DTs. (2. Dezember 2004).

6.02 Uhr:
[Wellesz, Die Bakchantinnen.]

Starkes Traumbild für ARGO: Buenos Aires schickt Panzer gegen den Osten in eine Lappenschleuse, sie krawallen hinein und zersetzen sich in der Röhre, sind weg, um im Osten aus der andern Röhre bedrohlich wieder herauszukommen in Wüste und Steppe, ein Irrsinnslärm, der allerdings sofort verpufft, wenn einem klar wird, daß es im Osten aus guten Gründen noch gar keine Lappenschleusen gibt.
Das hat mich nicht beruhigt, ich sah ungewöhnlich abgeklärt dabei zu. Dennoch verläßt mich das Bild zur Zeit nicht mehr. Dabei: Wüste und Steppe – das kann auch schon nicht sein. Möglicherweise hat sich ein Filmbild von früher im Gehirn aktiviert.






Tagesplanung

6.15 Uhr:

ARGO.

10 Uhr:

DIE DSCUNGEL.
Post, Telefonate.

11 Uhr:

Analyse.

12.30 Uhr:

DIE DSCHUNGEL.
SCHOSTAKOVITSCH-Kritik, die ich gestern nicht mehr schrieb, verfassen.
PHANTASTIK-Aufsatz (korrigieren, dann ausdrucken für abends).

16 Uhr:

Kinderzeit.
Wechsel in die Kinderwohnung.

21 Uhr:

PHANTASTIK-Aufsatz.






23.29 Uhr:

W i e d e r die Schostakovitsch-Kritik nicht geschrieben, muß ich nun morgen abend oder – sehr schnell – tagsüber tun. Schlief neben meinem Kind nach dem Vorlesen ein, kam um 21.30 Uhr halb zu mir und brauchte eine geschlagene halbe Stunde, um wieder denkend wach zu werden. Hab dann auf dem Papier den Rohling des PHANTASTIK-Aufsatzes korrigiert und schon mal vorab an die horen geschickt, damit sich noch Einwände berücksichtigen lassen. Das Ding muß jetzt mal zwei Tage unangerührt abhängen, damit ich die nötige Distanz bekomme. Also Montag letzter Schliff.
Nachmittags Telefonat mit Delf Schmidt wegen der NIEDERTRACHT DER MUSIK, deretwegen der Verlag drängt. DS bewegend begeistert, „laß dir da nur nicht so reinreden, das ist richtig spannend, das zu lesen.“ Sagt einer, der permanent lesen m u ß. Ich bin darauf richtig ein bißchen stolz, darum schreib ich das derart narzißtisch hier.

Und enorm innig das Beisammensein mit meinem Sohn. Manchmal, wenn ich – weil mir irgendwas nicht gelingt: ein Gefrierschrank, der nicht in die Ecke paßt, ich wuchte und wuchte, und der Junge will mit mir spielen, mir was erzählen usw. – wenn ich also ungerecht schroff bin, schaut er mich mit einem Blick an, daß ich versinken möchte. Ich entschuldige mich, er nimmt meine Hand, legt sie sich an die Wange oder küßt sie sogar… nach dem Abendbrot klettert er auf meinen Schoß und wird ganz unfaßbar zärtlich… Ich kann mir nicht vorstellen, daß irgend ein Vater so etwas jemals vergißt.
Und etwas, worüber a u c h so gut wie niemand je spricht: Der Kleine wird (mit 5 1/2) eingeschult nächstes Jahr, da muß er lernen, sich den Po selbst zu putzen, wenn er auf Toilette war. Die Sache ist ein wenig kompliziert, da ich, seit meinen Aufenthalten in Indien, die dortige Methode angenommen habe und es auch bei meinem Jungen so halte: Wasser in einer Flasche und die linke säubernde Hand. Inder empfinden, nicht zu Unrecht, die europäische Klopapier-Hygiene als unsauber; Europäer, die mit Rollen herumlaufen, haben dort etwas Lächerliches. (Nicht ganz anders, übrigens, in Japan, auch dort gelten wir – aus nicht denselben, aber ähnlichen Gründen – für unhygienisch.) Nun wird es in der Schule so nicht gehen, es sei denn, das Kind gewöhnt es sich an, sein Wasserbehältnis wie ein Inder immer bei sich zu haben. Nur: Wie bring ich dem Jungen das bei? Und fällt er damit nicht sozial aus der Rolle? Das wird ein Lehrstück werden in Sachen Differenz.

Seine Mama schreibt: „Liebe Grüße“. So neu ist das. Und schnürt das Herz. Das eine Hoffnung will, von der der Kopf sagt: „Nein.“




Arbeitsfortschritt:
ARGO, bis TS 101
(!).
PHANTASTIK-Aufsatz, auf dem Papier korrigiert.