke ja? Jacke nein! Betreten des Hofes. Überall Asche. Kurz, die Plastiktüte (materbi) war löchrig geworden, was ich im Dunkeln nicht mehr gemerkt hatte, außer an meiner Hose. Geldautomat zunächst. Mein Friseur stand schon davor, ihm friere dort im Schatten, wie er sagte, aber dennoch viel Sonne mit entgegengesetztem Effekt. Annäherung des Weinkellers etwas außerhalb an der Straße Richtung Orte, mit Blick auf den Terminillo im Süden (2200 m ü.M.), dessen weithin leuchtende Winterweiße langsam zu schwinden scheint, nur noch weiße Streifen im hervortretenden Felsgrau. Eintretend wurde ich sofort erkannt: “Malvasia?” Zum Arzt. Kurzes Seufzen beim Aussteigen: wer weiß wie voll. Aber überraschend wenig Leute. Bis ich mitbekam, der Doktor sei nicht da, in Vertretung indes die Dottoressa. War egal, ich wollte meine (seit drei Wochen unter Pflastern verborgene) Handrückengeschichte ja nur begutachten lassen. Der Kick war dann gar nicht die Dottoressa mit ihrem sehr neutralen und fast schon androgynen Gesicht, sondern diese kleinen und zierlichen Finger, die meine Hand berührten. Dort im Moment und jetzt im Nachhinein. Und gleichzeitig der Gedanke, dies sei die Geste gewesen, die einem Pflegefall vorbehalten wird. Die dennoch pflegt. Keine Ahnung, wann ich zuletzt Händchen hielt oder von einem Händchen gehalten wurde. Es geht sonst immer so, daß man sich im Gesicht herumfuhrwerkt zur Begrüßung. Ein bißchen An-Sich-Drücken. Dann zur Apotheke mit den beiden Rezepten, dem einen für die Hochdruckpille, dem anderen für die zu verwendende Creme (halb Cortison, halb Antimykotikum, da nicht wirklich zu entscheiden sei, was es sei), und Bedauern der sperlingshaft kleinen und trippelnden Apothekerin, keinen Fünf-Euro-Schein zum Wechseln zu haben, die mich somit bat zu warten, bis einer in die Kasse eintrudele. Nach fünf Minuten wedelte tatsächlich ihre Hand, und ich durfte weiterfahren. Supermarkt. Im Hof Asche fegen, Wasser über die weißen Reste schütten. Morgen wird noch mehr Wasser nötig sein.

III,20 <<<<

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .