Um halb neun hoch, schwer geträumt; eingeschlafen mit dieser Wut. Jetzt zweidrei Skizzen in Die Dschungel stellen und bis zum Frühstück (A. und mein Junge schlafen noch) an dem Zweiten Italienbrief meines Sohnes weiterschreiben. Ich hatte schon letztes Jahr aus seiner Sicht ein Reisetagebuch geschrieben und es seiner Mama weitergeleitet; dieses Jahr ist es direkt als ein langer Brief an sie gefaßt. Aber ich kam während der Reise kaum dazu, ihn auszuformulieren. Dabei hatte ich diesmal den Laptop dabei. Was a u c h wieder ein kleines Unglück mit sich brachte: der Bildschirm hat nun einen Defekt. Über das erste Drittel des Screens zieht sich von oben nach unten eine grüne Linie, die vor allem beim Betrachten von Bildern sehr stört. Arbeiten kann ich aber, jedenfalls mit word, weil die Linie auf weißem Untergrund kaum zu sehen ist.
Danach dann Krankenbesuch bei Katangas Jungen. Und spätnachmittags kommt Adrian wieder zur Mama, worauf er sich rasend freut. Mich macht das etwas unruhig, weil möglicherweise die Übergabe durch den Babysitter nicht klappt und es also zu einer erneuten Begegnung zwischen ihr und mir kommen kann. Das würde ich dann wieder mit einzwei Tagen Trauer bezahlen müssen, weswegen ich mir wahrscheinlich Videos besorgte, um mich abzulenken. Zudem reist A. heute wieder nach Hamburg zurück, so daß mein inneres Alleinsein wieder beginnt. Jedenfalls bis der Kleine am Donnerstag erneut zu mir zurückkommt. Andererseits kämpfe ich ja ohnedies mit mir, Adrians Einschulung in zwei Wochen tatsächlich mit der Mama zusammen zu begehen; da kommt es imgrunde auf die frühere Begegnung nicht an. Den Schmerz wird es geben, so oder so.
Finanziell stehen wieder Kampfzeit und allerlei Tricksereien an. Dazu dann versuchen, ARGO aufzunehmen. Und die O-Töne aus San Michele protokollieren. Danach an das Typoskript des Hörstücks. Falls ich es schaffe, das Ding in zwei Wochen fertigzuschreiben, könnte ich es mir vom Funk vorbezahlen lassen. Dann wären ökonomisch der August und der September gesichert.
Anruf von Bettina Twrsnick gestern, der Leiterin der Phantastischen Bibliothek in Wetzlar: Ob ich auf Fantastik-Tagen in Hermannstadt 2007 einen Vortrag halten würde? Ich sage sofort zu. Sie „400 Euro?“ Ich: „500.“ Ist nicht viel, aber so werde ich dann einmal nach Rumänien kommen. Immerhin.
15.56 Uhr:
Leichter Bauchschmerz und Magendrücken wegen der Begegnung in einer Stunde. Auch Angst.
Bis etwa halb drei bei Katangas Jungen im Krankenhaus gewesen.
A. fährt in einer halben Stunde. Leider. Und doch wird es besser sein heute abend allein; bei dem inneren Zustand, den ich erwarte.
Versuchen, sich ein Lächeln auf das Gesicht zu geben, schon des Jungen wegen. Und danach Videos holen und den Kopf vollknallen. Vielleicht auch arbeiten. Mal sehen. Geschenke für die Mama zusammengestellt, die der Junge ihr mitbringt: einen Stein vom Vesuv, Espresso aus Neapel und in Umbrien selbstgemachte Feigen-Marmelade.
19.17 Uhr:
Mit Blick in ihre Augen: “Du weinst nicht, und ich weine nicht… okay?”
Sie mit Blick auf den strahlenden Jungen: “Wer wird denn weinen? Wir sind doch keine Heulsusen.”
Immer im Treppenhaus, die Haustür steht offen, sein Fahrrad lehnt draußen an der Wand. Nach einiger Zeit sie: “Nun hau schon ab. Ich bin jetzt etwas sprachlos.”
Gut, daß Katanga und Jaschas Mutter in der Schönhauser waren, wo noch das Kinderzimmer aufgeräumt werden mußte. (A u c h eine Art der Wiedersehensfreude gestern: alles auszupacken, was man hat und jeden Quadratzentimeter Boden damit zu bedecken.) Gut, daß es Italienbilder anzusehen gab. Gut, daß man gefaßt ist. Und daß man weiß.
0.59 Uhr:
Fast vier Stunden der Dritten Staffel von “24” gesehen, das eigene Drama gegen ein anderes tauschen, aber es ist nur ein Sechstel der Serie; also aufs Fahrrad und herumgefahren, wo bekomm ich die nächsten vier Stunden? Wie ein Junky von Ausgabestelle zu Ausgabestellte. Alles geschlossen. Und zurück. Und allein mit sich dasitzen müssen. Alles, was beherrscht war, vernünftig war, kultiviert war, fängt an zu gären in einem. Und das tut so weh. Dieses Gesicht wieder sehen, immer wieder sehen, nicht wegschauen können… weil diese beschissenen Videotheken geschlossen haben. Die Stimme hören. Die Blicke sehen. Den kleinen, momenthaft absolut glücklichen Jungen. Und das alles nach mehr als drei Jahren. Es ist nicht wahr, daß die Zeit alle Wunden heilt. Es ist purer, verlogener Kitsch in seiner völligen Quintessenz. Man spürt die Lüge dieses Satzes auf der Haut, nein: s o u s le peau, come l’amore, absolutely the same.