Soziale Kompetenz durch ästhetische ersetzen. Kleine Theorie des Literarischen Weblogs (17)

Wer die vielen Weblogs so durchblättert, dem drängt sich der Eindruck auf, es würden gerade diejenigen Beiträge überdurchschnittlich kommentiert, welche in Den Dschungeln brüsk vermieden werden oder, wo nicht, den Kommentar abweisen: nämlich die privaten. Das Weblog als sozialer Aufenthaltsraum – ernstgemeint oder ironisch verstellt – wird in Den Dschungeln in einem fort unterlaufen. Ob jemand amouröse Bauchschmerzen hat, ist der Ästhetik egal, nicht aber, ob es poetische und eben nicht soziale Konsequenzen hat. Und welche. Nöte und Lüste eines Menschen sind nicht diskutabel, wohl aber ihre künstlerische Folge. Fehlt diese, bleibe der Mund in öffentlichen Räumen, wie auch Weblogs es sind, hier verschlossen. Insofern sind Die Dschungel – Achtung, ein neues Adjektiv! – a n t i b l o g.

P.S.: Das verbotene Buch ist deshalb so wichtig, weil es diesen Prozeß ins Extrem poetisiert hat: – wie sich aus persönlicher Erfahrung eine fremde, allgemeine, die nur noch Kunst ist, fomiert. Imgrunde taugt k e i n Roman zur Bewältigung eines privaten Problems, denn dieses ist nicht mehr in ihm enthalten. Stattdessen ein anderes, zugleich sinnliches wie abstraktes, an dem die Leser zumindest Anteil haben. Auch wenn sie es nicht wissen.
P.P.S.: Eine Konsequenz. Fortan so gut wie jedes „ich“ durch „Die Dschungel“ ersetzen.




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4 thoughts on “Soziale Kompetenz durch ästhetische ersetzen. Kleine Theorie des Literarischen Weblogs (17)

  1. antiblog geht wahrscheinlich gar nicht, jedenfalls nicht, wenn man – wie ich selbst – das dingens als etwas offenes begreift, das schließt dann auch antipositionierungen ein. auch die deutung privater vs. ästhethischer einträge scheint mir ein bisschen schematisch, meiner beobachtung nach ziehen dann, in den weblogs, die ich gerne lese, gerade solche persönlichen einträge jede menge kommentare nach sich, die eben so verfasst wurden, dass sie darüber hinaus etwas allgemeineres einfangen. wie beim lesen guter texte eben oft so ein identifikatorisches element reinkommt (aber nicht muss).

    1. Was Sie „Antipositionierungen“ nennen, kann ich gut verstehen. Dem gilt auch nicht mein Einwand. Sondern der Vorstellung, das hier „diskutierte Private“ b l e i b e privat: Es verliert diesen Charakter gerade durch die Veröffentlichung… schon Versprachlichung selbst ist ein Problem. Das Identifikatorische soll sich ja eben nicht durchs „Ich find dich echt gut du ey“ herstellen, sondern über ein Allgemeines, das zugleich sinnlich wird. Rilke hat das einmal, ich muß paraphrasieren, da ich in Köln bin und nicht nachsehen kann (oder im Netz suchen müßte, aber gleich zu der ersten Autoren-Komponisten-Sitzung will)… [Faden verloren:] … hat das s o ausgedrückt: Das Liebesgedicht spreche zur Welt, nicht zu Geliebten (eben auch dann nicht, wenn es sie meint).

    2. denke, das Liebesgedicht spricht zu Beidem.
      Dem/der Geliebten und durch sie hindurch zur Welt.
      Oder andersherum.
      Und: außer in der ästhetischen Dimension ist wenig
      Unterschied zwischen einem Dichter und einem (einem
      Adoleszenten bspw.) der dichtet…

    3. Letztres ist wahrscheinlich richtig. Außer in der naturwissenschaftlichen Dimension besteht wenig Unterschied zwischen einem Oberflächenphysiker [also einem, der sich mit der (sub)atomaren Struktur materialer Oberflächen beschäftigt] und einem (adoleszenten) Menschen, der am Kosmos-Baukasten oder unter elektrotechnisch unter seinem Motorrad spielt.

      Dennoch spricht das Liebesgedicht n i c h t zu beiden, sondern die Geliebte fühlt sich g e m e i n t (und ist es auch – während sie liest)… und der Dichter, oft, fühlt dasselbe. Tatsächlich aber werden sie und er – verallgemeinert. Nur deshalb ist das Gedicht (und ist der Roman, der sogar besonders) emotional übertragbar.

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