[Bei der Korrektur, 13.7.: Wieder Brahms, Altrhapsodie. Wieder die Ferrier.]
So tief langt diese Beschäftigung schon in mich hinein. Ausgerechnet DER SPIEGEL sieht sich in einem langen Artikel, völlig ohne Häme, nicht einmal ironisch, meine auch theoretischen Versuche an. Offenbar gären bovs Sticheleien wie unverdaute Tagesreste und suchten ihren Weg in den Traum.
Do hat mir den Artikel gezeigt, ganz erstaunt, wer ihn schrieb: Die Szene wurde aufmerksam und zerpflückt mich nun: bedachtsam, ohne Eifer. Der Artikel nennt einige meiner Leser, über manche ist er erstaunt (und gibt das zu); er nennt ihre homepages und Weblogs mit den Links, ist dabei sehr genau, reflektiert etwa das „Salbader“-Projekt, zitiert aus meinen Überlegungen, stellt ihnen Längstgedachtes entgegen, ergänzt sie aber auch – fängt dann sehr langsam an, private und Szenewörter zu mischen, schon stehen Sätze wie unvermittelt in einer völlig anderen Sprache da, in einer des 22., wenn nicht 23. Jahrhunderts, das verschwimmt vor den Augen, der ganze Text semantischer Pulsar. Am Ende gelingt, ich glaube, Do die Übersetzung eines Satzes. Es ist ein Ratschlag: Ich möge weniger Fremdwörter benutzen. Der Witz in dieser Banalität wird mir nicht bereits im Traum, sondern erst jetzt bewußt, während ich sie protokolliere. Außerdem liest Do den Satz vor, als teilte sie seine Meinung. Ich reagiere mit Adorno: „Wer keine Fremdwörter mag, mag auch keine Ausländer.“
Dabei bin ich nicht beunruhigt, eigenartig. Normalerweise nimmt mich Kritik an der Arbeit, und sei sie vom letzten Dummbeutel, immer sehr mit, deprimiert mich oder lädt mich (vielleicht als Folge) aggressiv auf. Hier aber (im Traum) reagiere ich gelassen: Literarisch wurden in den letzten beiden Jahrzehnten kaum poetische Formen gefunden, die der neuen Realität – einer um den Cyberraum ergänzten, einer matrischen – auch nur näherungsweise Rechnung getragen hätten; statt dessen feiern „kompositionsfremde Basteleien“ (wieder: Adorno) und – schlimmer (oder: bezeichnender*]) – der poetische Regreß ihre Urständ’. Und Arbeiten wie die Marianne Fritzens (bezeichnenderweise Österreicherin) oder Rohner-Radegasts, vor allem auch Pynchons finden hierzulande selten einen poetischen Reflex. Von Kathrin Röggla vielleicht abgesehen, aber auch sie ist Österreicherin. So kann es nicht schaden, auch Vorgedachtes noch einmal zu denken, es zu ergänzen und zu bündeln, bis sich im Strahl genug Energie komprimiert hat, um Konsequenzen zu erzwingen.
*] „Bezeichnend“, weil zeitlich frappierend deckungsgleich mit dem Fall der Mauer.