18.42
Lack of : everything. Wo jedes Ding alle Namen trägt, die sich ein Kopf jeweils vorzustellen vermag. Man würde gern dort sein, wo man glaubt, am richtigen Ort zur rechten Zeit zu sein. Man würde auch gern gar nichts tun, weil man sich die Zeit als ein Kontinuum seiner selbst vorstellt, dem alles andere nichts bedeutet als sich selbst. Bin ich nun in den Bereich der Eigenliebe übergewechselt? Es grenzte an ein Wunder! Und doch schwirrt mir der Kopf vom billigen Rotwein. Das ist immer eine Reaktion von mir: die des Übertreibens, sobald ich das Haus für mich allein habe. Der Ersatz-Exzeß, dem vielleicht andere Exzesse folgen werden. Via Internet. Wo, sage ich nicht. Und wer glaubt, was ich meine, irrt sich sowieso grundsätzlich. Axiomatisch gesprochen. Ich weiß, ich übertreibe. In jeder Hinsicht. Alles, was hier steht, ist eine Schraubendrehung zu viel. Spiegel schau’ ich. Die schauen in mich. Wie Schlotters „Metzgerfamilie“, deren Bildbeschreibung ich heute las. Ich hatte das Bild fast vor mir:
Schlotter riskiert davon nicht wenig mit seiner Familie des Menschen, und wenn man ihn erzählen hört von den Bildern, wie da der Metzger am Anfang ein Huhn schlachte und am Ende wieder auch und wie sich so der Kreislauf der Dinge vermittle, dann braucht man doch eine ganze Weile, um dieses Metzgern des Metzgers mit all seinen Etcetera auf den Bildern auch zu sehen, die nichts davon zeigen. Aber auf einmal sieht man’s dann doch, und dann beginnt eine Grenzensprengung des Betrachtens, die ohnegleichen ist. Der Blick, der sich aufs bloß Kleinbürgerliche gerichtet hat, bekommt auf einmal tatsächlich ‚die Menschheit’ zu Gesicht, und die Details verdichten sich zu anthropologischen Summen. Die Sauberen Hände zum Beispiel, gebändigt greifend, zugegriffen habend: nach der Tat – oder vor der Tat? Man sieht auf einmal: Beides in einem, und eben das bewirkt den tieferen Schrecken, der von dem Bild ausgeht.
Hans WOLLSCHLÄGER, Von Sternen und Schnuppen II, S. 201