18:01
Nehmen wir mal an, sie hätte mir geantwortet, dann hätte sie schreiben können, daß sie sich freue, daß ich noch zu erreichen sei – natürlich. Sie hätte mir erzählt, daß sie nun wieder B. lebt, nachdem sie damals in irgendeinem Vorort gewohnt hatte. Sie wäre sicher nicht sehr weit gegangen in ihren Mitteilungen. Eher schon ein paar Mitteilungen über den Sohn. Mutterstolz. Eher wortkarg war sie ja auch schon damals in ihren Mails. Dafür aber kamen mehrere am Tag. Ich hätte in meiner Antwort meinen Aufenthalt in B. schon mal andeuten können, ohne mich schon festzulegen. Nehmen wir mal an, sie hat nicht geschrieben, dann ist anzunehmen, daß ich mindestens stündlich in die Post schaute, ohne etwas vorzufinden. Und wäre dann ärgerlich (nein: mit einem „schade“) wieder an die Übersetzungskorrektur gegangen. Daneben immer ein Buch, in dem ich abwechselnd gelesen hätte. Möglich, daß ein Passus in diesem Buch dann mein Tagebuch auf irgendeine Weise beeinflußt hätte. In Wirklichkeit ist es ja auch so. Schwierig wurde das alles am Nachmittag, als zwei Traktoren mit Eggen übers benachbarte Feld zogen. Was ich indes nicht annehme, ist, daß heute noch eine Mail kommen wird. Es besteht indes die sichere Möglichkeit, daß ich heute mal kochen werde: So Schweinswürste mit Leber und Kartoffeln. Das ist deshalb eine sichere Möglichkeit, weil ich selber „Bock“ drauf habe, und sie am Nachmittag ein zweites Mal zu Arbeit fuhr, um „heute Abend“ wiederzukommen. Kann auch sein, daß ich heute einen Tagebucheintrag von Paul Reichenbach gelesen habe, der aber um die Zeit, als ich anfing zu schreiben, wieder verschwunden war. Ich frage mich außerdem, wie’s wohl ANH gehen mag. Wegen der Arbeit stelle ich ja vorsorglich den yahoo-messenger aus, damit ich nicht abgelenkt werde. Dasselbe scheint aber für ihn genauso zu gelten, d.h., daß er seine Konzentration braucht. Außerdem schläft er in letzter Zeit auch sehr lange, so daß in den seltenen Fällen, in denen ich yahoomäßig online bin, er offline erscheint am frühen Morgen. Kann ja auch sein, daß er mit meinen Tagebucheinträgen nicht zufrieden ist. Aber ich nehme an, daß ist jetzt so ein flüchtiger Gedanke wie die Krähe auf dem nunmehr stillen Acker, die gleich fortfliegen würde, zeigte ich mich am Fenster. Also trete ich ans innere Fenster. Schon fliegt der Gedanke fort. Nehmen wir des weiteren an, ich hätte bis 18:01 nicht einen Schluck Alkohol zu mir genommen, wäre das nicht ein guter Tag so ganz nach dem Herzen der Gesundheit? Leider reimt sich das auf Schmerzen: solche hatte ich, nämlich im Kopf. Nichts Heftiges, aber doch so, daß ich wußte, einen zu haben – aus rein anatomischer Sicht. Aber das sind alles nur die Hypothesen eines Heute, das morgen nur noch nachgelesen werden kann – wenn überhaupt. [Kurios (und erst jetzt fällt’s mir auf im Zusammenhang mit der angegebenen Uhrzeit): irgendwann bibliographierte ich wieder, hielt das Buch einer unwichtigen Traud Gravenhorst in der Hand, und mein Blick fiel auf eine Datierung: „Florenz, den 12. Oktober 1801“).
18:28
Da ist er ja wieder: —–> Paul Reichenbach.