4.46 Uhr:
Nur schwer auf; liegt das daran, daß man, ist man früher zu Bett gegangen, behält aber die Zeit des Weckens bei, möglicherweise eine Tiefschlafphase trifft, so daß tatsächlich weniger Schlaf das Erwachen vereinfacht? So etwas ist mir schon öfter aufgefallen, ich muß das mal erkunden.
ARGO: Die weniger rauschhaften Zeiten brechen an. Beim Lesen und Überabeiten kann/darf ich keine Musik hören, sondern erst später wieder, werden die Fehler übertragen. Das mach ich bei diesem ersten Durchgang aber direkt am Bildschirm. Also jetzt einmal durch den einzeilig umgebrochenen Text mit sofortigen Revisionen; danach, für den zweiten Durchgang, den Text auf 1,5zeilig umformatieren, ausdrucken und abermals ganz lesen und korrigieren. Das ergibt dann die von mir so genannte Erste Fassung, die ich für die Bewerbung um Preis und Stipendium hinausschicken will nächste Woche. Diese „doppelte Buchführung“ hat sich immer als sinnvoll erwiesen, da am Bildschirm andere Fehler auffallen als auf dem Papier; manche seh ich dort nicht, manche nicht da; zusammen nähert sich das einer genauen Textversion, zumal später, wird das Buch erst einmal insgesamt stehen, mindestens noch eine Zweite und Dritte Fassung folgen.
Tagesplanung
5.05 Uhr:
ARGO.
10.30 Uhr:
DIE DSCHUNGEL.
Bettelbriefe ff., insgeamt: Post.
Newsletter hinausschicken.
12 Uhr:
Mittagsschlaf.
13 Uhr:
MF-Artikel lesen.
DIE DSCHUNGEL.
16 Uhr:
Kinderzeit. Und Wohnungswechsel.
ab ca. 21 Uhr:
DIE DSCHUNGEL.
MF-Artikel.
Oder Treffen mit dem Freund in der Bar. Wäre dringend wegen der juristischen Dinge.
11.12 Uhr:
Bis eben an der ersten Revision ARGO (R1), nämlich bis S. 28 gekommen. Der Anfang ist noch etwas zäh; nicht “Nullgrund”, aber das Eingangskapitel von “Skamander”. Da muß gekürzt werden. Was besonders aufhält, ist der Einbau von Fährten, die aufs Spätere verweisen, ohne es doch schon zu verraten; ein paar Stränge hängen auch lose heraus und müssen vorsichtig gekappt werden. Es gibt eine Reihe fehlerhafter oder doch zumindest mißdeutiger Angaben. Und die Formulierungen fallen gegen die Kraft von “Nullgrund” sehr ab. Endgültig entscheidet sich das aber erst auf dem Papier. Mir ist bei einer solchen ersten Sichtung nie ganz klar, inwieweit ich nicht einfach nur zu nahe daranbin.
15.02 Uhr:
Wie die Zeit wieder rast; wollte noch zu SM und Innigkeit schreiben, aber muß ja auch mal duschen. Essen fiel aus, weil die Suppe gekippt ist. Wurscht. Guter Einwand von Spalanzani, mir eigentlich nah, aber problematisch. Das Narrative als das Sinngebende. Zu musikfern, zu semantisch, zu sehr an die Norm einer bestimmenden Kultur gebunden. Das ist so in der Globalisierung nicht haltbar. Wenn man denn von machtausübender (militärischer oder wirtschaftlicher) Macht Abstand nehmen will.
(Ich merke gerade, daß sich ins Tagebuch zunehmend Überlegungen einschleichen, die nach draußen gehören, weil sie kommentierbar sein müßten. Öffne ich das Tagebuch aber, kann ich mit Kommentaren wie “Igitt, der geht zum Analytiker” rechnen. Oder es gibt mir wieder jemand Erziehungstips meines Jungen wegen. Zwickig, das.)
21.22 Uhr:
[Tschaikowski, 3. Sinfonie; Internet-Dänen-Radio. (Fast ware es ein Tag völlig ohne Musik geworden.)]
N o c h zwei dieser Bettelbriefe verfaßt. Dann zur Kita. Dort ein überhaupt nicht greifbarer Schock: Die Erzieherin will mir meinen Sohn nicht mitgeben. “Das darf nur die Mutter”, sagt sie. Ich: “Was?!” Das habe ihr gestern die Gruppenleiterin gesagt. Ich bin sprachlos, fast wütend, werde scharf: “Hören Sie mal! Ich hab genau so Sorgerecht wie die Mutter!” Sie wirkt eingeschüchtert, setzt vorsichtig nach: “Ich wiederhole doch nur, was mir gesagt worden ist.” Dann fängt sie zu begreifen an: “Ach, Sie sind der Vater?” “Selbstverständlich.” “Oh verzeihen Sie… aber gestern… da war die Mutter mit einem Mann da, und… also nein… eine solche Ähnlichkeit! Er sieht genau so aus wie Sie.” Dabei hat mich die Erzieherin schon oft gesehen, wir sind einander nicht unbekannt.
Momentlang betäubt mich der Schmerz. “Er sieht genau so aus wie Sie.”- An der Ähnlichkeit verzweifeln. Wen, also, liebt diese Frau? Wir suchen beide dasselbe: das Gleiche. Und ziemlich benommen, wie verwundet, zieh ich mit meinem kleinen Jungen ab.
Der Prozeß um das verbotene Buch wurde, erfahre ich dann, in der ersten Instanz abermals verloren. Wir haben das so erwartet, es wird auf den BGH ankommen. Dennoch ist in mir eine furchtbar hilflose Wut. Und die Berufung geht erst mal ans Kammergericht. Sollte der Roman schließlich freikommen, in zweidrei Jahren, wird er restlos vergessen sein. Ich mache mich mal drauf gefaßt, daß auch gegen ARGO vorgegangen werden wird. Ein Wunder, daß Die Dschungel noch nicht Ziel eines juristischen Angriffs waren.
21.54 Uhr:
Ganz vergessen: Anruf des tisch7-Verlages. “Die Niedertracht der Musik” ist fertig und geht in einzwei Vorabexemplaren heute noch an mich raus. Vor ein paar Jahren wäre ich vor Erwartung an die Decke gehüpft. Jetzt bin ich fast teilnahmslos und denk mir: Mal sehen. Obwohl ich mich s c h o n freuen würde, hielte ich den Erzählband morgen in der Hand. Aber diese Freude hat etwas Schales. Freudlose Freude, wenn es das gibt. Man denkt ja sofort an einen Handke-Titel dabei.
NACHTRAG.
A u c h noch vergessen. Jetzt ist endlich der ersehnte Auftrag vom Deutschlandfunk gekommen: Eine Arbeit über die Villa San Michele auf (Ana)Capri. Und über Munthe. Das Dumme ist jetzt nur, daß ich ja für die O-Töne hinreisen müßte, aber nicht das Geld habe, um Flugtickett und vor allem die Unterkunft zu bezahlen. Auch da muß ich mir etwas einfallen lassen.
Arbeitsfortschritt:
ARGO (R1): Bis TS 28 (inkl. Kapitel 3).