Gestern spätabends noch ein Telefonat mit Robert HP Platz wegen unserer Stuttgarter Uraufführung im Januar. Die Musiker weigern sich, in Bundeswehr-Uniformen aufzutreten. Das sei ihnen zu konkretistisch; sie wollten nicht in die Tagespolitik hinein. Den Verbehalt hatte Platz selbst schon gehabt. Ich hingegen bin völlig anderer Auffassung: Das Stück ist ungebunden genug, um nicht zu wirken, als liefe es aktuellen Sensationen hinterher. „Aber“, sage ich zu RHHP, „wir werden noch erleben, daß in unseren Straßen geschossen wird. Wir werden hier in Berlin, hier in Köln Attentate mitbekommen. Und unsere Kinder werden vielleicht Opfer werden – oder kämpfen müssen. Deshalb habe ich dieses Thema für die Oper gewählt, und ich halte es für feige, das nicht auch zu konkretisieren, und zwar gerade in einem Kunstwerk, das ästhetisch der Kunstfreiheit verbunden ist. Kunstfreiheit füllt sich nur dann mit Gehalt, wenn sie Positionen einnimmt und sich nicht ins ästhetische Niemandsland verzieht, wo sie niemandem wehtut.“ Wenn sich Neue Musik nicht scharf politisiert, wird sie jede Auseinandersetzung mit dem Pop verlieren; und dann sogar zu Recht, wie ausgefeilt auch immer ihre ästhetischen Mittel sein werden. (Musik muß geerdet sein. Wie die Literatur.)
Man darf tatsächlich nicht vergessen, daß die Vorstellung der Kunstautonomie gegen die Z e n s u r entstanden war, also als solches einen gesellschaftlichen Bezug hatte. Sie ist ein Teil des bürgerlichen Individual-Denkens, das wiederum die ökonomische Entwicklung reflektiert. L’art pour l’art kam erst später, ist sozusagen die Dekadenzerscheinung der Kunstfreiheit. Ein dekadentes Land, das sich einem Aggressor gegenübersieht, hat den Krieg immer schon verloren. Das gilt für Künste ganz genauso.
Pflichte Dir absolut bei. Hast Du übrigens unsere helvetische Skandal-Realsatire zur Hirschhorn-Ausstellung mitbekommen? Genau dasselbe Thema. PEIIINLICH noch dazu. Kunst muss frei und soll politisch sein. Auch provokativ. Danke. P.