6.06 Uhr:
[Kinderwohnung. Filterkaffee. Zigarette.]
Gerade erst auf; die Freunde waren bis 1.30 Uhr nachts hier, da waren dem Körper drei Stunden Schlaf zu wenig. Nun gut, wird eh ein etwas unüberschaubarer Tag, deshalb kann ich auch nicht eigentlich ein >>>> DTs entwerfen: Mein Junge erzählt gestern abend, er wisse gar nicht genau, ob heute noch einmal Judo-Camp sei. Also ist nicht ganz heraus (es sind ja eine Woche Winterferien), ob er nicht zuhausebleiben muß. Wir fahren gegen zehn hinüber, schauen nach; sind ja nur fünfzehn Minuten Hin- und fünfzehn Minuten Rückweg. Andererseits ist Katangas Junge leicht krank und deshalb Zuhause; der würde sich freuen, da den meinen zur Gesellschaft zu haben, und der sich übrigens auch. Jedenfalls wird mit der Arbeitswohnung nichts. Oder wenig.
Ein schönes langes Gespräch war das mit S.und M., wir haben uns seit über einem Monat nicht gesehen, weil beide schon zu Weihnachten nach Brasilien gefahren waren, sowohl aus beruflichen Gründen wie privat, und nun erst zurück sind. Davon wurde erzählt und von Kinderbüchern und von der DDR usw. Ich hatte Spaghetti ge-, nein verkocht in unserer gegenseitigen Erzählerei. Aber der Sugo war gut. Klar sprach man über ebay, über die Position und Akzeptanz künstlerischer Arbeit in Deutschland und ihre ökonomische Basis, aber auch über die anderen Projekte, meine und ihre; eines davon, fürs nächste Jahr, können wir zusammenlegen. Darüber wird jetzt überlegt.
Gut, das ungefähre DTs. Und dann ARGO.
Ich muß eben die Kopfhörer suchen.
Nachricht vom WDR gestern wegen MARIANNE FRITZ („Und also es geschah.“): „Bitte noch bis Montag warten, dann kann ich sehen, ob wir die Produktion noch vor April hinbekommen.“ Die DRB-Produktion SAN MICHELE hingegen steht, ich schrieb’s ja schon. Außerdem rief mich eine junge Dame an, s e h r helle Stimme, wieder mal wegen des umstrittenen Textes, auf den ich jetzt aber wirklich nicht mehr verlinken mag und der gestern abend offenbar – ich les das nämlich nicht mehr, es hält nur unnötig auf – jemandes Anlaß war, erneut meinen Geisteszustand durchzuspekulieren: „Ich habe diesen Text gelesen“. „Welchen Text.“ „Den in Den Dschungeln.“ „Na ja, da stehen v i e l e Texte.“ „Ich meine d e n Text.“ „Verzeihung, Sie müssen schon deutlicher werden.“ Also dieser Text, das sei i h r e Geschichte. „Ihre?“ „Ich habe das erlebt.“ Ich kannte und kenne die Anruferin nicht. Bin weiterhin freundlich: „Und?“ „Ich möchte gerne lernen, wie man schreibt.“ Außerdem: „Wie sind Sie auf diesen Text gekommen?“ „Nun ja, ich habe ihn geschrieben, er fiel mir ein.“ Sie ganz ruhig einen Moment, ich sowieso. Dann ich: „Sie haben doch eine Frage.“ „Ja… nein…“ Undsoweiter. Ich habe ihr angeboten, wann immer sie möchte, um über Literatur zu sprechen, gerne wieder anzurufen. Sie stockte, wurde ständig leiser, ein Stimmchen nur, ganz hell, doch glockenklar. Dann: „Dann danke ich Ihnen.“ Ich: „Wofür?“ „Einfach so.“ Und legt auf.
Nein, ich kenne die Anruferin tatsächlich nicht.
10.40 Uhr:
[Massenet, Cherubin.]
Wirklich reiner Zufall: Ich such raus, was ich heut zur Arbeit hören mag, greife zu einem älteren DAT-Mitschnitt, jaja, Massenet, bin echt gut drauf, deshalb – und siehe:: Das wird eine der Musiken fürs Stück über Verbeen werden, der mich nur noch grinsen läßt, was die, sagen wir, schmissig-witzige Musik ganz genau so transportiert. Denn es ist wirklich nicht zu fassen: Imam Schahpur Verbeen, ich meine, das muß man sich mal vorstellen, wie dieses fette Ungeheuer durch Graubünden stapft und die verschreckten Schwyzer den Islam lehren will. Selten habe ich derart gelacht und bin nun Walter Filz wahnsinnig dankbar, daß er mich ausgerechnet auf d i e s e n Dichter hat draufhüpfen lassen. Ich meine, der wird sich gedacht haben: Paßt zu Herbst. Er war ja eher verschlossen erst.
Gut, unterdessen sammle ich zusammen, was man kriegen kann; offiziell eigentlich gar nichts. Aber Ulrich Faure gräbt und gräbt; da er >>>> die Thelen-Site führt und gewissermaßen den Nachlaß des Zweitgesichtlers verwaltet, hat er richtig viel Material und ist jetzt ziemlich angespitzt; alle fünf Minuten schickt er was Neues rüber. Auch >>>> Hediger in der Schweiz recherchiert mit und noch ein paar andere Leute.
Sitze nun d o c h in der Arbeitswohnung, klar ist Judo für den Jungen, was er mir da auf die Backe schwätzte! Er hatte wohl mehr Lust, mit Katangas Sohn zu spielen. Ich trinke Tee, formuliere, führe diese Verbeen-Email-Korrespondenzen, aber leider muckt der Verstärker nun s c h o n wieder, und auch die Klebeband-Lösung funktioniert nicht mehr. So muß ich das Gerät nachsehen, wahrscheinlich nur reinigen lassen, aber woher das bezahlen? Zwischenzeitlich kann ich immerhin über den Laptop Musik hören. Also Arbeit ohne meine Musik ist schlechterdings nicht vorstellbar.
Ganz vergessen: Sogar die ARGO-Arbeit, trotz nur einer Stunde, lief gut. Geschickte Vorbereitung, eine der absoluten Hauptfiguren sang- und klanglos dreihundert Seiten vor Ende aus dem Spiel zu nehmen. Auf meine Art freilich, aber ich gebe zu, solch eine Grandezza Wolf v. Niebelschütz, der es vorgemacht hat, immer ein wenig geneidet zu haben. Da bin ich wie ein Kind, das ausruft: Das will ich auch haben! Jaja, da will ich a u c h hin, auf dieses Niveau.
13.26 Uhr:
So oft, wie jetzt >>>> meine Pressemappe abgerufen wird, sollte ich die wirklich einmal aktualisieren. Von dem, was mit DIE NIEDERTRACHT DER MUSIK war, steht da nämlich noch nichts drin. Aber keine Zeit, keine Zeit. Außerdem brauch ich jetzt meinen Mittagsschlaf, verdammich nochmal. Guts Mittagsnächtle, Leser!
19.07 Uhr:
[Sange af Macdowell im DänenNetzRadio.]
Den Nachmittag über mit dem Jungen und einem Freund sowie dessen Vater herumgetollt, auf Eis geglitscht, Kriegen und Verstecken gespielt. Jetzt hört er nebenan den Kleinen Vampir, und ich hab mal wieder mit der >>>> ebay-Auktion zu tun. Erstmal kolportiert SPIEGEL ONLINE, daß NZZ ONLINE kolportiere. Das ist schon mal eine Freude für sich. Dann dieses Ding mit Mosebachs „Das Beben“, das mich flatulierend schon früher schon vergnügt hat, aber was ich e i g e n t l i c h nicht verstehe, das ist, weshalb eigentlich kaum jemand mal die Sache so betrachtet, wie sie ist, ohne jedes ironische Dazugetue, das sich statt dessen zunehmend aufs Niveau der Boulevard-Presse zu hangeln versucht, obwohl es einfach zu klein ist, um daranzulangen. Irgendwie recken sich diese köhs dennoch mit Armen und Fingern auf den Zehenspitzen, aber die NEUE FRAU b l e i b t halt größer. Soviel zur Kultur-Intelligenz. Önomisches Nachdenken möchte ich doch gar nicht verlangen, nur halt ein kleines bißchen – Geist.
Hübsch ist nun aber auch folgendes:
sehr geehrter hr. herbst!
ich finde ihre figuren-versteigerungsidee originell und attraktiv, will mich aber nicht an ebay beteiligen. grund: (ich habe keine erfahrung mit ebay. nach ende der frist würde ich ihnen gern 50 euro mehr bieten als das letzte angebot. was halten sie davon?
mit den besten grüßen
e a r***
ps: dazu noch eine frage: handelt es sich dabei nur um eine figur? oder wäre
auch ein „figuren-konsortium“ möglich?
Worauf ich s o antworte:
Sehr verehrte Frau oder sehr geehrter Herr R***,
danke für Ihre Email an Daniellos gmx-Account der Fiktionäre.
Verstehe ich das mit den „50 Euro d a z u“ so, daß Sie dann eine z w e i t e Romanperson werden wollten? Denn die erste hat den Zuschlag, daran bin rechtlich und mit Recht gebunden.
Über eine solche zweite Person müßte man sprechen, das Romanprojekt ist ja bereits im Entstehen, und e i n solches Spiel läßt sich sicher gut darin einbetten, das ist Lust am Handwerk und geistiger Spaß; bei mehreren würde es problematisch, da ich das poetologische Konzept-selbst nicht gefährden will und werde. Aber vielleicht kommt man bei einem Gespräch auf ganz ähnliche Ideen; insofern bin ich offen.
Kontaktieren Sie mich einfach nach der Auktion über dieses email-Konto hier. Ich werde mich dann melden. Was ein Figuren-‚Konsortium‘ anbelangt, nun, das wäre ein a n d e r e r Roman, aber sicher nicht ohne Reiz. Käme drauf an, was Sie sich dabei vorstellen. Also auch: am besten ein Gespräch.
Unbekannterweise grüßt
ANH
7 <<<<]
N o c h was:
… gestriger Artikel im Hamburger Abendblatt rief Erinnerungen an einen Vorfall wach, der sich in einer Geschichtsstunde ereignet hat und den ich als Ihr Mitschüler miterlebt habe. Es hatte sich der Lehrer, ein Herr (Dr.?) S***, darüber ereifert, dass Sie verspätet erschienen. Im weiteren Verlauf eskalierte die Situation, als Sie einen Tafelanschrieb, der in etwa ‚Die 6 Parteien im Parlament von …‘ lautete, mit den Worten ‚Die Sexparteien‘ kommentierten. Daraufhin erfolgte ein Klassenbucheintrag, der die dafür vorgesehene Spalte eines Tages überschritt und exakt folgenden Wortlaut hatte: „Alexander von Ribbentrop, vorlaut und dreist, verwandelt ’sechs Parteien‘ in ‚Sexparteien‘ und bestreitet noch, dieses gesagt zu haben. Außerdem kam er 15 Minuten zu spät, weil er angeblich ‚privat telefonieren‘ musste.“
Dieser bemerkenswerte Klassenbucheintrag ist mir, obwohl fast 34 Jahre her, wortwörtlich in Erinnerung geblieben. Ihnen womöglich auch?
Nein, ich hatte keine Ahnung, daß ich immer schon so war.