Gaudís Klinke. (2).

Es tut mir vielleicht deshalb gut, bei dieser ersten Klinke zu verweilen. Ich denke ohnehin unablässig über sie nach. Ihr Bogen scheint eine Warnung zu sein, die, anstatt zu warnen, lockt. Oder, besser noch, ist ein string, in den ein farbsattes Ölbild, das in flämischem allegorischen Stil Versuchung und selbstbefreiende Unterwerfung darstellt, ausdehnungslos hineingerollt ist. Der Vergleich erklärt mir freilich nicht, woher meine Assoziation an eine frühreife, aufreizend schnippische Frau eigentlich rührt. Nüchtern betrachtet ist diese Klinke bloß ein geschwungener, nahezu neusachlicher Gegenstand aus Metall, dessen Nickelsilber günstigstenfalls geschmackvoll genannt werden kann. Kaum aber streckt man die Hand nach ihm aus, tut sich die Tür wie eine Blüte auf, die bereits in der Wärme den Zucker spürt, den sie photosynthetisch aufnehmen will. Und man betritt den berühmten Empfang, ohne eigentlich schreiten zu müssen. Da nicht nur die Tür zurückweicht, sondern auch drinnen jede Wand, wird der Besucher umgehend aus der realen Welt gehoben. Nun wußte ich immer, daß das auf einer Illusion beruht. Allerdings ist nicht ganz klar, wie Verhausen sie hat zustande bringen lassen. Vieles mag sich über die Leere dieses Raumes erklären. Vielleicht rührt der Eindruck auch von dem die fernen Wände bedeckenden Weiß, das so sehr an Sternenstaub erinnert. Den haben die drei weiteren Türen, die aus dem Empfang abgehen, ganz sicher nicht aufwirbeln können. Da die, auch wenn man nah heran ist, fernzubleiben scheinen, glaubt imgrunde kein Besucher an ein Hindurch. Die meisten gehen deshalb wieder, bevor ihnen Verhausen auch nur die Hand gegeben hat. Zumal man aus einer solchen Entfernung, als schmale angeleuchtete Streifen, sowieso nur die Klinken dieser Türen sieht. Diese selbst verlieren sich in den Wänden. Eine dieser Klinken schimmert wie ein hellbraun lasiertes Holz, die zweite scheint aus ebensolchem Nickel zu sein wie die allererste, und die dritte, also eigentlich vierte, stellt ein falschrotes Gold aus, als hielte sie sich auf ihren Imitationscharakter noch etwas zugute. Nämlich sei er Essenz.

[Die Niedertracht der Musik.]

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