Paul Reichenbachs Freitag, der 15.September 2006. Kurze Bemerkung eines Angestellten über die Zeit.

Der heutige Tag verspricht genau das zu werden, was der gestrige forderte.
Oder um es mit Heine zu sagen: Der heutige Tag ist ein Resultat des gestrigen. Was dieser gewollt hat, müssen wir erforschen, wenn wir zu wissen wünschen, was jener will. Gestern war ich nicht der Bitte meiner Mutter nachgekommen auf dem Einwohnermeldeamt, jetzt heißt es ja allerorten Bürgerbüro, ihre lebende Existenz bestätigen zu lassen. Sie ist blind und muss jedes Jahr, damit sie ihr Blindengeld weiter ausgezahlt bekommt, diesen Nachweis erbringen. Also musste ich es heute Morgen tun. Gestern habe ich wieder keine vernünftige und schon gar nicht eine unvernünftige Zeile schreiben können. Das soll nun heute unbedingt geschehen. Gestern habe ich keine einzige Seite des „Propagandisten der Enthemmung“ Sloterdijk gelesen, obwohl ich mir es fest vorgenommen hatte. Ich werde den Verdacht nicht los, dass ein Freund von mir recht hat, wenn er meint, Sloterdijks >>>Weltinnenraum ist eine Philosophie für Unternehmer. Das will ich an diesem Wochenende, ich hatte es vor geraumer Zeit (!) schon einmal versucht, für mich klären. Zu alledem braucht es Zeit und eine gewisse biedermeierliche Beschaulichkeit. Und das ist mein Problem. Der Mann, der irgendwo hier im Netz den gewagten Satz erfand >>>Die Zeit lehnt sich nicht gern an Wände, hat keine Ahnung.
Kunstnarr und Tagebuchschreiber, beides Illusionisten, freuen sich an ihrem gefrorenen, kristallinen Aggregatzustand. Aber der Run des Alltäglichen zerkocht Sekunden, Minuten und Stunden dampfend und kondensiert zur Nebelwand. Zeit. Ein pulsierendes, elastisches Plasma, das bei Berührung scheinbar nachgibt, um dann fester nach Einem zu greifen
Die Zeit ist die Wand an sich!

Da fällt mir gerade auf, dass Kants >>Diener Lampe hieß…

3 thoughts on “Paul Reichenbachs Freitag, der 15.September 2006. Kurze Bemerkung eines Angestellten über die Zeit.

    1. Sind wir bald da ? keuchte Alice mit letzter Kraft. Bald da? wiederholte die Königin. Vor zehn Minuten sind wir dran vorbeigekommen! Schneller!.

      Lewis CARROL

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