5.40 Uhr:
Um 5. 30 pünktlich auf, bereits einmal eines Traumes wegen um fünf hoch, in welchem meine Frau (!) und ich, die wir zu Gast bei jemandem waren, der im Haus der Präsidenten lebt, nicht nur einen Mord entdeckten, sondern auch etwas, das der Präsident getan hat – etwas offenbar so Geheimes und zu Verheimlichendes, daß ich es selbst jetzt, nach dem Aufwachen, nicht mehr weiß. Der Mörder im Haus des Präsidenten indes baut Autos und auch Fahrräder um, indem er sie um Zementteile ergänzt, teils das ganze Chassis neu gießt, irgendwelche phantastischen Gebilde in ihnen verschraubt usw. So auch einen Menschen, den er offenbar umgebracht. Ein anderer Freund zeigt uns das Opfer, das verkrümmt und verzementet irgendwo nahbei auf einer Abraumhalde liegt. Wir kehren von einer Feier ins Haus des Präsidenten zurück, morgens hab ich genau in der Mitte der Oberlippe einen Furunkel, der wie ein Saugnapf aussieht. Wir haben geschlafen, aber ich weiß, wir müssen hier ganz schnell weg. In Panik suchen wir unsere Sachen zusammen, ich finde meinen Koffer nicht, hab auch keine Ahnung mehr, wo unser Auto steht. Draußen seh ich durchs Fenster etwa 500 Meter entfernt unseren Freund – den Mörder im Haus des Präsidenten – eine ganze Kohorte Polizisten rufen. Die kommen zusammen. Sie tragen französische Uniformen, so daß ich jetzt, im Wachen am Schreibtisch, annehme, es handle sich um das Pontarlier aus ANDERSWELT, worin meine traumerfundene Frau und ich gelandet sind. Der Präsident selbst wird also Ungefugger sein. Egal. Das Telefon klingelt, ich gehe nicht ran, meine Frau geht auch nicht ran. Es klopft, man bittet uns zum Frühstück. Da sitzen wir denn, mit einer halbwüchsigen Tochter des Präsidenten (ja, Ungefugger) und mit einer sehr alten Frau, seiner Mutter vielleicht (nein, doch nicht Ungefugger). Wir stochern in unseren Joghurts und erwarten, daß die Polizei eintrifft, um uns zu verhaften.
Da klingelt der Wecker.
Gleich hoch, den latte macchiato bereitet und an den Schreibtisch.
Tagesplanung.
6 – 9 Uhr:
ARGO.
9 – 12 Uhr:
DAS WUNDER VON SAN MICHELE.
12 – 15 Uhr:
DIE DSCHUNGEL.
DSCHUNGELBUCH.
15 – 16 Uhr:
Schlafen.
ab 16 Uhr:
offen.
10.08 Uhr :
Schöne Arbeitsmusik für SAN MICHELE im Kopfhörer: Othmar Schoeck, Massimilla Doni. „Ich l i e b e die Massimilla Doni!“ ruft der Klavierhocker im WOLPERTINGER einmal aus. Daran mußte ich denken, als ich, nach Abschluß der ARGO-Morgenarbeit, die fürs Umschalten nötige Inspirationsmusik wählte.
0.56 Uhr:
In die Bar geradelt nach einem Mailwechsel mit EvL und einer anderen Frau, die mir nah ist. Diskussionen über Körperkult und Bullenhaftigkeit, über Schönheitsliebe und Machismo. Und über den Literaturbetrieb. Über Krieg und Entsetzen. Über einen indiskreten Fehler, den ich in der Rage begangen habe. Schließlich nun in der Bar mit G., dem Freund, lange diskutiert. Über Die Dschungel, vornehmlich das Tagebuch, und über die heftigen, rigiden Abwehrmechanismen des Literaturbetriebs – sowohl was meine Person im allgemeinen wie Die Dschungel im besonderen anbelangt. Versucht, ihm die a u c h literaturstrategische Funktion zu erklären, die dieses Weblog hat. Er versteht sie, denke ich, aber er hat Angst um mich. Die hab ich auch.
Eines wird immer deutlicher. Ich habe als sehr junger Mann offenbar versucht, im Literaturbetrieb die, symbolisch gesprochen, gute Mutter zu finden, die ich im Leben nicht hatte. Ein Unternehmen, das eigentlich fast zwangsläufig schiefgehen muß, da es dem Betrieb ganz ebenso darauf ankommt, daß das Kind ein braves und nicht ein besonders begabtes, aber schwieriges ist. Es hatte also, so betrachtet, gar keinen Sinn, immer besser werden zu wollen in meiner Arbeit, um die ersehnte Anerkennung zu finden. „Da arbeiten Menschen“, so immer wieder mein Analytiker, „die reagieren doch genauso wie Menschen in irgend einem anderen Unternehmen, egal ob Schuhfabrik oder Max-Planck-Institut.“ Tatsächlich ist es wohl so, daß ich wie für eine Religion ihre Kirche den Betrieb für die Kunst nahm und eigentlich immer noch nehme. Das Problem stellt sich n u n. Denn es gibt eigentlich, da ich das jetzt so begreife, kein Zurück mehr. Zu festgefahren sind die Positionen, zu groß wären die Verluste auf allen Seiten. Das ist in seiner Dimension höchst ambivalent. Denn einerseits peitscht es die weitere Perfektionierung meines ästhetischen Ansatzes an, ja zwingt mich dazu, alles auszuführen – und eigentlich nur so entsteht große Kunst- , andererseits ist das persönliche (soziale, ökonomische, psychische) Scheitern in ihr vorprogrammiert. „Nicht kompatibel“ würde man für eine software sagen.
Ich kann, außer der poetischen und poetologischen Arbeit, nichts anderes mehr tun, als den Prozeß zu protokollieren. Und mich damit abzufinden, daß mein Werk zu meinen Lebzeiten wahrscheinlich keinen adäquaten Verlag mehr finden wird; jedenfalls nicht in Europa und wahrscheinlich auch anderswo nicht. Auch darüber sprach ich mit G.: Kulturelle und moralische Differenzen, die etwas wie ANDERSWELT in anderen Kulturen verhindern.
Arbeitsfortschritt :
ARGO, Teil II, TS 200-227 nachgelesen und durchkorrigiert; drittel Seite neu: bis TS 241.
SAN MICHELE, bis TS S.5 (inkl. Zitaten)
DSCHUNGELBUCH, Tranche II, bis TS 52 hinüberkopiert.