4.41 Uhr:
Schönes langes Gespräch gestern mit Usha Reber, die ich vor wenigen Jahren auf einem Phantastik-Kongreß kennengelernt habe, die sich fürmeine Arbeit zu interessieren begann und jetzt gerade über den WOLPERTINGER und speziell Ovid und mich promoviert hat; was mich natürlich unmäßig stolz macht. (Ich weiß, auch d a s schreibt man nicht, weil man in dieser Gesellschaft solche und überhaupt Gefühl nicht zugibt, deren Gründe einen von anderen unterscheiden. Wir s i n d aber, liebe Leser, verschieden. Und wären wir es nicht, wir langweilten uns nicht nur entsetzlich, sondern wir verstünden auch nicht zu lieben: Es gäbe dann nämlich dafür keinen Grund.) Interessant dabei U.R.’s Erzählung, daß das Vorurteil gegenüber dem sog.Manierierten nicht etwa, wie ich immer glaubte, eine ästhetische Folge des Hitlerfaschismus ist, sondern viel früher einsetzte: bereits in der Aufklärung und etwas vorher mit der Proklamation des schönen Einfachen. Es wäre dann dieses ein tabuisierter Fetisch der selbstreferentiellen Mythologie, zu der die Aufklärung geworden ist, weil kein Draußen mehr sein durfte, sondern alles i m System verstanden können werden mußte. Es gibt dafür, fällt mir gerade ein, ein schönes Horkheimer/Adorno-Zitat im Programmbuch der Staatsoper zu Verdis Forza; ich trage das später hier nach, denn ich sitze ja jetzt in der Kinderwohnung, das Programmbuch aber liegt auf dem DunckerSchreibtisch.
So war es dann wieder etwas viel Wein insgesamt und wurd für mich halb eins, bevor ich ins Bett kam; ich habe jetzt dicke Augen, und es war ein kleiner Kampf, beim Weckerklingeln um halb vier aufzustehen und nicht etwa noch eine Stunde liegenzubleiben, um auszuschlafen. Aber vielleicht leg ich mich, je nach Arbeitsstand, um acht noch mal hin. Um zehn vor zehn muß der Junge bei seinem sog. Judo-Camp sein, das die Tage der ersten Woche dieser ersten Herbstferien seines Lebens füllt.
6.17 Uhr:
[Telemann im Dänen-NetzRadio: OboenKonzert.]
Jetzt mußte ich d o ch noch eine Stunde schlafen, es ging wirklich nicht anders. Dabei einen Traum geträumt, der zu >>>> diesem Satz führte, dessen letztes Wort ein blau unterlegter Link war, dem ich aber nicht folgte. Insgesamt las ich während des Traumes in ARGO mir unbekannte Kapitel. Ja, ich las: Ich sah die S e i t e n und blätterte sie eine nach der anderen, in meiner Formatierung, um.
[Prokofjeff, Sechste Klaviersonate. Dänen-NetzRadio.]
8.17 Uhr:
Knapp zwei Seiten ARGO; es läuft wie geschmiert. Und eben noch mal zu Ovid: Nicht nur das Gestaltenwandlerische der Figuren verbindet uns, sondern auch er war verboten. Auch er wegen u.a. Schriften sexuellen Inhalts. Und wie er, hätte ich nicht mein Kind, würde ich ins Ausland gehen: in meinem Fall in eine Art Selbstverbannung, wie Eigner nach Italien, so ich vielleicht nach Indien oder Südamerika, irgendwohin in ein am besten tropisches DrittweltLand. Das sind so Gedankenspiele, die mich umtreiben, wenn ich an meine ökonomische Misere denke. Und daran, Abstand zu meiner Liebe zu bekommen. Man vergißt ja nicht in der Nähe.
21.56 Uhr:
Arbeitstechnisch ein guter Tag: Fünf roh-Typoskript ARGO ist nun wirklich eine Menge Holz; ich hab sogar nachmittags auf dem Spielplatz gearbeitet, mit dem akkubetriebenen Laptop. Aber ich bin jetzt auch wie durchgewürgt und werd wohl mal etwas früher zu Bett gehen. Wobei mich wahrscheinlich beschwert, daß *** morgen ihren 30. Geburtstag hat; ich werde ihr den Kleinen morgens sowas nach zehn bringen und für sie eine Rose kaufen, danach mich aus dem Staub machen und mir die Trauer auf der Tartanbahn aus dem Leib laufen, bevor ich dann in die Arbeitswohnung wechsele; der Kleine bleibt ja nun dieses Wochenende bei ihr, die Familienbesuch hat. Keine leichten zwei nächsten Tage jedenfalls für mich, na sowieso nicht. Und wieder dieser Gedanke: Ein Mann liebt sein Kind, so lange er die Frau liebt; Liebe meint hier Intensität. Liebt er die Frau nicht mehr und zeugt gar mit einer anderen Frau ein neues Kind, wird die Liebe zu dem ersten langsam erlöschen (nicht die Verantwortung, das ist selbstverständlich). Je länger ich über diesen Zusammenhang nachgesonnen habe, desto nachdrücklicher gewiß ist er mir. Er unterscheidet Mütter von Vätern, also Frauen von Männern, und zwar prinzipiell. Wahrscheinlich ist darüber nicht einmal eine Verständigung möglich. Für den Mann bleibt das Kind – solange es Kind i s t – immer mit der Frau verbunden, die es von diesem Mann empfing; und nur, was er ihr zufühlt, empfindet er auch für das Kind. (Ist es erwachsen oder wenigstens jugendlich geworden, mag sich das ändern, da dann Freundschaft in Spiel und Möglichkeit kommt.)
Ich werd jetzt noch ein paar Zeilen an der zweiten Tranche des DSCHUNGELBUCH basteln; dann ist es für heute genug.
„Ich weiß, auch d a s schreibt man nicht…“ Es zeugt eher von geistiger Gesundheit, wenn „man“ schreiben und sagen kann, daß man stolz auf seine Leistung ist und das andere sie zur Kenntnis nehmen, oder sogar mehr als das im Falle der Promotion. Wenn Sie nicht darauf stolz sein können/dürfen (es nicht wären), daß ihre Arbeit auch andere Menschen z. B. „voranbringt“, worauf dann? Das ist doch ihre Arbeit. Und das ist ihr Beitrag an die Gesellschaft. Das ist doch das, was ihr Leben lebenswert auch macht. Und letztlich ist es Lob und Anerkennung auf dieser Ebene. Wenn Sie darauf nicht stolz wären, wären Sie ein emotionaler Krüppel.
Und wenn Sie es nebenbei erwähnten , ohne den Stolz dazu: Dann wären Sie ein arrogantes Arschloch, was es nicht wahr nimmt, daß es Menschen gibt, die Sie durch ihre Arbeit beeinflussen/anregen/anstoßen etc.
Liebe Grüße, diesmal konnte ich den Mund nicht halten, lächelt.
klasse!