Meinen Gegnern.

Ihr Scheitern wird darin bestehen, daß noch meines und das meines Werkes große Literatur schreibt.

29 thoughts on “Meinen Gegnern.

    1. Auf deutsch, dialogisch. June: sie führen mich jetzt nicht auf’s glatteis. sie kokettieren mit dem neid, den vorurteilen anderer. irgendwie BRAUCHEN sie das, weil das wieder wut erzeugt, die sie antreibt. ohne ihre wut, alban, könnten sie nicht leben.
      ANH: Das mit dem Neid verstehe ich nicht.Mit den Vorurteilen alldings sehr wohl.
      June: und wie sagte der profi? ihnen sind feinde lieber, die haben sie im griff, die können sie klar zuordnen (ich mag die stelle jetzt nicht suchen, die war einfach toll).
      ANH: Also ferromontes Kommentar v e r s t e h ich nicht. Was ich schrieb, ist doch deutlich.
      June: ohne hintergründe wirkt das wie ein „friss oder stirb“ für jeden, der auch nur im hauch das gefühl hat, er hätte sie in letzter zeit kritisiert.
      ANH: Wissen Sie, wenn Mercedes Benz ein gutes Auto gebaut hat, dann darf Mercedes Benz das auch sagen. Hat ein Dichter ein gutes Buch geschrieben, dann nicht. Mit welchem Recht? Er m u ß es ja sagen, wenn er nicht vergessen werden will… also sofern man ihn vergessen m a c h e n will.
      June: *laaacht* alban, im gegensatz zu den amerikanern sind wir eigentlich ein volk (und da nehme ich deutsche und österreicherInnen) zusammen, das von minderwertigkeitskomplexen gespeist wird. das ist so. das fängt schon da an, wo man bewerbungsschreiben liest. und da scheren sie aus. sie sagen ICH kann wirklich was. und ich WEISS das, ohne dadurch besonders finanziell honoriert zu werden (bzw. sich darauf berufen zu können) oder gut „zeugnisse“ zu hauf zu bekommen etc. sie haben die „frechheit“ sich hinzustellen und zu sagen: das, was ich mache ist GUT. das ist zu amerikanisch irgendwie.. Mom, tel.
      ANH: Also daß mir mal US-Amerikanismus vorgeworfen wird! Lacht. Ich bin A n t i – US-Amerikaner! Das will ich festgehalten wissen.

    2. warum nicht klartext sprechen, wenn das durchnittspublikum den geniecode nicht verstehen kann? ist das einem großen schriftsteller vor lauter größe nicht mehr möglich?
      und: wieder einmal verstehe ich in der form (einen messenger-dialog mit einer anderen person, für sie wahrscheinlich netzfrau), die sie für ihre „antwort“, auch eine botschaft. (nebenbei finde ich das kränkend, für mich. und bloß keine entschuldigung jetzt!)

    3. Aber lieber ferromonte. Es ist eine Frage der schönen Formulierung. Und hier war sie sowohl grammatisch als auch semantisch doch wirklich deutlich. Der W i t z ergibt sich aus der Formulierung, nie aus dem Klartext. Also ist mit der schönen Formulierung etwas weiteres gewonnen.

      (Wenn Sie die Formulierung nicht schön finden, nun ja, dann bleibt mir nur zu hoffen, andere finden sie schön. Oder halt nur ich allein.)

    4. @ferromonte. Kränkung. Die Dschungel versuchen sich an einer möglichst weiten Zahl von Formen, zu denen auch gehört, daß Kommentare anderweitig besprochen werden und, wenn sich daraus etwas erklärt, dieser Dialog zur literarischen Form wird. Es geht nicht um Persönliches, sondern um Erkenntnis & Literatur. Die Dschungel sind ein literarisches S p i e l. Wobei der Spielbegriff nicht den Ernst ausschließt, der dahinter steht. A l l e s hier ist Literatur – oder soll es doch werden. Das ist der Grundgedanke dieses literarischen Weblogs und betrifft auch mein Tagebuch. Es ist Literatur als Erscheinung, wohlgemerkt, es wird ästhetiziert, was das Zeug hält. (In diesem Sinn genau ist der oben eingestellte Aphorismus gemeint: „Ihr könnt mich totpfänden, aber ich weiche nicht. Nicht, bevor ich tatsächlich tot bin. Und ich beschreibe diesen Kampf. Dadurch wird er selber zu Literatur.“ Der Aphorismus besagt: Ich würde literarisch d a n n scheitern, kümmerte ich mich um einen bürgerlichen Broterwerb, um die Gläubiger zu befriedigen. Ich scheitere n i c h t, halte ich an meinem Unternehmen fest. Und, glauben Sie mir, ich bin existentiell extrem gefährdet. D a ß ich es bin und dennoch nicht weiche, ist eine Stärke meiner Dichtung.)
      Daß es auch eine andere Welt als die der Literatur gibt, ist davon völlig unbenommen und hat ein großes Recht. Aber auf der Erscheinungsebene schreiben wir hier, lieber ferromonte, gemeinsam an einem Roman. Die Schlüsse aus ihm zu ziehen, das ist eine Folgesache. (Daß wir alle, nehme ich an, daran interessiert sind, daß Welt besser wird, ist gar keine Frage. Das ist aber nicht Aufgabe einer Dichtung. Jedenfalls nicht der meinen. Mich interessiert herauszufinden, was ist, und mich dem möglichst zu nähern – dem Wunderbaren, dem Erfüllenden, aber auch dem Grauen. Dem Ungeheuren, dem Witz, der Burleske. Und eine Burleske i s t diese Diskussion übers Genie und die paradoxe Formulierung.)

      [Poetologie.]

    5. mit anderen worten: in der kommunikation mit ihnen darf man nie vergessen, daß sie 1) immer das letzte wort und auch recht haben, sogar was die empfindungen der anderen betrifft und 2) man immer gegenstand von literatur ist und wird, je nach ihrem willen, ihrer laune, ihrem momentanen kontext. und wer das nicht als gegeben nimmt oder aus irgendeinem grund nicht will, hat eben pech gehabt.

    6. Recht haben. 1) Das stimmt so nicht. Es gibt viele auch in den Kommentaren offengebliebene Artikel. Im übrigen wird hier argumentiert. Recht behält, wessen Argumente den Lesern einleuchten. Dabei geht es mir gar nicht ums recht bekommen, sondern um die Fluktuation der Gedanken, um ihren Prozeß.
      2) Ja. In Den Dschungeln, das wurde sehr sehr oft auch gesagt, w i r d jeder, der sich meldet, zu Literatur. Nicht persönlich, das wäre ja absurd, aber im Spiel der unter 1) skizzierten Bewegung. Mit Pech gehabt hat das nichts zu tun. Wenn ich ins Kino gehe, dann sehe ich einen Film und erwarte nicht ein großes Essen. Hier i s t der Leser im Kino.

    7. Bescheidenheit & „Genie“. Dazu US-Amerika. ANH: Es gibt von einem E n g l ä n d e r eine ganz andere Haltung, von Sherlock Holmes nämlich, der einmal bemerkte, wer sein Licht unter den Scheffel stelle, der heuchle. Und zwar, um etwas zu bekommen (soziale Akzeptanz, Liebe, was auch immer). Es gehe nicht darum, sein Licht unter den Scheffel, freilich a u c h nicht, es d a r ü b e r zu stellen. Sondern zu sagen, was ist.
      June: gut, dann ist es vielleicht dieses „englische“, das in den USA besser fuß fassen konnte, das kann ich nicht beurteilen. ich urteile da aus reiner empirie heraus, und die kennt nur den unterschied zwischen dem amerikanischen und dem europäischen (zu dem sich die engländer ja auch nicht zählen)
      ANH: Also gerade Künstler, europäische Künstler, haben o f t gesagt, was ist (also: wovon sie überzeugt waren, nämlich von ihrem Werk). Nietzsche, Wagner vor allem, Dalì: „Wer lange genug Genie spielt, wird eins.“ Dalí war bekanntlich Spanier. Und Händel war extrem cholerisch, wenn man etwas von ihm nicht anerkannte.
      ANH: Auch Picasso hat mit seinem Sendungswissen nicht hinterm Berg gehalten.
      June: ja, aber eben nur „die künstler“ (wenn sie dann wirklich „berühmt“ wurden, hatten sie ja im nachhinein noch die rechtfertigung). aber es ist nicht „normal“. im sinne von dem, was der/die durchschnittsösterreicherIn oder deutsche sich über sich selbst zu sagen traut. wir machen uns „klein“. das gehört zum „guten ton“. selbstbewusstsein als echtes selbstBEWUSSTSEIN einzelner wirkt immer bedrohlich. „der traut sich was, was ich mich nie trauen würde. – vielleicht ist er wirklich so viel BESSER als ich“ (ein grund für neid) „oder so viel mutiger“ (ein weiterer).

    8. self-marketing ….jemand,der von sich überzeugt ist,muss nicht die welt überzeugen…dass er ein genie ist…es wird bemerkt werden…er wird nicht besser,wenn er behauptet ein genie zu sein…man geht davon aus,das das beste gegeben wird und die anderen beurteilen,ob das beste genial ist…aber genial ist doch nicht der kern…auch nicht ihr problem…sondern anerkennung….die richtige wahrnehmung dessen,was sie tun…
      in einer marktgesellschaft wirbt man wie daimler chrysler lieb und moderat um seine kundschaft,zielgruppenorientiert analysiert…das daimler-chrysler-gen fehlt bei ihnen,was ihre art zu schreiben angeht ..
      und werbungsorientiert,naja ..bin ich mir noch nicht mal sicher,ob das nicht ziemlich clever ist oder auch vielleicht total daneben?..es ist jedenfalls anders und authentisch…und vielleicht seiner zeit vorraus…auf alle fälle neu…
      bitte um verzeihung,war gedanklich noch beim chat hängen geblieben…

    9. Das kommt vielleicht darauf an, w i e er es tut. Spöttisch könnte das insgesamt für alle ein Genuß sein. (Tatsächlich hat es viele Fälle des Vergessens und eben nicht-Wahrgenommenwerdens gegeben. Denken Sie an den – stilistisch gesehen – wahrscheinlich größten deutschen Dichter, nämlich Kleist. Die Penthesilea wurde rund 60 Jahre nach ihrer Entstehung uraufgefüht. Bei Kleist spielte Goethe – gegen Wielands ausdrücklche Fürsprache – eine sehr schattige Rolle, die es einem – denkt man an den Wannsee – kalt den Rücken runterlaufen sieht. Ein bißchen mehr Dalí wäre Kleist rein lebenspraktisch gut bekommen. Aber wahrscheinlich hätte er dann nicht ein solches Werk hinterlassen.)

    10. kleist aber wurde wahrgenommen…es ist eben auch der zeitfaktor…es nützt einem persönlich nichts….aber es käme ihrem sohn zu gute;-) das thema gab es doch?:-)
      vielleicht ist das jetzt ganz furchtbar,was ich schreibe,aber mich treibt es nicht wegen adorno in den dschungel,sondern weil ich hier eine gegenschwingung spüre,die einzug halten wird in viele bereiche…da bin ich mir ziemlich sicher…denn ich finde tendenzen auch schon woanders…

    11. Ach, wissen Sie, Florence. Wer hierher wegen Adorno käme, wäre ganz sicher – wiederum – falsch. Das wär mir geradezu unangenehm, wäre d a s der Grund. Es gibt auch Bloch. Und Handke. Und Allan Pettersson. Gibt diesen eigenartigen Schwung seitlich der Hüfte den Schenkel hinab. Gibt ein Lächeln. Es gibt – ich bin ein Mann, darum spreche ich so und mit recht so – dieses unvergleichliche Gefühl, das sich einstellt, sieht man eine weibliche Brust, sagen wir, die linke. Es ist ein haptisches Gefühl, man weiß ganz genau – und fühlt es -, w i e es sich anfühlt. Und es gibt Anselm Kiefer und Arnuld Rainer, deren Bildern ich so vieles verdanke, gibt Schumacher, neuerdings, für mich, Sonderborg; es gibt Abdullah Ibrahim und Karlheinz Stockhausen, gibt Robert HP Platz und den wirklich-großen Dichter Paulus Böhmer. Es gibt Chista Reinig, Marianne Fritz und kleine Verse von Apollinaire. Es gibt Freunde, die einen auf den Pott setzen, wenn man mal wieder ausgeflippt ist. Es gibt Feinde, die dasselbe tun und gar nicht begreifen, wie sehr sie einem dabei helfen. Es gibt Thelen und Bach, gibt June und ferromonte und Prunier, gibt die wunderschöne Schaufensterpuppe auf meinem Ofen. Es gibt Briefe. (Gibt meinen Sohn.) Es gibt eine Ungenannte und eine Genannte. Gibt eine erste Zigarette zum Morgen. Es gibt Geist, ganz viel Geist. Es gibt Feuchtigkeit, also den Körper. Es gibt Rezepte für Muscheln. Wenn man d e s h a l b herkommt, dann ja. Für Adorno lohnt es sich hier nicht.

  1. ah, langsam verstehe ich: sie meinen, sie würden scheitern, ihr werk auch, und doch wäre es große literatur und müsste von ihren gegnern als solche anerkannt werden? (ich habe es wirklich nicht verstanden, konnte mich von meinen simplen eigengedanken nicht so schnell auf ihr selbstmitleid und ihren zynismus umstellen.)
    ich denke da anders: sie werden nicht scheitern, sie sind jetzt schon nicht gescheitert. aber sie würden gerne scheitern. jedenfalls spielen sie mit dieser vorstellung, weil das anturnt, selbstgefällig ist und elend, produktiv macht. obwohl es auch ohne das gehen würde. wenn sie nicht der getriebene sein wollten.

    edit: ihren satz oben zu verstehen war für mich vorhin wie das betrachten eines >>dieser 3D-bilder, die vor einigen jahren mode waren. nach einer gewissen zeit, wenn man die richtige technik anwendet, sieht man deutlich den eigentlichen inhalt.

    1. Ja. Ich hab jetzt etwas lange gebraucht, um zu antworten. Siehe über I h r e m Posting. Ich wollte vorsichtig und dennoch klar formulieren. Es geht ja doch wirklich nicht um Kränkungen.

      [Nochmal Adorno, mein ungeliebter Vater-im-Geiste: Der Kapitalismus siegt, indem sich die Ausgebeuteten feindlich einander gegenüberstehen. Der Kampf der Ausgebeuteten gegen die Ausbeuter wird verschoben auf einen der Ausgebeuteten untereinander.]

    2. ich glaube ihnen sofort, daß sie niemanden kränken wollen (schon allein deshalb, weil das ihrer literatur nichts bringen würde). 🙂
      ach, adorno wieder. dieser enge geist. tsts.
      oben ist noch ein posting dazwischengerutscht (20.41) …

    3. Hab schon reagiert drauf. Adorno als engen Geist zu sehen, na ja, dazu möchte ich mich nicht äußern. Schon weil ich dann etwas übern Haufen werfen müßte, daß ich ein paar Jahre lang heftig vertrat und daß sich nun, in den letzte Monaten, als unrichtig erwiesen hat. Für mich. Für Sie kann das ganz anders sein.

    4. ich will ja nicht über adorno urteilen, aber die marxistischen begriffe „sieg des kapitalismus“ und „die ausgebeuteten“ sind wirklich .. egal. wir wollen das ja genießen ..

    5. ich schrieb gestern..beiläufig so etwas wie..der spiegel der realität,ist meine realität…
      ..und machen künstler nicht grundsätzliche kunst,die sie gut finden…oder besser… nimmt hier irgendjemand an,dass sie nicht mit leib und seele hinter ihrem werk stehen?könnten sie überhaupt weiterschreiben,wenn sie das nicht felsenfest glauben würden?….??

    6. Das könnte ich nicht. Nein. Was mich offenbar ‚anders‘ sein läßt, das ist, daß ich das zugebe. Und es hat in Den Dschungeln einige Postings gegeben, worin mir persönlich vorgeworfen wurde, mit meinem – sagen wir: – Sendungsbewußtsein meinem kleinen Sohn gegenüber unverantwortlich zu handeln… mich also für sein Wohlergehen anpassen zu müssen. Ich will das nicht rekapitulieren, muß aber sagen, daß meine Haltungen moralisch auch für mich selbst sehr wohl nicht ohne Probleme sind. Man befindet sich in einer verteufelten Zwickmühle. Diese – es bleibt mir in einem literarischen Werk, wie Die Dschungel es zu sein versuchen, gar nichts anderes übrig – formuliere ich ebenfalls wieder literarisch aus und erfasse dadurch ihre Struktur: Ich s c h ä l e sie gleichsam. (Genauer wäre: Die Erzählung schält sie, da sehr vieles unbewußt geschieht, dann erst erkannt wird und als Erkanntes geformt wird.)

    7. lieber alban, du versuchst scheinbar eine übersetzung des ungaretti-gedichts:

      m’illumino d’immenso

      das ist ironisch, aber auch nur zur hälfte, und somit augenzwinkernd einen gruß

  2. wir sind kleine Kinder! Verdammt nochmal, schreiben Sie normal !

    Er ist so gross, dass man nur seine Füsse sieht, sagte einmal Cocteau über Goethe.
    Oft habe ich es mit Franzosen erlebt, die meine Übersetzung von Ihrem „In New York“ gelesen hatten (versucht hatten, zu lesen… sollte ich lieber sagen) und die mit einem Seufzer meinten… ach, ja, dein deutscher Schriftsteller…. unlesbar. Gut, dachte ich jedesmal. Kein besseres Zeichen, dass ich nicht geirrt habe. Denn entweder ist ANH ein äusserst schlechter Schriftsteller… aber man sieht beim ersten Blick, dass es nicht der Fall ist, oder er ist uns so weit voraus, dass wir ihn nicht sehen können. Nicht einmal seine Füsse. Wie alle Meister der Literatur überhaupt.
    Dass eine „Leserin“ Sie hasst, dass ein anderer Sie nicht erträgt, erklärt sich dadurch, dass sie dunkel ahnen, dass Sie ein grosser sind, aber sie sehen nur Ihre Füsse und sie werden wütend. 95% der Romane, die heute erscheinen, sind eine Wiederholung der Romane vom XIX. Jahrhundert. Diese Werke sind lesbar: erste oder dritte Person, gute Geschichte, Anfang und Ende, Vergangenheitsform. Als könnte man noch Musik komponieren wie zu der Zeit Beethovens. Ja, das tun die meisten Unterhaltungsmusiker und sogar fast alle Jazzmusiker… aber wir sind auf einer anderen Ebene. Mit dem Roman haben wir aber mit einer festgesetzten heiligen Form zu tun, die nicht angetastet und verändert werden DARF, sonst werden die Leser rasend.
    Ein Glück, dass Claude Simon den Nobelpreis für Literatur erhielt (seine Stockholmer Rede sollte zur Zwangslektüre für Ihre Gegner werden!!), denn er war bei uns nicht sehr viel gelesen: zu neutral, 1. Partizip, Fehler im Satzbau, Sätze, die zwei Seiten ausfüllen… unlesbar also. Der arme Leser klagt: wo finde ich meinen geliebten Helden wieder, mit der Vergangenheit, um ruhig in meinem Sessel träumen zu können?! Ja, Simon hat Glück gehabt; nicht nur den Nobelpreis, er hatte auch Weinberge in Südfrankreich, um sich zu ernähren.
    Es wird oft in diesem Zusammenhang von der Nachwelt gesprochen. Ja, die Nachwelt!! „Die Nachwelt anzuführen heisst eine Rede an die Würmer zu halten!“ (Céline)
    Die sog. Leser, die Sie hassen, tun es, weil sie wissen, worum es geht. Sie sind manchmal belesen, aber können nicht akzeptieren, dass die heutigen echten Werke, denen nicht ähneln, die sie mögen, die sie so gern lesen, die sie in ihren Sesseln ungestört lesen können, die ihnen mit ihren lieblichen oder bösen Gestalten schmeicheln, ja, schmeicheln. Sie wollen geschmeichelt werden, sie wollen als gebildet aussehen und da kommt plötzlich einer, der Sätze anders baut, der Musik mit der Sprache spielt, der (absoluter Skandal) den Leser auffordert, um sich zu sehen. Anstatt die Augen zu schliessen, indem er liest (!!!), weil die Geschichte „klar“ und „harmonisch“ ist, müssen die armen Leser den Text des Romans mit ihrer Realität konfrontieren und das WOLLEN sie nicht ; ein Roman ist eine Traumstelle, ein Garten à la française, alles muss sorgfältig geharkt sein und vor allem der heiligen sakralen Grammatik gehorchen. Gehorchen!
    Und Sie, Herr Herbst, gehorchen nicht! Sie wollen uns nicht träumen lassen, oder, wenn Sie es tun, ist es uns so nah, dass wir unsere Umwelt anders sehen müssen. Ihr Stil ist ethisch. Ihr Stil stört. Ihr Stil stört, weil er unserem Innern entspricht, weil er unsere innere Welt entblösst.
    Die gutmütigen Leser meinen: und das wollen wir nicht! Können Sie nicht normal schreiben, wie z.B. Süsskind. Das ist ein guter Schriftsteller, der gute, brave Erzähler! Erzählen Sie uns eine Geschichte, lassen Sie uns ruhig träumen, hören Sie doch auf, von unserer bewegten, unruhigen Gegenwart zu sprechen! Die wollen wir nicht im Roman wiederfinden! Und was wir brauchen, ist nicht, unsere Zeit zu verstehen, nein, sie ist eben zu kompliziert, bitte schön, Herr Herbst, schreiben Sie doch einen normalen Roman und wir werden ihn kaufen, weil wir gern Geld für das ausgeben, was uns ausserhalb der Gegenwart hält. Wir sind feige, Herr Herbst, wir haben Angst, wir sind kleine Kinder: lassen Sie uns in die Welt der Kindheit zurückkehren, als alles „klar“ war, wie im Roman vom XIX. Jahrhundert! (der zu der Zeit sehr gefährlich galt, und sehr hart angegriffen wurde… wohl, weil er nicht dem geliebten Roman vom XVIII. Jahrhundert ähnlich war !!!)

    Herr Herbst, Sie wollen uns durch den Stil, durch Ihre wunderbare Musik überlegen lassen, Sie haben vor, durch die Kraft der Wörter unsere Zeit wiederzugeben. Warum tun Sie das aber nicht mit normalen Wörtern und vermittels der genormten altehrwürdigen Grammatik?

    Die Welt hat sich völlig verändert. Der Roman als Gattung muss der Metamorphose entsprechen, aber Sie haben hier mit dem konservativsten Publikum zu tun, das der Leser, der Romanleser, die ignorieren, dass sie Vorurteile haben und dies weil sie sich als Romanleser überlegen fühlen und reizbar sind. Sie, Herr Herbst, sagen Ihnen: „Nein, die Romane, die Sie so gerne lesen, haben mit unserer tief veränderten Zeit nicht viel gemeinsam und das zeige ich Ihnen mit meinen Werken“…
    Umstürzend! Herr Herbst schreibt… Mutti, Hilfe !!

    1. Lacht. Na ja, Monsieur Prunier, solange ich meine Füße selber noch sehe, mag es angehen. Es wär blöd, wüchse man zu weit über sie hinaus.
      Dennoch, ich bin nicht der einzige, es gibt einen unermeßlichen Schatz guter, auch gewagter Gegenwartsliteratur… Gegenwartsdichtung. Und nicht immer ist sie erfolglos. Helmut Krausser, Thomas Pynchon, Gerd-Peters Eigners Brandig, Piwitts Granatapfel; gerade fängt eine junge deutsche Dichterin, Ricarda Junge, an, zu den sehr guten zu gehören… usw usf. Was i c h allerdings tu, das ist insofern eigenartig, als ich die Medien und Sphären miteinander verschneide… auch sprachlich, ich bin ja nicht drauf erpicht, im neuesten Slogan zu formulieren, ich mag antikisierende Formen, mag sie aber eben auch wieder zerschlagen. Das Prozessuale ist es, das mich so reizt und inspiriert, diese ständige Wandlung.

    2. ja, ja ich weiss, lieber ANH !! Es war nur Spass… und es hat mir wirklich Spass gemacht, hier, das alles (Binsenwahrheiten!) zu schreiben.
      Und recht vielen Dank für die Antwort!
      Gegenwartsliteratur und Gegenwartsdichtung, das existiert auch bei uns. Meine Übertreibungen sind wohl nicht so gut wie meine Übersetzungen !!!
      Das hoffe ich wenigstens!
      Es ist aber spannend, was da passiert!
      Oh ja, es wäre schade um die Möglichkeiten… und wie!

    3. @ ferromonte & Prunier. Und für alle übrigen Leser. Sie beziehen sich jetzt, M. Prunier, wörtlich auf etwas, das ich wieder gelöscht hatte. Denn es bezog sich auf einen Angriff ferromontes auf Sie, den er aber, als ich meine Replik einstellte, schon wieder gelöscht hatte. Also mußte auch s i e weg. Jetzt gibt es mir aber Gelegenheit, noch etwas dazu zu sagen. ferromonte gehört zu jenen Lesern, die ich ausgesprochen schätze, die sehr einfühlsam sind und auch manches Wagnis mitgehen. Manchmal platzt aber auch ihnen, zum Beispiel meinetwegen, die Hutschnur, und sie wie ich reagieren spontan und ungerecht. So etwas gehört zum Leben und muß nicht zensiert werden, man braucht sich dessen auch nicht zu schämen, eine Entschuldigung oder ein anderes Einlenken reicht. Denn es ist ja ein Zeichen von L e b e n, wenn einer sich nicht dauernd beherrscht und also sein Leben beherrscht. Der jeweils andere kann das schon ertragen und sollte es auch ertragen können, selbst wenn es wehtut. Aus der gemeinsamen K r a f t der Emotionen wird dann ein Verständnis, kommt es zustande, erst wirklich groß. Deshalb nun doch mein gelöschtes Posting dazu:

      Hier läuft momenten etwas sehr schief, M.Prunier & ferromonte. Es ist wie bei den einander feindlich gegenüberstehenden Ausgebeuteten (ich beharre auf der Formulierung, auch wenn sie marxistisch ist; vielleicht g e r a d e deshalb). Weder ist M. Prunier erpicht auf Schleimerei, noch ferromonte einer jener, die alles ablehnen, was fremd ist. Bitte bedenken Sie beide dies. Es wäre andernfalls schade um die Möglichkeiten.

    4. ich habe gestern kapiert daß ich nicht alles, was ich liebe und bewundere, auch verantworten muß. mit worten.
      übrigens kann von ablehnung nicht die rede sein, im gegenteil. ich versuche immer zu verstehen und gehe an die schrecklichsten orte …

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