Noch „dürfen“ wir unsere Sprache sprechen, anders als die Kurden aber wollen wir nicht. Die Kolonialisierung des Deutschen hat in einer freiwilligen Identifizierung mit dem Aggressor, der – aus einem sehr berechtigten Schuldgefühl heraus – libidinös besetzt worden ist, nicht nur erst begonnen, sondern ist bereits mitten auf dem Weg. Doch nicht nur hier und nicht nur wegen eines politisch-moralischen Erbes, sondern überall in Europa hat das US-Amerikanische sich zunehmend Forts im Alltag errichtet: eben ganz genauso, wie im Kolonialismus fremde Länder besatzt worden sind. Es gibt auf dem Prenzlauer Berg bereits Läden, deren Inhaber Schilder in ihre Eingangstür hängen, auf denen OPEN steht. Hilflos schlägt etwa Frankreich gegen so etwas bannende Kreuze in seiner Académie („le cédé“). Am schlimmsten aber sind die Engländer dran, da sie irrtümlich meinen, es sei i h r e Sprache auf dem Weg.
[Der Schulterschluß Groß-Britanniens mit den USA ist auch s o erklärbar – und aus der alten Gegnerschaft zum „Continent“, den jene sich nun nutzbar machen.]
(CXXVII).
ob’s tatsächlich die sprache ist, die uns „besetzt“, glaube ich nicht. was uns besetzt, ist für mich eher der us-amerikanische kapitalismus und dessen „ethik“ des „search for happiness“, was sich dann im erfolg bestätigt, wobei erfolg immer ein geld-erfolg ist. da liegt meines erachtens die identifikation, nicht in der sprache an sich.
denn nicht die sprache kolonisiert, sondern das ihr zugrundeliegende denkmodell. ähnliches mag vielleicht – wenn auch anders, ich kann das jetzt nicht näher darlegen, weil ich nicht dazu in der lage bin – für das lateinische gegolten haben, durch das nationalsprachen geprägt wurden und entstanden (die romanischen sprachen), und das als „esperanto“ ante litteram noch lange jahrhunderte fortlebte.
also ellenbogengesellschaft. was das amerikanische betrifft. „open“: komm rein!, hier findest du alles, was dein gieriges herz begehrt, um mit allen anderen herzen gleich-gierig mitschlagen zu können. schließlich sind wir demokratisch (von wegen GLEICH-gierig).
Das ist sicher e i n Aspekt. Aber er ist äußerlich. Mich interessiert der a n d e r e, seelische, mehr: Die Prägung, die erst zur Akzeptanz dessen führt, was Sie „US-Kapitalismus“ nennen. Ich bin mir in der Bewertung von „Geldgier“ durchaus uneins, glaube vielmehr, daß tatsächlich – vielleicht nur „auch“ – eine innere Konditionierung stattgefunden hat, die vornehmlich über Musik vermittelt wurde, die seelischste aller Künste. Indem ein Jugendlicher lieber „I love you“ als „Ich liebe dich“ sagt, was ihm eine Gruppendynamik vorsagt, die ganz wesentlich von der (Unterhaltungs-)Musikindustrie definiert wird, hat die Kolonisation lange vor jeglicher Geldgier sprachlich eingesetzt. Hierin mag sich einer der Gründe dafür finden, daß jene jugendlichen GI’s, die My Lai veranstalteten, zugleich Dylon-Lieder sangen. und die Frauen mit Handgranaten stopften.
ich hab’s überspitzt formuliert: aber ich sehe da ein bißchen kuddelmuddel. das ist alles nicht so eindeutig. sprache und musik als ausdrucksmittel ja, aber als ausdruck für was? also findet die seelische prägung vor der akzeptanz statt. die aber liegt – ich beharre darauf – im denkmodell, das dem zugrundeliegt. nun mag dieses denkmodell noch so viel für freiheit plädieren, was ja auch in der musik zum ausdruck kommt, aber letzten endes wird diese freiheit zwar bejaht, aber in dem sinne, das freiheit vor allen dingen eine freiheit des marktes. wie schnell wird nicht alle freiheitsbekundung vermarktet! selbst die t-shirts mit dem bildnis eines che guevara gehören dazu.
zu fragen wäre, wie entstand dieses denkmodell. jedenfalls nicht in der sprache und der musik.
loben tu ich mir dennoch die franzosen, die dagegen anzugehen versuchen, aber mit aspirin… (ich hoff‘, es ist klar, was ich meine)