Von Carole.
…ja, ja… mit stolz bei „untergebenen“ zu betteln , das ist das
kunststueck. gerade gestern haben Olsen und ich darueber gesprochen, dass
niemand zu uns 15 jaehrigen gesagt hat, daß kuenstler sein (was ja alle
irgendwie toll finden…) lebenslange armut bedeutet, ein gebildeter
bettler. als juristin und sie als boersianer, wir waeren bequem
versorgt und dann??? potenz und hormonstoerungen :-))
An Carole.
lächelt…: Ja.
Wobei das Wort ‚Hormonstörung‘ bei mir sicher nur s e h r bedingt und gewissermaßen auf die Steuererklärung verschoben angewendet werden kann. *lacht grimmig*
A.
(P.S.: Diesen kleinen Briefwechsel stellte ich gern ins Literarische Weblog. Darf ich?)
Von Carole.
…. mein leben ist schon oeffentlich genug…
C.
An Carole.
Es muß nicht sein. Vielleicht nehme ich als Zitat nur einen Auszug. Aber Die Dschungel sind ja unter anderem auch dafür da, künstlerische Produktionsprozesse zu dokumentieren; so etwas wie unser kleines schriftliches Gespräch gehört absolut hinzu, finde ich. Und das ist n i c h t mit Scham verbunden wie etwa ein konkreter Bettelbrief. Sondern deckt Verhältnisse auf, unter denen ganz offenbar Kunst entsteht. Und bindet – insofern Die Dschungel ihrerseits Collage-Kunst sind – diese Verhältnisse zugleich ins Werk selbst mit hinein. Genau dieser Gedanke stand am Anfang der Moderne. Um daran festzuhalten und es auszubauen und nicht aufzugeben und das Spiel des reinen hermetischen Kunstwerks mitzumachen, an dem stets die Vermittler verdienen, finde ich die Mischung aus Öffentlichkeit und Privatem so wichtig. Ich geh in meinem „Tagebuch“ als eigener Dschungel-Rubrik ja unterdessen sehr weit darin, presche sozusagen vor, wo alles gern untern Teppich des Öffentlichen Anstandes, also die Fassade kehrt.
Möglicherweise werden sich als die substantiellsten Beiträge des Weblogs das Tagebuch herausstellen, das Arbeitsjournal, die Paralipomena und die Korrespondenzen, etwa in dieser Reihenfolge. – Es gibt „in Wirklichkeit“ keine privaten oder individuellen Existenzen, außer man machte sie öffentlich.
Das nun wieder hoff ich so n i c h t. Sonst wäre die ARGO-Arbeit marginal, die aber der A n l a ß für das Dschungel-Unternehmen ist und zugleich insofern ihr Ergebnis, als sie auch Die Dschungel präsent hält.
In Ihrem letzten Satz droht ein ausgesprochen prekäres Problem. Das ihn sehr wahr macht.
Nein, nein, die Bedeutung des Weblogs für Argo sei unbestritten und eigentlich selbstverständlich. Aus meiner Sicht handelt es sich aber eher um eine „konventionelle“ Nutzung der Möglichkeiten eines Weglogs. – Wenn schon immer wieder auf den Mechanismus des Literaturbetriebes zurückgekommen werden muss, diesen illegitimen Usurpator unbekannten Rechts, darf auch erwähnt werden, dass er die Entstehung von Literatur als Betriebsgeheimnis nutzt und konsequenterweise vermarktet. Man geht also zu einer Lesung, um gleichsam dem Aufguss eines Pfingstwunders beizuwohnen. Das Wunder der Existenz eines Schriftstellers gibt es aber nicht. Es ist bloß schlecht bezahlte und großenteils entfremdete Arbeit. Es gibt aber das W u n d e r, dass gültige tragfähige Texte entstehen, die bewusst machen, was auch die Klügeren – oder Hysterischen – nur ahnen. Nietzsche würde heutzutage ein Weblog mit Tagebuch, Arbeitsjournal u.s.f. betereiben.
Nietzsche. Sie ahnen nicht, wie ich eben schlucken mußte. Gestern hat mir Eigner – er bezog sich auf meinen Begriff der anthropologischen Kehre – etwas Nietzscheanisches vorgeworfen und beigefügt: „Nicht zum ersten Mal hast Du das an Dir.“ Mit meinem Geburtsnamen im Genick ist das eine unbedingt ambivalente Bemerkung.
Als entfremdet erlebe ich meine Arbeit allerdings nicht, eher sogar – bei aller zeitweiligen… na ja, Quälerei – als privilegiert. D a f ü r hat man dann zu zahlen.
Vergessen Sie die Ambivalenz, man wird kämpfen müssen.
Ja. Aber Bloch unterschied sehr bewußt „Kampf“ und „Krieg“. Kämpfen weiche ich gerne nicht aus. Kriegen ungern.
(Und nochmal zur „Quälerei“: Ich meine es ganz ebenso, wie Tänzer, die ihren Tango beherrschen wollen, sich beim Training blutige Füße holen. Das gehört ganz einfach dazu und muß überhaupt nicht bedauert werden. Schon gar nicht ist es ein Grund zur Klage.)
Die „Süße“ der Quälerei soll nicht verleugnet werden. Meine Bemerkung richtete sich eher an die Außensicht auf den Schriftsteller. – Was Sie im Genick zu tragen haben, ist eine unfreiwillige Erbschaft, zu der wir a l l e Nachgeborenen uns zu bekennen haben. Erbschaften kann man (hatte gerade fehlerhaft „mann“ eingetippt) aber auch – ohne sie zu verleugnen – ausschlagen. Das wird Zukunft eröffnen. Und den Rücken frei machen.
Erbschaften, die man im Paß trägt. Sind anders. G a n z anders. Ich verstand das spätestens, als mein Vater starb (mit 60), dessen Taufschein u.a. Goebbels unterschrieben hat. Als mir der Ring vermacht wurde… das einzige, außer dem Namen, übrigens.
Ausschlagen läßt sich das nicht. Und dennoch läßt sich Zukunft eröffnen – allerdings braucht es Kraft und unbedingten Stolz, sich nicht beugen zu lassen. (Das Buch, das ich darüber schrieb, ist ja gegenwärtig leider verboten.)
‚Kämpfen weiche ich gerne nicht aus. Kriegen ungern.‘
wie ist das zu verstehen?
Kämpfen stell ich mich sehr gerne. Kriegen nicht.
oh, doppelte verneinung? das ist aber verdreht. wenn ich jetzt nicht völlig verstolpert bin…
„Gerne n i c h t ausweichen.“ Ist gleich „ungern ausweichen“.
sorry, aber ich hänge an ‚ungern nicht‘. weiß auch nicht wieso. vielleicht wegen dem gesplitteten ‚aus – weichen‘. damit wäre dann aber beides gleich. — nee, doch nicht!
ich gebe auf.