5.37 Uhr:
[Berlin Kinderwohnung. Dallapiccola, Ulisse.]
Wir sind in Berlin g e b l i e b e n. Der Junge genießt es, einmal wieder daheimzusein, zumal auch Katangas Sohn da ist, der ältere quasi-Bruder. „In Bamberg ist es schöner“, sagt mein Junge, „aber hier ist es a u c h schön.“ Am berührendsten war es gestern gegen 22 Uhr, als er zu Bett ging. „Ich liebe mein Hochbett!“ ruft er aus und kuschelt sich, das Zuhause wiedergefunden, dicht ein. Ich konnte ihm kaum eine Seite vorlesen, da war er schon weggeschlafen. Vertrauen macht müde, auch das Vertrauen zu Räumen.Habe für ARGO meine 3-Seiten-Vornahme gestern erfüllt, mich später dann wieder von „Twentyfour“ einnehmen lassen. Deutlich ist nun das Bemühen um pc zu merken, etwa wenn zwei junge arabischstämmige US-Amerikaner Jack Bauer unter Einsatz ihres Lebens helfen, „it’s our country“, sagen sie, „and if there are terrorists attacking it, we’re standing behind you.“ Die Dramaturgie konzentriert sich nun von einem internationalen islamischen Terrornetz auf einen einzelnen „Bösen“, und zunehmend kommen nicht nur andere US-Amerikaner, sogar (ehemalige) Militärs, sondern auch Firmeninteressen ins Spiel. So daß man – wie schon bei den ersten Folgen, die ich gestern von dieser Staffel sah – zunehmend Ambivalenzen ausgesetzt wird, die die Spannung recht eigentlich h a l t e n – ich meine damit: Es bleibt das Bewußtsein einer Problematik auch n a c h dem Konsum der Serie wirkend. Was entschieden eine Qualität ist. Das war mir bereits bei den ersten drei Staffeln aufgefallen, daß sich nicht die mir sonst immer vom Fernsehen bekannte innere Leere einstellt, wenn man sich der Serie ausgesetzt und dann zeitlichen Abstand gewonnen hat. Es gibt, jedenfalls in mir, nicht dieses schale Gefühl, Zeit vertan zu haben. Sondern ich bleibe mit den vor allem moralischen, aber auch ästhetischen Fragen noch Stunden später weiterbeschäftigt.
Ästhetisch interessant ist nämlich, daß sich durch die Aufteilung des (Fernseh- bzw. Laptop-)Bildes in bisweilen vier Fenster, die immer etwas anderes zeigen (meist Situationen: funktionell soll das wohl die Werbeblöcke überbrücken, die ich selbst hier nicht mitgucken muß), die Geschwindigkeit des Filmes noch einmal entschieden erhöht – der schnelle Schnitt herrscht, gerade in den häufigen Action-Momenten, sowieso vor, aber diese „Window-isierung“ springt auf eine nächste Ebene, die zudem noch die Alltagserfahrung am Computer in die Ästhetik mit hineinnimmt. Vergleichbares läßt sich in der erzählenden Literatur nur ungefähr und dann meist metaphorisch erreichen; in ARGO versuche ich das etwa dadurch, daß ich bisweilen im selben Satz das Subjekt, also den Ich-Erzähler, wechseln lasse oder in die Erzählung der einen Szene ganz unvermittelt einen Satz aus einer ganz anderen Szene hineinschreibe.
Ich schaue das Ding auf Englisch; es ist mir erstaunlich, wie gut das geht und wie schnell offenbar ein weggesacktes passives Wörterreservoir reaktiviert werden kann. Ein Begleiteffekt ist übrigens, daß ich jetzt vermeine, heute nacht auf Englisch geträumt zu haben.
Nach eins erst ging ich schlafen, um fünf stand ich auf. Wie schon gestern ohne Mittagsschlaf. In d e r Hinsicht sollte ich mich auf jeden Fall disziplinieren, sowas macht mein Körper nicht lange mit, denke ich. (Immerhin hab ich für die ‚Familie’ der Väter-WG gekocht gestern abend und tu es heute wieder; solch eine Lust hab ich auf Familie, auch wenn es, objektbezüglich, eine verschobene ist.)
[Meine Download-Zahlen der fiktionären Website haben heute morgen, gezählt seit dem 22. 9. 2004, 20635 erreicht.]
So, an ARGO.