Montag, der 20. Februar 2006.

4.36 Uhr:
Schon um vier aufgewacht, seither wachgelesen, weil der Junge so gehustet hat. Ich hatte ihm schon am Abend einen Hustenstiller gegeben, offenbar ließ die Wirkung nun nach. Bin unsicher, ob ich den Jungen nachher in die Schule bringen kann oder ob er nicht besser liegenbleiben sollte. Andererseits wird der Husten, wenn das Kind n i c h t liegt, stets besser. Und herumzuliegen, ohne Fieber oder sonstige Krankheitssymptome, das schafft er ohnedies nicht. Hm. Ich werd nachher wohl zwar mit ihm zur Schule fahren, aber eben mit seiner Lehrerin sprechen, wie man so etwas am besten handhabt. Und seine Mama kurz informieren. Der Junge kommt ja heute ohnedies wieder zu ihr.
Eindreiviertel Stunden ARGO.

9.18 Uhr:
Wir kamen kaum in der Schule an, beginnt mein Junge, über starke Bauchschmerzen zu klagen; zudem wird er kalkweiß. Noch auf dem Schulweg erzählte er mir, daß er sich vor „den Großen“ (also den großen Kindern) fürchte; daß er zu seinen Klassenkameraden, vielleicht wegen des Schulwechsels nach den Herbstferien, keinen rechten Kontakt findet, darüber hatte er schon öfter, allerdings nebenbei, geklagt. Jedenalls bin ich mit ihm wieder nachhause geradelt, hab ihn ins Bett gepackt und lange mit ihm gesprochen. Ich fürchte, hinter den Bauchschmerzen steht ein soziales Problem, daß ich leider nur allzugut aus meiner eigenen Schulzeit kenne. Auch ich hatte eine völlige Außenseiterposition von der ersten Klasse an, auch ich fürchtete mich vor der Schule (und bis heute vor größeren Gruppen), und auch ich reagierte mit Bauchschmerzen, die sich als „Magenattacken“ bis heute chronifiziert erhalten haben.
Wenn ich den Jungen nachher zur Mama bringe, will ich mit ihr darüber sprechen. Irgend einen Weg muß man da finden. Ich möchte nicht, daß das Kind in irgend einer Weise meine Geschichte wiederholt, zumal soziale Ausgrenzung auch auf die Leistung drückt: Bis man mich vom Gymnasium warf, hatte ich ständig Vieren, Fünfen, bestenfalls mal eine Drei. Quer durch sämtliche Fächer. Das kehrte sich erst am Abengymnasium, da aber absolut, um. Doch da war ich 23, bereits junger Autor und in keiner Weise mehr bereit, mich anderen um „Liebe“ anzudienern. Da k o n n t e es mir dann auch wurscht sein; und jetzt war man sauer auf mich, weil ich alles dazu tat, den Leistungsdruck noch zu erhöhen: Leistung wurde ein Sport, von dem ich im tiefsten Inneren wußte, daß ich ihm aufs wunderbarste gewachsen war. Wenn man mich sozial schon nicht annahm, nun gut, dann machte ich das halt durch Befähigung wett, in deren Konkurrenz die anderen sich vorführen lassen mußten. So war der Kampf dann ausgeglichen.
Für einen jungen Erwachsenen ist das okay, für ein Kind aber furchtbar. Wird ein längeres Gespräch nachher werden, denke ich. Und jetzt, zwischendurch, immer wieder paar Zeilen ARGO, dann Telefonate um die verbleibenden SAN-MICHELE-Sprecher.

14.54 Uhr:
[Berio, Sequenza III. Cathy Berberian.]
Tief tief zu Mittag geschlafen. Vorher den Jungen zur Mama gebracht. Gutes Gespräch. Irgendwann zucken wir beide zusammen: „… wenn ihr wieder streitet“, sagt er. Wir essen gemeinsam zu Mittag, Lakshmi hat gekocht. Schließlich verabschiede ich mich, bin wirklich müde. Morgen besuchen wir gemeinsam den .Elternabend.
In der Kinderwohnung stand noch ein Gerichtsvollzieher in der Tür, ernster, ermahnend blickender Typus. Angeblich sei selbst für 2005 (!) noch eine Nachzahlung offen. Was ich gar nicht glauben kann. Insgesamt 200nochwas Euro. Na ja, ich warte auf den Vorschuß vom SWR; auch für die Miete der Kinderwohnung kam eine Mahnung. Und die Postbank rief mit einem sehr akzeptablen Vorschlag an; so reagierte man auf >>>> meinen Brief an den Vorstand: Ab April 100-Euro-Raten zur Rückzahlung; wenn es dann wieder nicht gehe, bitte anrufen. Eine mäzenatische Leistung ist das nicht, aber es wird sich irgendwie einrichten lassen.

SAN MICHELE: Otto Mellies hat endgültig zugesagt, er habe das Typoskript gelesen und finde es „interessant, nein, es ist sogar sehr schön; ich freue mich jetzt sehr auf die Zusammenarbeit“. Auch den bis heute morgen noch nicht bestimmten Sprecher habe ich jetzt: Gerald Schaale. Damit steht, von Sprecherseite, die Produktion. Was ich an Geräuschen brauche, hab ich beim DRB bestellt; es kam sogleich eine Rückmeldung über das, was ich selbst noch aufnehmen muß: Eine Weinflasche wird auf harten Stein gestellt, sie fällt herunter, sie zerplatzt; ein Weinglas wird auf harten Stein gestellt; es wird Wein eingeschenkt. Aufzunehmen ist weiterhin noch Adrians kleiner Part..
Jetzt muß ich die männlichen Sprecher ihren Rollen zuordnen und ihnen bis Mittwoch entsprechenden Bescheid geben.

Doch nun erst einmal VERBEEN.