DTs. 26. Mai 2005. (Donnerstag).

6.47 Uhr:
[Händel, Lotario.]

Bei G. übernachtet, dessen Vater gestern starb und der heute früh hinfliegt, um alles Nötige zu regeln. Sehr verhaltene, sehr stille Trauer, die gänzlich bei sich bleibt. Seine Freundin, er und ich essen eine Kleinigkeit, trinken zweidrei Bier und Wein; ich bleibe über Nacht. Um 5.30 Uhr aufgestanden, die beiden geweckt, Kaffee und Tee bereitet. Dann, während die Freundin den Freund zum Flughafen fährt, durch Viertels Berlin bei hellem, warmen Morgenlicht in die Arbeitswohnung zurückgeradelt. Auf der Brücke Warschauer Straße mit Blick nach links über Geleisanlagen, Baracken und weiter hinten auf den Fernsehturm den Eindruck, ich sei in Rom und schaute am Horizont die Sabiner Berge: Derart haben sich die Wolken zu gefalteten Tiefengebilden zusammengeschoben und leuchten in der frühen Sonne herüber.
Hier angekommen, den morgendlichen latte macchiato bereitet, um nun die DTs’ zu schreiben, bzw. nachzutragen und dann gleich an die anstehenden Projekte zu gehen, vor allem an “En suite” fürs Literaturhaus Köln. Ein sehr gutes Gefühl, so früh auf und bereits durch diese wunderschönherbe Stadt gefahren zu sein. Es soll endlich heiß werden.

Ich muß mir wegen ARGO etwas überlegen, vielleicht davon Abstand nehmen, daß die ANDERSWELT-Trilogie insgesamt in einem großen Verlag erscheint, der mich auch finanzieren kann. Möglicherweise werde ich mich nun d o c h für einen Kleinverlag entscheiden müssen, um die Publikation-an-sich sicherzustellen, und meine Ökonomie von etwas anderem füttern lassen. Noch keine Ahnung; wichtig aber ist, daß ANDERSWELT e r s c h e i n t, daß die Trilogie d a ist, egal, unter welchen Umständen und was es mich kostet. Man muß sich einfach klarmachen, daß gegen den mainstream zu schreiben ganz bestimmte Konsequenzen mit sich bringt. Wie sagte L. gestern Nacht?: “Man muß die Fähigkeit haben, sich anzupassen, dann kommt man durch. Ansonsten wird es schwierig.” Ich habe sie weder, noch auch w i l l ich sie haben. Ich will ja grad die Differenz. Und wenn ich, wie so häufig, sage (und meine): Intensiv zu leben bedeute, Risiko zu nehmen, so heißt das ja eben gerade n i c h t, daß man ein solches Risiko auch glücklich besteht; sonst eben wäre es keines.



Tagesplanung




7.30 Uhr:

En-suite-Projekt. Brainstorming fürs Konzept ff.

9.30 Uhr:

DIE DSCHUNGEL.
Die schöne Elisabeth Schneider (DSES) ff.

11 Uhr:

Analyse.

12.30 Uhr:

DSES ff.
DIE DSCHUNGEL.

16 Uhr:

Kinderzeit. Wohnungswechsel.

ab ca 21 Uhr:

En suite ff.
Vielleicht auch endlich Stone’s “Alexander”. Wg. Jolie.



“Alexander” von Oliver Stone als DVD gesehen. Abgesehen von der auch jenseits meiner (sentimentalen) Neigung beeindruckenden Jolie, ist der Film seltsam flächig und für jemanden wie Oliver Stone eigenartig unentschieden; lauter Motive hängen frei, werden angedeutet, dann offenbar vergessen oder halbherzig wieder aufgenommen. Das vorgeblich humanistische Motiv Alexanders, der letztlich kaum mehr als ein brutaler Schlächter ist wie jeder andere Feldherr, wird stets nur behauptet. Viel einleuchtender ist das naheliegende Motiv: Er habe seine Mutter geflohen, aus Ähnlichkeit, aus Begehren, Roxanne nennt er selbst einmal eine matte Stellvertreterin der Mutter. Hier hätte ich mir mehr Klarheit und Spekulationskraft gewünscht. Aber egal. Es bleiben Bilder wie der Einritt in Babylon (das Alexander, anders als Aristoteles wollte, das Zentrum der Welt b l e i b e n ließ; – a u c h ein lose bleibendes Motiv in dem Film).



Arbeitsfortschritt:
En-Suite-Projekt.
Die Planung wird jetzt deutlich. Was davon realisierbar ist, wird sich zeigen.

6 thoughts on “DTs. 26. Mai 2005. (Donnerstag).

  1. Magari Übrigens fiel mir noch eine Verbindung ein, die möglicherweise auch hilfreich sein könnte, nämlich zu dem Begriff „Futurismus“, wie er von Marinetti & Compagnons geprägt wurde. Natürlich wird der Begriff als solcher nicht brauchbar sein, aber m.E. verhandelt diese Literatur- und Theaterströmung einiges von dem, was auch für Ihre Intention interessant sein könnte. Gerade weil auch im Nachhinein sehr umstritten in seiner gesamten Anlage. Man sehe sich nur einmal das –> futuristische Manifest an. N’est-ce pas?

    1. Klasse! Sie haben völlig recht. Man muß nur – wie insgesamt bei ästhetizistischen Konzepten – vorsichtig wegen der faschistoiden Implikationen sein (die übrigens für den Zukunftspositivismus der seinerzeitigen Kommunisten ganz ebenso gelten). Also die politische Dimension muß mitreflektiert werden.

    2. Das meinte ich ja auch. Aber trotzdem hochinteressant, wenn man sich das heutigentags nochmals durchliest. Übrigens stieß ich auch auf den Begriff des „Berliner Futurismus“ via Döblin.

    3. „Berge, Meeren und Giganten“. Ich habe mich in THETIS. ANDERSWELT nicht von ungefähr darauf bezogen. Aber außer Ulrich Hohlbein, dem klugen, hat das kaum jemand bemerkt. Der wiederum warf mir ein Plagiat vor… ABER: ein Plagiat der Rhythmik. Was ja wirklich 1) etwas Neues und 2) eine I d e e ist, die den Ansatz mit der barocken Arbeitsweise etwa Händels verbindet, an der mir ausgesprochen viel gelegen ist.

    4. Nun ja. Diese Plagiatsvorwürfe verkennen im Grunde einen wesentlichen Grundzug der Entstehung von Literatur, der Bezugnahmen, „Verlinkungen“ usw. So schließen sich eben Kreise. Und eröffnen neue Runden.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .