Nirgendwo findet die Seele der Neuen Musik so zu sich.

Wie dort, wo sie der Musiker s u c h t: in den Proben. Denn die musikalische Probe ist immer auch Schöpfung. Dort e n t s t e h t, was das Konzert dann bloß noch vorführt. In “klassischer”, d.h. auf tonale Übereinkünfte bezogener Musik, täuscht das Melos den Hörer darüber hinweg; denn er hört, was zu hören er erwartet… und deshalb nie oder selten, was t a t s ä c h l i c h vorgeführt wird. Die erfüllte Erwartung aber entspricht der Identifikation des Lesers mit dem Helden eines Buches, mit dem, was ‘der Leser’ sucht und erwartet. Das eben wird von Neuer Musik enttäuscht; hier will nur s i e gehört werden. Da aber alle emphatische Erkenntnis auch anagnorisis, ein Wieder-Erkennen, ist, stellt in der Neuen Musik erst die Probenwirklichkeit dem Hörer die Möglichkeit einer musikalischen Erkenntnis an das Ohr. Es sei denn, er ist mit Neuer Musik längst so vertraut, daß er auf den ihr eigenen Idiomen ganz unbewußt schon s u r f e n kann.

[Poetologie, musikalisch.]

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