Es war ein pfiffiger patriarchaler Trick, den Männern Apoll zuzuschreiben und das Ungestalte den Müttern. Noch Camille Paglia sitzt dem auf. Denn ‚matrisch’ gesehen sind Frauen sehr viel stärker auf Richtung angelegt, da sie ebenso viel stärker unterm Einfluß sich reproduzierender Naturkräfte stehen; sie können es sich schlichtweg nicht leisten, sich denen auszuliefern. Wo der Mann froh ist, sie zu spüren und begeistert sich ihnen hingibt, ist jede Frau bereits in ihrer Existenz gefährdet.
Das erklärt die Kälte des weiblichen Pragmatismus. Sie ist ein strategisch kluger Ausdruck von Notwehr. Ihretwegen lügen Frauen in Fragen von Geschlecht und Liebe. Und entfernen sich, selbst wenn die Leidenschaft sie hinzieht.
(CXXIII).
[ Ihretwegen heiraten Frauen k a l k u l i e r t.]
Von der begeisterten Hingabe der Männer habe ich noch nichts gespürt, jedenfalls nichts von echter Begeisterung. Gäbe es sie, dann gäbe es nicht die Milliardenumsätze der Porno-Industrie. Und: Gelogen wird von beiden Geschlechtern, daß sich die Bettkante biegt. Gerade in diesen Tagen droht eine meiner ältesten Männerfreundschaften (und nicht die erste) daran zu zerbrechen, daß der Kerl mir und einigen anderen nicht mehr unter die Augen treten mag, weil er sich seiner Ausschweifungen schämt.
Symbolik der Aussagen. Viele der hier getroffenen (gerade in den Paralipomena einander oft widersprechenden) Aussagen haben symbolischen Charakter. Und zwar in dem Sinne, in dem den Geschlechtern symbolisch Frauen- und Männer-Aspekte zugeordnet werden. Es sind also gender-Fragen, die mich interessieren. Sie werden abgeklopft. Daß dies nicht auf „Frauen“ und „Männer“ generell heruntergebügelt werden kann, scheint mir ebenso selbstverständlich zu sein wie der Umstand, daß meiner Beobachtung nach Männer ausgesprochen zur Feigheit tendieren, Frauen hingegen sehr viel weniger.
Daß jemand sich für seine „Ausschweifungen“ schämt, ist aussagesymbolisch deshalb nur insoweit interessant, als er ihnen trotz seiner offenbar rigiden Moral nachgeht… also nachgehen m u ß. Genau das unterstreicht dann wieder die Hingabe, auch wenn die von mir anvisierte Begeisterung lediglich im Moment des Geschlechtsakts selbst Raum gefunden haben sollte. Was danach (real) innerlich geschieht, spielt sich nur allzu oft im Rahmen dessen ab, was vor rund dreißig Jahren „doppelte Moral“ genannt wurde (aber eigentlich nicht wußte, was es eigentlich meinte).