Freitag, der 5. Mai 2007. Bamberg-Berlin-Bamberg.

5.51 Uhr:
Was für ein >>>> Konzert! Lange bin ich nicht mehr so mitgegangen bei Jazz. Und gleich n o c h etwas Neues: Es fand bei Karstadt statt, ich glaubte erst, nicht richtig zu hören, als Louise es im Bummelzug nach Nürnberg erzählte. Das ist nun wirklich etwas Neues: Das >>>> Kulturcafé ist direkt dem Kaufhaus angeschlossen; ein sehr großer, flacher Saal, der für Veranstaltungen wie diese ideal ist. Ich werd mal mit der Direktion der Villa Concordia Kontakt deshalb aufnehmen: d a ließe sich doch eine vortreffliche Reihe initiieren, in der die Stipendiaten vorgestellt werden; Nürnberg ist ja grad mal eine halbe Stunde von Bamberg entfernt. Ohnehin hab ich gestern Pläne geschmiedet, am Telefon unter anderem, mit dem Profi. Dazu nachher, denn ich bin ein wenig in Eile, weil der ICE nach Berlin gecatcht werden soll.

Bin, obwohl es wieder spät wurde (Louise und ich saßen dann noch, zurückgekehrt nach Bamberg, bis Viertel nach eins im PELIKAN), um halb sechs hoch, tippe eben das Tagebuch und pack dann mein weniges Zeug für die Fahrt und Berlin zusammen, Laptop, Kalender usw., außerdem das neue Mobilchen, das ich mir gestern im T-Point verpassen ließ; nach meinem Vertrag hatte ich längst einen Anspruch. Es ist jetzt aufgeladen, ein wirklich elegantes ‚Teil’; aber ich muß es erst einmal lernen…
Eigentlich hatte ich ja für meinen Sohn nach Berlin und dieses Wochenende mit ihm dortbleiben wollen; nun ist aber das Wetter so schön und seine Mama war nach dem letzten Wochenende nicht so rasend gut gelaunt, daß ich ihn wieder mit hernehmen und dann Sonntag mittag erst den Berlinzug nehmen werde, um den Jungen am Montag zur Schule zu bringen und danach gleich wieder nach Bamberg zurückzufahren. Die moblity card erlaubt’s, was soll’s also, und ich mag meine Hoffnung auf schönes Beisammensein von Mutter Vater Kind nicht enttäuschen lassen. Für den Jungen ist es in Bamberg schöner als in Berlin, weil er hier herumstreifen, über die Mauer klettern, im Garten spielen kann. Und ich selber hab mein meistes Arbeitszeug hier. Vielleicht nehmen wir Katangas Jungen mit. Mal sehen.
So, Leser, ich packe. ARGO geht schrittweise voran, ich habe Szene um Szene im Kopf, aber sie der Tastatur zu diktieren, läuft immer noch ein wenig zäh: das Draußen lockt, die Terrasse, der Garten, Gespräche mit der griechischen Stipendiatsnachbarin usw. Jetzt aber zum Zug.
(Nebenbei: Louise hat die schönsten Hände, die ich in meinem Leben je sah. Wir fielen gestern ziemlich auf, diese dunkle Frau mit dem eindrucksvollen afrikanisch-äthiopischen Gesicht und zugleich asiatisch geschnittenen Augen. Zudem ist sie bestimmt einzwei Zentimeter größer als ich, sehr schlank dabei, sehr trainiert, sehr aufgerichtet – und schnell – schreitend. Und ich da neben ihr, im weiten hellbeigen Anzug mit zwei langen hellgrauen Schals und meiner Glatze, ständig scherzend wir zwei. Doch vor allem, was uns beide ziemlich wunderte: Sie war außer Dianne Reeves und ihrem einen Gitarristen die einzige Farbige unter den bestimmt zweihundert Zuhörern. Nach dem Konzert ging sie backstage, um Reeves zu begrüßen. Ich frage: „She is a relative of yours?“ Sie antwortete: „All black people are relatives.“ Jedenfalls wird unsere Freundschaft in Bamberg enorm schnell die Runde machen: dieser Ort ist seelisch nicht größer als zwei Zimmer.)

7.15 Uhr. ICE Bamberg-Berlin:
[Dianne Reeves, Songs.]
Der Zug kam tatsächlich pünktlich, ich hab mir zu Frühstück eine Pizzazunge besorgt und werde gleich noch einen Kakao holen. Der Laptop steht wie immer vor mir, will was von mir; ich schreibe aber erst mal, was Hübsches gestern noch in der Villa Concordia geschah.
Also, ich hatte mich am vergangenen Dienstag auf dem wöchentlichen jour fixe breitschlagen zu lassen, als erster der diesjährigen Stipendiaten des Hauses meine Arbeit vorzustellen; man kann dann wählen, ob öffentlich oder im engen Kreis der anderen Stipendiaten. Da nur fünf unter uns, glaub ich, zehnen oder elfen Deutsch sprechen und verstehen können, ist so eine interne Geschichte ja ziemlich sinnlos; also entschied ich mich für eine öffentliche Veranstaltung und bereitete am nächsten Morgen gleich einen Pressetext vor, den ich der CoDirektorin zumailte. Mittags fragte ich nach, ob sie schon hineingeschaut habe; das hatte sie nicht, was soweit ja okay ist. ABER: Abends telefonierte ich mit Alexandra, die unter anderem für die Bamberger StadtIllustrierte >>>> MOHR arbeitet, ein vor allem auf sehr junge Leute und Pop ausgerichtetes Szeneblatt. „Ich hab so viel zu tun“, sagte sie, „wir haben am Sonntag Redaktionsschluß.“ Ich gleich daraufhin: „Dann könnt ihr doch vielleicht noch auf meine Veranstaltung hinweisen.“ „Klar, aber das wird kaum deine Zielgruppe sein.“ „Egal, es reicht ja, wenn zweidrei Leser hängenbleiben – und sowieso: Je mehr Erwähnung an welchem Ort auch immer, um so besser.“ „Dann mail’s her, wir nehmen es rein.“ – Getan.
Gestern also gab ich der CoDirektorin entsprechenden Bescheid.
„Das ist uns aber gar nicht recht“, sagte sie.
„Bitte?“ fragte ich.
„Wenn eine Veranstaltung des Hauses der Presse mitgeteilt wird, dann müssen wir den Text durchgesehen und genehmigt haben.“
„Na ja, schon, aber da war Redakionsschluß.“
„Darauf kommt es nicht an. Es kommt auf unser Okay an. Der Text muß eine Darstellung unseres Hauses enthalten.“
„Nichts dagegen. Aber dann müssen Sie den Redaktionsschluß der jeweiligen Blätter beachten.“
„Verzeihen Sie, aber wir haben auch andere Sachen zu tun. Und wir haben viele Stipendiaten.“
„Denen kommt das doch ebenfalls zugute, wenn diese Kontakte existieren und öffentliche Veranstaltungen der Villa Concordia entsprechend annonciert werden.“
„Das muß aber von uns aus gehen.“
„Es ging aber nicht von ihnen aus. Und sie hatten meinen Text seit gestern; das ist keine DIN-A-Seite Text. Sowas durchzusehen, geht schnell.“
„Das zu entscheiden, müssen Sie schon uns überlassen.“
„Frau Soundso, ich bin Profi und professionelles Arbeiten gewöhnt. Es ist nicht professionell, einen Redakionsschluß zu verpassen – gerade in so einer kleinen Stadt wie Bamberg.“
„Mohr ist ein Scheißblatt.“
„Mag sein, das sagt meine Freundin auch. Dennoch wird es viel gelesen, und das muß man nutzen – wenn man da denn hineinkommt. Das Ding liegt flächendeckend überall aus.“
„Herr Herbst, wir haben hier ganz bestimmte Abläufe…“
„Dafür habe ich jedes Verständnis. Nur müssen Sie mich dann meine Arbeit tun lassen. Ich hin sehr schnell…“
„…das hab ich schon gemerkt.“
„… – und wenn andere da nicht mithalten können, möchte ich wenigstens keine Einschränkungen hören. Ich mache das gerne, und ich werde das machen, wenn das Haus es – aus welchen einsichtigen Gründen auch immer – nicht darstellen kann.“
Da war denn die Stimmung ziemlich knistrig. Mich ärgert so was aber wirklich.
Außerdem mäkelte ich dann noch, daß >>>> die Homepage des Künstlerhauses noch immer nicht auf aktuellem Stand ist. Man solle doch erwägen, ob sie sie nicht von Katanga betreuen lassen wollten, der sei professionell.
Nun wieder die CoDirektorin: „Die Firma, die unsere Website betreut, ist ebenfalls professionell.“
Ich: „Aber die Website ist nicht aktuell.“
„Das liegt an den Stipendiaten. Einige haben immer noch nicht ihre Biografien abgegeben.“
„Dann lassen Sie doch wenigstens erstmal die einstellen, die sie abgegeben haben. Und von den anderen nur Name, Werkverzeichnis usw.“
„Sowas kostet dann aber immer extra.“
„Bei meinem Webmaster nicht.“
Usw.
Nun habe ich sowohl von Louise, von Alexandra als auch auf dem SM-Stammtisch am Mittwoch mehrmals gehört, man wisse in Bamberg gar nicht, was dieses Künstlerhaus denn eigentlich mache, es gebe überhaupt keine Verwurzlung in der Stadt. Jetzt wird mir langsam klar, weshalb. Also kungelte ich mit dem Profi am Telefon einige Aktionen aus, die ich auf dem jour fixe am nächsten Dienstag allen vorlegen werde, am besten auch auf Englisch: Welche Kontakte anzugehen seien, welche Magazine und Szeneblätter es gebe, wie jeweils der Redaktionsschluß liege, welche privaten Radiosender in der Gegend arbeiteten, welche Veranstaltungsorte – für alle, auch für die Musiker und Maler – es gebe usw. usf.
Ich fürchte nur, ich mache mich mit solchen Aktionen bei der Leitung des Hauses nicht sehr beliebt. Und sollten sich, aus welchen Gründen auch immer, MitSipendiaten nicht hinter die Aktionen stellen, dann geh ich sie halt für mich alleine an.

10.27 Uhr. Im ICE:
[Dianne Reeves, ff.]
Bis eben das neue Mobiltelefon eingerichtet. Ich komme über das Ding ins Netz!!!! Irre. (Fragt sich freilich, was dieser Spaß kostet.)

23.56 Uhr:
[Villa Concordia Bamberg.]
Vom “Berlinausflug” zurück. Der Junge war nach allem Herumtollen gegen halb zehn so tief eingeschlafen, daß er sich bei der Ankunft kaum wecken ließ. Wir nahmen ein Taxi darum. Im Studio allerdings kam er zu sich, und wir saßen noch ein paar Minuten, eingewickelt in unsere Schals, auf der Kiesterasse. Er trank eine CapriSonne, ich einen Wein. Dann wollte er aber d o c h zu Bett; ich las ihm noch vor. Nun schläft er tief. Ich wiederum süffel weiter am Wein. Lasse den Tag passieren, schau noch mal in die Post.
ARGOloser Tag. Immerhin hab ich Projektideen skizziert.

Im Kalender gesehen, daß ich dringend den kleinen erzählenden Kaschmirtext für Land’s End schreiben muß; Abgabetermin ist Ende Mai. Zudem mit dem Deutschlandfunk wegen eines neuen Projektes telefoniert; Muster möchte mein Redakteur nicht („Nicht so, wie S i e das immer machen, nicht so subjektiv; sondern w e n n, dann erklärend, darstellend, diskursiv…“), wegen Pettersson überlegt er noch. Möglicherweise geht es – bei der von mir angestrebten CoPoduktion mit dem hr – darum, wer zuerst senden darf. Das nun ist, denk ich mir, kein Problem. Da werd ich auf beiden Seiten nachhaken.
So, genug berichtet.
Nein, das noch: Wieder einmal in den Duineser Elegien gelesen. Wieder und wieder.

4 thoughts on “Freitag, der 5. Mai 2007. Bamberg-Berlin-Bamberg.

  1. Hallo ANH, einen schönen Freitag Abend erst mal, was Sie da zum Besten geben, ist der Kracher, aber typisch! Blockaden, wo man hinschaut. Wie lange ich mich schon über die leblose website von „concordia“ ärgere, bräuchte ich nun nicht mehr zu erwähnen. Habe mich schon die ganze Zeit gewundert, warum da nichts über die neue Stipendiaten-Runde stand. Sie, die Verwaltungs- und sonstwie Verantwortlichen haben es nicht nötig, genauso wenig wie den Veranstaltungshinweis im „Mohr“. Es ist eine einzige Groteske, und das Verständnis von Arbeit für/in eine/r Institution ist geradezu beschämend.
    Aus Frankfurt die besten Grüße – und immer schön unbeliebt sein.
    B.B.

  2. selbstverständlich macht das nicht gerade beliebt… … denn es führt ja die offensichtliche unprofessionalität, unfähigkeit und/oder nachlässige bequemlichkeit der organisation des hauses sowohl diesen als auch der aussenwelt deutlich vor augen. wird das einigermassen publik kommen die ggf. auch unter einen gewissen rechtfertigungsdruck etc. – was sich aber vermutlich von entsprechender seite relativ gut aussitzen lässt. *wer* innerhalb so eines kleinstadtrahmens dann bei einigen stellen als unruhestiftender querulant unten durch ist und in der folge entsprechend hart und konsequent geschnitten wird, brauche ich wohl nicht zu erwähnen 😉 ich würde die entsprechenden notwendigkeiten daher eher von anfang an auf rein individueller/privater basis erledigen, ohne das haus weiter miteinzubeziehen, weder im negativen noch im positiven sinn. allemal nicht solange man nicht einigermassen gut überblickt, wie dort die (kulturpolitischen) machtzusammenhänge sind. alles andere hiesse m.e. sehr viel energie an der falschen stelle zu verschwenden (dazu noch mit der gefahr der konstanten behinderung der eigenen tätigkeit). so oder so: viel glück dabei. – herzlich, s.

    1. Villa Concordia Bamberg. @ virylant & brsma & to whom it may concern. Um Mißverständnissen vorzubeugen: Es geht mir keineswegs um eine Art Kräuterkrieg der Provinz, sondern um die Darstellung von Verhältnissen, die a u c h auf die literarische Tätigkeit Einfluß nehmen. Insofern ich den Produktionsprozeß von Werken protokolliere (hier vor allem von ARGO und den dem Romanprojekt assoziierten Arbeiten), komme ich nicht umhin, auch so etwas darzustellen. Wenn mir das Nachteile einbringen sollte, so habe ich sie auszuhalten – was nicht heißt, daß ich mich nicht wehren würde. Aber die Bewegung Der Dschungel ist von allem Anfang an eine Öffentliche gewesen – das war anfangs sicher, ich schrieb es an anderer Stelle bereits, eine Reaktion auf das Buchverbot. Unterdessen hat es sich aber – auch und gerade ästhetisch – verselbständigt und ist dabei, eine eigene künstlerische Form zu werden… tastend noch, manchmal auch etwas (zu) sehr auftrumpfend, um innere Ängst oder Bedenken einzuschüchtern, aber mir doch zunehmend deutlich vor Augen. (Daß ich mich dabei immer mal wieder vor neuen einstweiligen Verfügungen fürchte, muß ich wahrscheinlich nicht eigens betonen; aber das darf mich nicht abhalten, sonst wäre ich ebenso korrupt wie vieles von dem, was in Den Dschungeln mit Kimme und Korn fixiert wird). – Dabei ist die Wurzel des Vorgehens bereits in den frühen Büchern da, ich bin manchmal selbst ganz erstaunt (will sagen: damals wußte ich es nicht); schon in DIE VERWIRRUNG DES GEMÜTS (1983) sind vollkommen direkt persönliche Erfahrungen eingegangen, die sich auch recherchieren lassen. Es gab nur seinerzeit keine Kläger, was bedeutet: Den juristischen Weg zu beschreiten, war nicht ganz so modern, weil man sich mit einer Staatsmacht hätte arrangiert, gegen die man doch opponierte. Heute wird kaum noch opponiert, sondern die Affirmation ist das geschwungene Tanzbein. Ich selbst hatte übrigens schon damals den Verdacht, daß nicht die politische Idee antrieb, sondern die Harmoniesucht. Wie halt immer bei Gruppen.

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