5.38 Uhr:
[Bruckner, Achte.]
Viel zu viel getrunken gestern nacht; dafür gibt es allerlei Entschuldigungsgründe, die ich aber weder akzeptieren noch nennen will. Fakt bleibt: Ich kam deshalb vorhin nicht pünktlich aus dem Bett, sondern sitze erst jetzt, eine ziemlich genaue Stunde später, am Schreibtisch, den latte macchiato neben mir, die Kopfhörer auf und gegen ARGO geneigt… wobei ich mir noch ein wenig Sorgen um Felix mache, einen der beiden Rattenböckchen. Er rückte gestern nämlich noch aus, frühabends, als ich die beiden auf mir und dem Schreibtisch herumlaufen ließ, wollte von der Scheibtischkante auf mich drauf springen, verzielte sich aber und landete auf dem Boden, wo er sofort das nächstbeste Versteck aufsuchte und sich dann lange nicht mehr sehen ließe. Ich mußte ihn suchen, fand ihn unterm Schreibtisch, wollte ihn einfangen, fing ihn auch, aber griff ihn wohl falsch… jedenfalls benahm er sich von da an wie verwundet, bewegte sich kaum noch, obwohl er unterdessen der agilere von beiden ist, jedenfalls war. Immer wieder schaute ich über den Abend nach ihm, ganz spät nachts kam er dann aus seinem Häuschen, um zu trinken, aber war in allem wie bewegungsbehindert. Ich mag ihn jetzt nicht wecken und nachsehen, sondern will noch etwas warten. Ich hoff nur, ich hab ihm nichts getan.
9.39 Uhr:
[Schoeck, Notturno.]
Entwarnung wegen Felix: Er flitzt wieder herum wie vorher auch, ist ebenso zutraulich und hat ein Stückchen Ei gefuttert. Das Nacktmullchen Jonathan auch. Offenbar war Felix einfach nur schockiert. Was ein Sensibelchen! Und zwei Seiten ARGO bereits ‚im Kasten’, ich muß jetzt die Drehung ins Ende dieses Dritten Romanteils finden; dann kann der Vierte beginnen und sich wie ein Deckel auf die Trilogie schmiegen, die der Fünfte Teil, dann wieder aufreißen und ins Endlose verströmen lassen soll: ins Unverständliche:: ich würde gern die Sprachentwicklung rückwärts beschreiten und mit lautsprachlich notierten Geräuschen enden… jegliche Individuation aufgehoben und zerstreut die Aschepartikel im Sprachraum…
14.44 Uhr:
[Ligeti, Melodien.]
Mir ist die Konnotation >>>> d i e s e r Idee durchaus bewußt,was sie alles berührt, woher sie speziell in meinem Fall stammt. Dennoch wird es – oder gerade deshalb – eine sehr schöne Erzählung ergeben. Ich will sie nach der ersten Durchsicht der zweiten DSCHUNGELBUCH-Tranche schreiben und zwischen deren Entwurf und Fertigstellung schieben. Morgens bleibe ich an ARGO, selbstverständlich, bis dieser Dritte Teil „Jason der Stromer“ in der Rohfassung abgeschlossen ist.
Bin gelaufen, hab meine Gewichte geschwungen und eine Stunde geschlafen, trinke den Mittags-Espresso, und die beiden Rattenböckchen laufen auf mir herum. Ich hab mir extra einen alten sehr weichen Hausmantel angezogen, den mir Do geschenkt hat, damals in meiner Sherlock-Holmes-Zeit. Jedenfalls machen mir die Viecherl allmählich mehr Freude als, fürchte ich, meinem Jungen. Will eben noch die dritte ARGO-Seite von heute abschließen; dann muß ich unterbrechen, weil ich die Ausweis-Card eines verwaisten Kontos bei der Deutschen Bank gefunden habe, das zwar ganz gewiß leer ist, aber über das ich die Mieten, Telefon usw. abwickeln kann, bis auf meinem ‚eigentlichen‘ Konto wieder was drauf ist. Dschungelleser wollen etwas Geld schicken, nicht viel, nein, aber es reicht, um die dringendsten Löcher zu stopfen und das Literarische Weblog ungefährdet zu lassen. Es muß dafür aber ein Konto geben, das kleine Überweisungen nicht sofort schluckt. Allerdings geht es insgesamt nicht um sehr viel, aber bei einem Monatseingang von jetzt zweimal hintereinander Null sind auch 1000 Euro bereits, fehlen sie, existenzbedrohend. Imgrunde müßte jemand einen Scheck auf die Zukunft ziehen und mir gegen potentielle Tantiemen meiner Werke einen Kredit gewähren. Das wär mal eine gute Form der Spekulation, die in den Bildenden Künsten, übrigens, nicht unüblich ist.
0.20 Uhr:
Das war ein spannender Abend in der Oper. Dazu, was ich noch nie erlebt habe, eine technische Lichtpanne, die eine zusätzliche 20-Minuten-Pause erzwang. „Die Lindenoper muß saniert werden“, entschuldigte man sich, „wir können es nur noch und noch wiederholen.“ Interessanterweise paßte der Vorfall zur Inszenierung, momentlang spielte ich auch mit dem Gedanken an Absicht.
Eben tatsächlich noch die Kritik skizziert, zweidrei Emails beantwortet, und gleich geht’s ins Bett. Dann bekomme ich immerhin vier Stunden Schlaf. Morgen ist mein Junge bereits früher bei mir, das muß von der Arbeitszeit abgerechnet werden. Buona notte, insieme!
ja da sollte man nichts trinkem
Sensibelchen Die Ratten meiner Tochter reagieren nach einem Schreck genauso. Sie erholen sich am besten durch geschützten Körperkontakt mit dem Menschen, z.B.auf der Schulter unter dem Kragen oder in der Jackentasche.
Das ist ein sehr hilfreicher und beruhigender Hinweis. Danke sehr. (Das Böckchen hat genau diesen Kontakt auch gesucht.)
alkohol Warum der Griff zum Alkohol in solchen Situationen?
Was meinen Sie mit „in solchen Situationen“? Außerdem war es kein „Griff zum Alkohol“, sondern ich hab beim Abend-Arbeiten eine Flasche Wein geleert. Da mein Alkoholkonsum, seit ich wieder Sport mache, rapide rückläufig ist, w i r k t der Alkohol aber wieder. Darauf bin ich noch nicht so ganz wieder eingestellt.
Schwierigen In schwierigen. Situationen. Warum da verstärkter Alkohol(genuss ?)? Brint er Entspannung? Warum überhaupt? Ich verstehe die Logik nicht.
Da waltete keine Logik. Da waltete einfach die Lust am Genuß. Und gemessen an dem, was ich noch vor anderthalb Monaten trank, war es wirklich eher wenig. Ich fahre die Genußgifte ja grade zurück. Ab 15. dieses Monats gilt bei mir eh ein zweimonatiger Ramadan.
Ramadan? Tagsüber nichts essen und das bei Ihrem Arbeitsrhythmus?
Ramadan. Ich nenn’s nur so. Jedes Jahr schiebe ich einen Monat völliger Alkohollosigkeit ein; meist zwischen Juni und Juli. Dieses Jahr sollen es z w e i Monate sein, weil ich den Körper auch davon entgiften will, nachdem das Rauchen eingestellt ist. Wird diesmal hart, weil die Buchmesse mitten drinliegt, die sonst ein S e e von ‚geistigen‘ Getränken ist. Aber ich hab mich bewußt dafür entschieden.
Wegen des Essens ist das nicht problematisch; ich esse tagsüber eh kaum. Nur morgens gegen neun ein Brot und warm erst abends, wenn alle Arbeit getan ist. Mein Mittagsmüsli mit Joghurt werde ich selbstverständlich beibehalten, schon des Sports wegen.