Erst wenn alle Neugeborenen aus Retorten kommen, wird die Schlacht zwischen Mutter und Sohn enden. Aber in einer totalitäten Zukunft, die der Frau das Geschäft der Fortpflanzung aus der Hand genommen hat, wird es auch keine Artefakte und keine Künste mehr geben. Phantasie hat ihren Preis, wir zahlen ihn tagtäglich. Aus den biologischen Ketten, die uns fesseln, gibt es keine Befreiung.
Paglia, 60.
Dies übersieht – oder verwischt – eines: nämlich daß Technologie selbst in der Natur angelegt ist und nicht etwa eine Entwicklung, die aus ihr hinausführt; sie ist materialisiertes Ergebnis von Hirntätigkeiten, die ihrerseits völlig naturgesetzlich vonstatten gehen. Insofern steht >>>> Kumani, der Holomorfe, dafür, daß es auch bei quasi retortisch erzeugten Geschöpfen Kunst weiterhin geben wird, zum einen, weil auch sie, falls es zu ihnen kommen sollte, letzten Endes Ergebnisse evolutionärer Naturprozesse sind, zum anderen, weil sich allein über ihre Programmierung der menschliche Konflikt perpetuieren wird. Und Kumanis Mutter grüßt verbeugend selber die Mutter, nämlich das Meer. „Der Frau das Geschäft der Fortpflanzung aus der Hand zu nehmen“, was sich die gender-Damen im übrigen zu wünschen scheinen, bedeutet ja nur, den Uterus ebenso auszulagern, wie viele andere eigentlich menschliche Prozesse bereits zuvor in Maschinen ausgelagert worden sind; die sind aber als von Menschen gemachte Maschinen notwendigerweise auch von Natur gemacht. Paglias letzter hierüber zitierter Satz sagt das ja auch deutlich, setzt sich dann aber in Widerspruch mit der Aussage, es werde unter solchen Bedingungen keine Kunst mehr geben.
Unser körperliches Leben läßt grundlegende Wahrnehmungsweisen in uns entstehen, die geschlechtsspezifisch stark divergieren. Hier kann es keine Gleichheit geben. Der Mann ist sexuell aufgespalten. In seiner Genitalität ist er gefesselt an ein Verhaltensmuster, das sich durch Linerarität, Scharfeinstellung, Zielstrebigkeit, Gerichtetheit auszeichnet. Er muß lernen zu zielen. Ohne Zielorientierung besudelt er, wenn er uriniert oder ejakuliert, wie ein Kleinkind den eigenen Körper oder die unmittelbare Umgebung. (…) Die genitale Konzentration des Mannes bedeutet Einschränkung, aber auch Intensivierung. (…) Die männliche Sexualität ist ihrer Natur nach manisch-depressiv. Östrogen sediert, Androgen hingegen putscht auf.
Paglia, 60/61.
Deutlicher kann man >>>> das eigentlich kaum ausdrücken.
Die Männer befinden sich in einem ständige Zustand sexueller Unruhe (…). In der Sexualität ebenso wie im Leben werden sie h i n a u s g e t r i e b e n – hinaus über sich selbst, hinaus über ihren Körper.
Paglia, 61..
Das ist richtig, kann aber keine Grundlage für einen Apoll-Dionysos-Widerstreit sein, weil auch hier gilt, daß das Hinausgetriebenwerden einer natürlich (biologisch) angelegten Dynamik folgt. Das Gerichtete („Reine“, „Konturierte“) des Mannes – es geht hier um symbolische Geschlechterordnung – ist insofern ein T e i l des Ungerichteten („Unreinen“, „Unkonturierten“) der Frau; das Reine selbst ist ein Aspekt von fruchtbarem Schlamm. D e s h a l b will es immer dahin zurück, deshalb ist es vom „Schlamm“ (ich verwende Paglias, nicht meine Terminologie) derart angezogen, sowie Wollust ins Spiel kommt. So tragfähig Paglias Positionierung für eine Gesellschafts- und vor allem Kunsttheorie tatsächlich ist, übersieht sie doch zugleich die Geschlechter-Ähnlichkeiten und schaut auch hier nur ‚männlich’ nach oben, nicht hinunter, schaut sozusagen von der eigenen Möse weg, als bekreuzigte sie sich. Nicht nur sind beider Geschlechter Lustzentren (Clitoris und Eichel) morphologisch ungemein ähnlich, sondern allein die Hautstruktur von Skrotum und inneren Schamlippen ist nahezu identisch; es hat bei der Empfängnis lediglich eine biologische Entscheidung stattgefunden, die d a n n erst ausdifferenziert. Als Möglichkeit aber ist das jeweils andere Geschlecht im eigenen enthalten; anders könnten die Geschlechter übrigens auch gar nicht kommunizieren. Ästhetisch entspricht dem die >>>> Möglichkeitenpoetik. Konform mit Paglia gehe ich in der Betonung der Rolle, die das Sexuelle für die Kultur spielt. Es spielt die Hauptrolle.
mir gefällt ihre entgegnung zu paglia, dass auch technik in der natur ihren „ursprung“ hat, sehr gut. ist ein vogel, der ein nest baut, schon unnatürlich?
die bemerkung paglias, dass männer sich, wenn sie beim pissen nicht zielen lernen, selbst besudeln wie kleinkinder, ist ein sehr schwacher beobachtungs- und assoziationsansatz. die erkenntnis, sich hinhocken zu müssen (bzw. sollen), um nicht alles von den oberschenkeln an abwärts am eigenen körper mit urin zu benetzen, ist für die hygienische evolution der frau auch essentiell, also greift paglias argument ins leere; bzw. ins feuchte.
Nein, das bedenkt sie mit. Und nennt pinkelnde Frauen „Erdhocker“. Das ist weniger witzig und schon gar nicht frauenfeindlich, wenn man mitbedenkt, daß in vielen Kulturen auch hockend geboren wird: die liegende Gebärweise ist an sich ‚unnatürlich‘ und hat imgrunde schon den Kaiserschnitt parat. Von Frauen geleitete Geburtshäuser wissen das und agieren entsprechend dagegen.
Freud glaubt, daß der männliche Primitive stolz darauf ist, ein Feuer mit seinem Urinstrahl auslöschen zu können. Ein erstaunlicher Grund zum Stolz, aber jedenfalls eine Leistung, die nicht im Vermögen dee Frau liegt, die sich bei der Aktion höchstens den Hintern versengen kann. Der männliche Urinstrahl ist t a t s ä c h l i c h eine Art Großtat, ein .
Paglia, 66; Untersteichung von mir.
Dies erhellt auch, daß die – aus welchen hygienischen Gründen auch immer; das sind Rationalisierungen – an die Männer ergehende Forderung von Frauen, sie mögen sich beim Pinkeln ebenfalls setzen, innerhalb des Geschlechterkampfes symbolisch einer Kastrationsforderung entspricht. Der sich darum nur weiche, also gebrochene Männer ergeben.
Imgrunde parallelisiert Paglia die Entstehung der Kultur aus den Geschlechts-Typoi geradezu darwinistisch mit dem Beginn der Kultur durch den homo erectus und der mit ihm einhergehenden Verlagerung nicht nur des Blicks, sondern vor allem einer Kehre von Realem in die Projektion: die Attraktion der primären Geschlechtsorgane wandert hinauf: auch >>>> Menninghaus weist darauf hin, daß die Lockung der Hinterbacken in eine Lockung der Brüste, die im Tierreich g a r keine Rolle spielen, gewissermaßen sublimiert wird; ganz das Gleiche wiederholt sich in der Projektion (einem Erheben) der Schamlippen in die Lippen. Es ist auffällig, daß unser Sprachgebrauch bei weiblicher erotischer Attraktion von „schwellenden Lippen“ spricht und damit verbal wiederholt, was bei vielen empfängnisbereiten Primaten (und nicht nur bei denen) sich nicht im Bereich des Mundes, sondern eben im Schambereich ereignet. Zugleich verlagert sich der Reiz des Geruches auf einen Reiz des Sehens (wobei der Geruch pheromonal seine Rolle behält, wenn auch abgemildert).
Meine Kritik an Paglia ist insofern eine, die ihre Grundthesen revidierend weiterführt, also sie weiterdenkt, indem sie – wie im Fall Paglas eine Frau aus der projektiven Perspektive des Mannes, so hier ein Mann aus der projektiven Perspektive der Frau – einsprechende Ergänzung erfahren.
am erdhocken ist nichts frauenfeindliches, weil ja auch der mann – hier ein punkt, den wir beim ausscheiden mit den weibchen gemeinsam haben – sich beim entkoten als erdhocker betätigt, will er sich nicht wie ein kleinkind besudeln.
die analogie brüste/hinterbacken ist mir auch geläufig, die „ablenkung“ als soziale erweiterung der optionen, das verschieben der sexuellen notwendigkeit hinein in den bereich des offensiven spiels ist ein absolut kultureller ansatz, der sich subtil in alle bereiche menschlicher aktivität hineinschiebt und sie durchsetzt. in meinen augen ist diese sexuelle duchdringung von nahezu allen aktivitäten auch eine bankrotterklärung, aber das ist nur ein persönlicher nebensatz.