5.05 Uhr:
[Birtwistle, Theseus Game.]
“Versehentlich” auf, vom Unbewußten, das sich mit dem Funkwecker verbündet hat, überlistet. Denn dieser zeigt störrisch 2.06 Uhr an. Ich erwachte von einem hochsymbolischen Traum, der aber zu schnell zerstob, um ihn erkenntnisgewinnend aufzeichnen zu können. Ich sehe aber noch die Frau in dem dunklen Kapuzenmantel von ihrem Klavier aufstehen, sie hat mitten in einem Stück unterbrochen. Ich sehe ‘Klavier’ (einen Flügel), ich sage ‘Klavier’, m e i n e aber ‘Cello’. “Das ist eine ejaculatio praexox,” rufe ich, “wenn Sie das Stück mittendrin abbrechen lassen!” Sie vollführt eine bedauernde, doch auch spöttiche Geste mit den leicht erhobenen Handflächen. Da wird mir (im Wachen, aus dem heraus ich den Traum, während ich schlafe, beobachte) bewußt, daß ich mit der Frau etwas anfangen wollte, ja allezeit schon um sie buhle, – etwas, das sie als für mich unerreichbar, indessen amüsiert zur Kenntnis nimmt. Sie hat jetzt tatsächlich ein Cello bei sich, soll noch anderswohin für ein Konzert; aber “Also um Viertel vor elf in der Lützowbar” sagt sie zu mir, nickt mir zu, ich wache auf. Da zeigt der Wecker noch 1.50 Uhr. Ich muß auf Toilette, bin irritiert, bereits so wach zu sein, schau in der Küche auf meine Armbanduhr, da ist es zehn vor fünf. “Dann kann ich auch g l e i c h aufbleiben, um an dem Vortrag zu schreiben”, denke ich. Das werd ich nach dieser DTs-Notiz dann eben auch tun.
Tagesplanung.
5.20 Uhr:
Vortrag Uni BS ff
8 Uhr:
Frühstück mit dem Kleinen.
bis 11 Uhr:
Vortrag ff.
12.30 Uhr:
Essen. Mittagsschlaf.
14.30 Uhr:
Kinderzeit.
17 Uhr:
Der Junge wird zur Mama gebracht. Aufbruch nach Hamburg wegen der Lesung morgen.
Während der Zugfahrt: Vortrag ff.
19.30 Uhr:
HH Ankunft; Treffen mit Sukov.
Fest.
5.19 Uhr:
Mir fällt noch etwas aus dem Traum ein: Bevor ich der dunklen Cellopianistin lauschte, versuchte ich stundenlang, eine Formatierung gegen meinen starrsinnigen Laptop durchzusetzen. Dauernd schmuggelte der verborgene Steuerzeichen ein, die dazu führten, daß z.B. keine Zentrierung des Textes mehr möglich war.
NACHTRAG (8.5., Hasenkrug)
[Rihm, Jagden und Formen.]
Arbeit im ICE.
Die Nacht.
Auf der Hochzeitsfeier eines offenbar in der Hamburger Szene hochbekannten D/s-Paares, auf dem ausgebauten, weiß getünchten Dachboden eines Mietshauses im Schanzenviertel. Man steht anfangs ein wenig unschlüssig herum, jedenfalls mein dort ebenfalls eingeladener Gastgeber und seine Partnerin mit mir, der ich ja nun niemanden kenne. Versuche, Blicke aufzunehmen, Blicke zu fangen. Ein paar Frauen brustfrei, eine davon mit den tiefen schweren Glocken Frida Kahlos, ich brauche einige Zeit herauszubekommen, an welches Bild der Anblick mich so erinnert. Ich gehe zu der Frau hin. “Ich habe diese Brüste schon einmal gesehen”, sage ich und weiß im selben Moment, daß dies ein Satz in einer Erzählung sein wird, vielleicht in der Elisabeth Schneider, vielleicht bei Melusine Walser. “Auf einem Gemälde Frida Kahlos”, sage ich. Doch sie, diese Frau also, weiß mit meinem Kompliment wenig anzufangen; vielleicht irritiert sie auch meine Art, denn später in der Nacht schlägt sie klatschend auf ihren fast nackten Partner ein, der vor ihr auf einer Art Liege ausgestreckt ist, einmal sogar über ihren Oberschenkeln liegt. Wenige Frauen, die mir sofort gefallen, drei oder vier. Einige präsentieren sich unvorteilhaft, als fehlte ihnen Körpergefühl; das ist für Frauen ungewöhnlich ist, passiert sonst eher Männern. Vielleicht kommt es ihnen und ihren Partnern auch nicht darauf an. In mir bewirkt so etwas aber immer das erregungslose Gefühl ästhetischer Vergeblichkeit. So schaue und schaue ich auch herum, schließlich gibt es einen Blickkontakt mit einer blutjungen, sehr schönen Domina. Die an mich herantritt. Ich erinnerte sie, sagt sie, an einen ihrer beiden Subs, ich hätte diesen ironischen, aber auch naiven – “unwissenden” sagt sie – Blick. Im selben Moment ist mir klar, daß wir spielen werden, daß sie versuchen wird, mich zu unterwerfen. Einer ihrer beiden Diener, ebenso jung wie sie, nimmt ein Gespräch mit mir auf; hochsensibel hat auch er, was da in der Luft liegt, gewittert. Zwei, vielleicht drei Stunden später liegen wir, die Domina und ich, dann kurz aufeinander, ich auf ihr, sie hat mir für einen Kuß eine Ohrfeige verpaßt, ich habe zurückgeschlagen, knapp, präzis, schon küssen wir wieder. Sie will mich zu Fall bringen, auf den Rücken werfen, so liegt dann sie selbst, ich auf ihr, Unruhe um uns herum, ihr Diener kommt sozusagen wehend heran, “ist das in Ordnung? ist das alles in Ordnung?” “Jaja, geh nur wieder.” Erneuter Kuß, ein Halsbiß, das Mieder der jungen Dame verrutscht, man sieht den Ansatz der rechten Brustwarze, ich bewege die eine Hand dahin, während ich die Frau mit der anderen am Boden halte. “Trau dich!” warnt sie. “Hast du Vertrauen?” frage ich. Eine Sekunde des psychischen Kippens, dann lockert ihr Körper die ganze Spannung, ich muß ihn nicht mehr festhalten. Und lege ihre Brüste nicht frei, sondern berge die eine wieder ganz im Mieder. Einzwei Küsse dann noch, dann stehen wir auf, gewissermaßen grollend wie große Katzen, die sich lieben wollen, einander zugleich aber bedeuten: Geh ja nicht zu weit. Und über die fernere Nacht schleichen die beiden Tiere immer wieder aneinander heran, umeinander herum, legen mal einen Kopf auf die Schulter, mal kurz einen Arm um die Taille, küssen dann wieder flüchtig im Nacken, und heute früh, da es dies schreibt, spürt das Tigermännchen noch immer am Ohrrand den streichenden Zeigefinger des Weibchens.
Arbeitsfortschritt:
Das Artifizielle, Vortrag (ff). Momentan veränderter Arbeitstitel: “Das Artifizielle und die Demokratie”