Arbeitsjournal. Sonnabend, der 10. Februar 2007.

7.53 Uhr:
[Villa Concordia Bamberg.]
Verschlafen. Ein Zeichen, wie wenig ich noch in ARGO wieder drin bin; dabei wird‘s dringende Zeit, diese Erstkorrekturen EF zur ZF abzuschließen, damit ich rechtzeitig an die BAMBERGER ELEGIEN gehen kann, die ja für den Buchmessen-Herbst zu Anfang März lektoriert werden sollen. Allerdings habe ich von >>>> dielmann auch noch nichts darüber gehört, wie sich Direktor Bernd Goldmann, der übrigens über den gesamte Februar in Urlaub ist, zu der Buchausgabe stellt, ob es also an ihr eine finanzielle (und herausgeberische) Beteiligung an dem Buch geben wird. Das ist von den vertraglichen Grundlagen her ganz allein seine Entscheidung. Wie offenbar auch, wie mit der Bezahlung der Gästezimmer in der Villa Concordia verfahren wird. Sogar ich, als ich andeutete, die Geliebte käme vielleicht mit den beiden Babies für drei Tage hierher und werde ein solches Zimmer also brauchen – mein Studio ist objektiv zu klein -, hätte Übernachtungskosten tragen sollen; nun ist ein ehemaliger Stipendiat für eine Woche hier und muß n i c h t s bezahlen; der Profi hat schon recht, wenn er von Nepotismus spricht.
Im übrigen ist mir klar, daß ich mit einer solchen öffentlichen Bemerkung die Mitfinanzierung der Elegien gefährde; aber ich bin nicht korrupt, das gehört wie das Atmen zu meinen Lebensfunktionen, und werde deshalb über dergleichen nicht einmal schweigen, schon gar nicht aus „Klugheit“, wie man das nennt. Und da spielt es auch keine Rolle, daß ich Goldmann persönlich ganz gern m a g und sowieso seine Bildung schätze. Verständigte man sich über s i e und nicht über Machtverhältnisse, gäbe es zweifelsfrei ein sehr entspanntes, ja freunschaftliches Verhältnis. Das gilt übrigens auch für viele meiner Gegner im Betrieb: die sind ja auch nicht eigentlich tumb, sondern haben ihre tiefen Leidenschaften; auch >>>> Wolfram Schütte. Nur stellen sie – oder die meisten von ihnen – immer ihre Macht davor und stützen sich auf diese statt auf das, was ihre Seele liebt. Alleine d a besteht zwischen uns die kriegerische Differenz.
Natürlich weiß ich, was dahintersteckt: letztlich nämlich Angst. Lebensangst. Man fügt sich in Machtstrukturen ein und besetzt sie, um sich zu sichern, die eigene Existenz, die Bedürfnisse nach Wohlergehen seiner selbst und seiner Familie, nach Luxus undsoweiter. Und wahrscheinlich tut man das mit einem schlechten Gewissen gegenüber den eigenen Idealen; man nennt das dann ‚realistisch‘ sein und Pragmatismus. Daran haftet immer, wirklich immer, ein Verrat – und das ist genau der, den ich nicht mitgehe. Nun wird aber allein, d a ß ich‘s nicht tu, zum Skandal, und deshalb bin ich als Querkopf nicht nur prädestiniert, sondern um so unangenehmer und störend, weil ich die sonstigen Eigenschaften eines Querkopfs nicht habe, sondern sogar höchst konziliant sein kann und das auch sehr gerne bin.Ich stelle nur unmißverständlich klar, daß das n i c h t bedeutet, daß ich mich anpassen werde, wo ich etwas, egal was, für falsch erachte – und zwar auch nicht, wenn ich persönliche Nachteile tragen muß. Selbstverständlich habe auch ich Angst, mitunter große Angst, ja, aber ich lasse mich von ihr nicht beherrschen, sondern umgekehrt beherrsche ich s i e.
Ein nicht ganz unbekannter Kritiker, der – ich umschreibe das bewußt – ein deutliches körperliches Manko hat, sagte mir: „Weißt du, ich mache das mit dem Fensehen letztlich nur, weil ich so Frauen bekomme.“ Ich mußte ihn nur im nebenhin ansehen, um seine diesbezügliche Not zu verstehen. Er ist unterdessen sehr mächtig, und nicht wenige Frauen reagieren auf Macht mit starker, sagen wir, pragmatisch-sexueller Erregung. Das hat, glaube ich, genetische Gründe. Und es wäre dagegen nichts zu sagen, holte ein solcher Mann diese Macht aus sich selbst, also vermittels Ausstrahlung, und eben nicht, indem er sich in gesellschaftliche Machtstrukturen hineininstumentalisiert; er instrumentalisiert damit auch das, für was seine Leidenschaft und Bildung ursprünglich stand. Das meine ich mit dem Verrat. Viele Mächtige, Mächtige unterhalb des zweiten oder dritten Gliedes, betrifft das – nicht freilich jene des ersten Grades, die für ihre Macht in existentielles Risiko laufen und hineinzulaufen immer auch willens sind; bei denen geht es um Anderes. Denen bringe ich, bei aller grundlegenden Gegnerschaft, hohe Achtung entgegen.
Meine SamstagsmorgensGedanken zum Sonntag. Sorry. Ich würde einfach nur für meine Arbeit auch ins Gefängnis gehen, obwohl es nichts, wirklich gar nichts gibt, wovor ich mich mehr fürchte, auch nicht Sterben und Tod; die Vorstellung, eingesperrt zu werden, ist geradezu Horror – wie die, gefoltert zu werden. Ich würde beidem erliegen, ich würde auf das kläglichste zerfallen und würde, ganz sicher, meine Lebenshaltung bereuen und ihr dann gebrochen abschwören. Das ist mir völlig bewußt. Aber die Angst davor wird meine Handlungen oder Unterlassungen niemals präventiv bestimmen.

22.34 Uhr:
Saß bis eben noch etwas über den Korrekturen ARGO EF zur ZF; mit etwas konzentriertem Glück sollte ich damit bis morgen abend durchsein. Dann kann es an die Überarbeitung der Elegien gehen.
Da in den letzten Wochen die Arbeit so ins Stocken geraten ist und ich weit hinter der Planung zurückbin, spiele ich mit dem Gedanken, die alte, immer sehr hilfreiche, streng durchstrukturierte Tagesplanung wieder aufzunehmen, aus der >>>> das „Dts“ ja entstand, das die Arbeitsfortschritte unterdessen eher locker und vielleicht zu locker referiert; Dts = Den Tag strukturieren.
Mal sehen. (Testosteronschübe mal wieder, ziemlich heftige Wellen).

3 thoughts on “Arbeitsjournal. Sonnabend, der 10. Februar 2007.

  1. Genetische Gründe? Ach! unlängst habe ich erlebt, welche Art von Damen um die Gunst des von Ihnen erwähnten nicht ganz unbekannten Kritikers buhlt. Es sind Mädels, die es frühzeitig gelernt haben, Papa Honig in den Bart zu schmieren, um seine Lieblingstochter zu werden. Es sind Talkshowtypen, denen jedes Mittel recht ist, um die männliche Intelligenz zu überlisten und die weibliche derart zu übertönen, daß manche glauben, sie existiere nicht oder wäre nur aufs Ficken und/oder Karrieremachen aus.

    1. Ich meine etwas anderes. Das ich auch gar nicht werten möchte, nur mir anschauen, um zu begreifen. Vor-Urteile helfen nie, nicht einmal Urteile, wenn sie moralisch sind und es möglicherweise in der Tat mit – wie auch immer – verschobenen Natur-Gründen zu tun haben, mit Programmen also.

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